»dazwischen«

»dazwischen«

Das Jahr neigt sich dem Ende zu und wir verbringen dessen letzte Tage zwischen Absch(l)uss und Neubeginn. Unter anderem befinden wir uns in Mitten von Fragen, deren Antworten nicht leicht zu ergründen sind. Wem fühlen wir uns zugehörig? Wo stehen wir gerade im Leben? Wo kommen wir her und wo wollen wir hin? Während der Jahreswende bleibt viel Zeit, um mal ausführlich über diese Themen nachzudenken, doch eines ist sicher: wir sind irgendwo dazwischen. 

von Carina Aigner

Mein Abbild spiegelt sich in der Dunkelheit der Nacht –, Blackbox. Ich starre auf das verschwommene Bild meines Ichs, während der Zug mit 120 km/h über die Gleise in Richtung Weihnachten brettert. Ich blicke aus dem Fenster. Betonbauten werden zu Feldern, während ich mich zwischen meinem Zuhause und meiner Heimat befinde. Einfach irgendwo dazwischen, versteht sich. Das wäre bestimmt ein guter Titel für meine Biografie, denke ich mir und streife sanft über die letzten Seiten meines Buches, ehe ich es schließe und zur Seite lege. Alle Uhrzeiger stehen auf Halbzeit. Noch rund eineinhalb Stunden Zugfahrt liegen vor mir, bis ich durch die Türen meines Elternhauses schreiten würde. Ein kurzer Ausflug in meine Kindheit, also nachhause, obwohl ich den Ort, welchen ich eigentlich mein Zuhause nennen würde, soeben verlassen habe, um in meine Heimat zu fahren. Doch, was bedeutet eigentlich Heimat? Wenn ich es ganz genau nehme, so wird dieser Begriff laut Wörterbuch definiert, handelt es sich bei Heimat um ein »[…] Land, [einen] Landesteil oder Ort, in dem man [geboren und] aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt (oft als gefühlsbetonter Ausdruck enger Verbundenheit gegenüber einer bestimmten Gegend).« Das bringt mich nun auch nicht weiter, denn diese Beschreibung trifft auf beide Orte zu, zwischen denen ich mich im Moment befinde. Auch hier bin ich wieder irgendwo dazwischen, beiden Städten zugehörig und doch nicht vollständig angekommen. Vielleicht kann ich zusammen mit den Silvesterraketen meine Zweifel in den Himmel schießen und sie in tausend kleine Partikel zerschellen lassen, die auf die Erde hinabprasseln und den Grundstein für etwas Neues legen. Wohlmöglich habe ich dann die Chance, einen bereits vergangenen Teil von mir loszulassen; mich selbst in der Blackbox zwischen den Feiertagen wiederzufinden. 

Apropos die Zeit zwischen Weihnachten und Jahresende: welches Datum haben wir nochmal? Alles geht ineinander über, wird zu einem großen Tag, der seinen Abschluss im Beginn des neuen Jahres – 2024 – wiederfindet. Noch einmal schnell alte Freund:innen mit neuen Geschichten treffen, von Verwandtschaft zu Verwandtschaft hetzen und zwischendrin mal einen Happen essen. Die Übergangsphase ist gut gefüllt, so wie mein Bauch. Ich meine zwischen all den Mahlzeiten bei Freund:innen und Bekannten zu ertrinken. Und dann andauernd diese nervigen Fragen von Tante und Onkel, die man seit beinahe einem Jahr schon nicht mehr gesehen hat: Wie steht es um dein Studium? Wann bist du denn fertig? Hast du endlich eine:n Partner:in? Halt dich mal ran, deine biologische Uhr tickt. – Danke meine Lieben, das weiß ich selbst und doch bin ich mir noch nicht ganz im Klaren darüber, wo es mich irgendwann hintreibt. Ich befinde mich noch inmitten eines Entscheidungszyklus, der darüber bestimmt, wo ich beruflich einmal landen werde. Und ja, ich weiß, dass euch diese Frage gerade sehr unter den Nägeln brennt: mit Germanistik kann man auch mehr werden als Taxifahrer:in. An diesem Punkt auch mal ein kurzer Dank an unsere Held:innen auf vier Rädern, die uns nach wilden Partynächten immer wieder sicher nach Hause bringen! Sollte es mich trotz dessen in die Transport-Branche verschlagen: der Plan mit meinem eigenen Taxiunternehmen billig & willig steht. Man muss ja für alle Eventualitäten gewappnet sein, nicht? Und nein Oma, fürs Heiraten bin ich noch nicht zu spät dran, das hat wirklich noch Zeit. Dummerweise braucht es dafür halt auch zwei. 

Gerade muss ich erstmal rausfinden, wer ich bin und was ich vom Leben möchte. Ich wage zu behaupten, dass ich mit meinem 1/4-Jahrhundert bereits ganz gut weiß, was ich will und doch stehen mir an diesem Punkt, genauer in der Mitte meines Studiums, noch so viele Türen offen. Wie soll man sich da final für eine Möglichkeit entscheiden, sich festlegen in Zeiten des stetigen Wandels? Wie viele andere, bin ich auch hier irgendwo dazwischen. Obwohl noch so vieles vor mir liegt, muss ich euch ehrlicherweise gestehen, fühle ich mich in der Mitte des Geschehenes eigentlich ganz wohl. Ich bin gerade sehr glücklich mit meinem Leben, mit den Menschen, die mich umgeben, und möchte das mit ins nächste Jahr nehmen. Hoffentlich geht es euch genauso. 

Beitragsbild: unsplash I Warren

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