Mov:ement Spezial: Das Kino ist zurück – Transit Filmfest 2020

Mov:ement Spezial: Das Kino ist zurück – Transit Filmfest 2020

Moment: 2020? Sind wir in einer Zeitschleife gefangen? Teilweise könnte das zwar ob der jetzigen Situation gedacht werden, aber nein: Das lokale Transit Filmfest meldet sich nach diversen Stolpersteinen mit der kompletten Erst- und Wiederholungsausgabe zurück und zeigt, dass auch trotz der Pandemie die Regensburger Kulturszene noch lange nicht versiegt ist.

von Friederike Hirth und Elias Schäfer

Über das Transit Filmfest wurde unsererseits schon einiges berichtet. Die Umbenennung von Heimspiel zum jetzigen Namen, die Ambitionen, das Programm und die Philosophie dahinter haben wir letztes Jahr beschrieben. Allerdings sind seitdem schon zehn Monate vergangen, in denen so einiges passierte: der endlos scheinende Corona-Winter, die prekäre Lage der hiesigen Kulturlandschaft, der allumfassende Lockdown, der dazu führte, dass die Kinos erst vor ein paar Wochen wieder aufmachten. Natürlich waren und sind diese Maßnahmen richtig – aufgrund der besorgniserregenden Zahlen und Zustände; aufgrund des Leidens, das wir alle wegen dieses Virus ertragen mussten und immer noch müssen. Nichtsdestotrotz ließ sich das Organisationsteam des Transits nicht entmutigen, auch wenn es viele Anlässe dazu gegeben hätte. Viel zu schade wäre es um die Mühen, die seitens aller Mitglieder erbracht wurden, und um die Filme, die nicht nur liebevoll kuratiert wurden, sondern zusätzlich jeweils verschiedene Zeitgeistströmungen sowie Zukunftsvisionen auffangen und die es einfach verdienen, in einem zelebratorischen Rahmen bzw. auf der großen Leinwand gezeigt zu werden.

Das Kino als Raum ist etwas, was von endlosen Theoretiker*innen beschrieben wurde, aber dessen Spirit trotzdem nicht ganz in endgültige Worte gefasst werden kann. Natürlich ist es möglich, Filme auch auf dem heimischen Fernseher oder sogar auf dem Laptopbildschirm zu genießen. Doch gibt es wirklich einen Ersatz dafür, mit Dutzenden weiteren Enthusiast*innen in einem Saal zu sitzen, verschiedenste Emotionen zu durchleben, sich über das Gesehene auszutauschen und von der Bild- und Soundgewalt schlichtweg weggeblasen oder zumindest in irgendeiner Weise berührt zu werden? Das Transit Filmfest bot beispielsweise eine durchaus ansprechende Anzahl an Filmen im Angesicht des Lockdowns letzten Jahres online an; in den Augen der Veranstalter*innen ist es jedoch ein Muss, diese Filme auch im Kino ansehen zu können. Es gibt keine Programmänderungen, keine Verschiebungen im Timetable, denn das Programm spricht immer noch, mit erneuerten und angepassten Daten, für sich selbst. Es geht immer noch um Utopien, Dystopien, um anspruchsvolles Kino, um Diversität, um neue Perspektiven, um Diskurs, um eine Konzeption abseits der bekannten Pfade. Auch wenn hybride oder komplett digitale Festivalideen in dieser Zeit einen Aufschwung erleben, bleibt das wichtigste für das Transit das Publikum, das sich bestenfalls nach einem gezeigten Film verändert aus dem Kinosessel nach einer Vorstellung erhebt, als es davor angekommen ist.

Die Filme, die vom 15. September bis zum 19. September im Ostentorkino sowie im Wintergarten im Andreasstadel gezeigt werden, sind keine brandneuen Produktionen, keine Blockbuster, sind nicht geschleckt und darauf angepasst, als ein »easy watching« durchzugehen, das von Multimillionenkorporationen gehyped wird. Wie in den Videobotschaften, Q&As und schließlich Filmen selbst zu sehen ist, steckt in jedem der 21 Streifen (und natürlich in den drei noch nicht gezeigten Filmen der RETRO_UTOPIA Reihe, die am 15. September im Ostentorkino vorgeführt werden) das vollständige Herzblut der jeweiligen Regisseur*innen drin. Alles hat ein Konzept, ein wichtiges Thema, experimentelle Visuals und/oder Erzählstränge; das Transit Filmfest gibt sich selbst nämlich den Anspruch, ein Ort für bahnbrechende, wegweisende und maßgebende Produktionen zu sein. Hier steht nicht die Profitgier im Vordergrund, was allein aufgrund der Gemeinnützigkeit des hauptsächlich veranstaltenden Hör & Schau e.V.  unmöglich wäre, sondern die gemeinsame Liebe zum Kino, die Liebe zur Kunst. 

Doch was wird denn jetzt genau gezeigt? Die Antwort kann bei diesem diversen Potpourri an aktuellen sowie geschichtlich bedeutenden Filmen gar nicht in einem Satz zusammengefasst werden. Der Eröffnungsfilm (inklusive Sektempfang am Abend des 16. Septembers) »Last And First Men« des viel zu früh verstorbenen isländischen Komponisten und Filmemachers Jóhann Jóhannsson zeigt auf, welche ästhetische Wirkung das Festival einschlagen soll; dystopische, brutalistische und futuristische Bauwerke geben sich hier mit der Erzählstimme von keiner geringeren als Tilda Swinton die Klinke in die Hand. Im Anschluss folgt ein visuell und musikalisch anspruchsvolles Konzert der Künstler*innen Red On + Subrihanna. In den darauffolgenden Tagen gibt es noch so einige Highlights des deutschsprachigen sowie internationalen Kinos zu sehen: Die argentinische Horror-Kolonialismus-Parabel »The Returned« (Laura Casabe, 2019), das verträumte chinesische Selbstfindungsdrama »The Cloud In Her Room« (Zheng Lu Xinyuan, 2020), das surreal-poppige »The Lost Okoroshi« aus Nigeria (Abba T. Makama, 2019), der eine neue, queere Selbstverständlichkeit darstellende deutsche Heimatfilm »Neubau« (Johannes Maria Schmit, 2020), die sensible Dokumentation einer österreichischen Familie in einer prekären Lebenssituation »Jetzt Oder Morgen« (Lisa Weber, 2020) und der offizielle Abschlussfilm, eine Co-Produktion seitens Lesotho, der Zentralafrikanischen Republik und Italien, »This Is Not A Burial, It’s A Resurrection« (Lemohang Jeremiah Mosese, 2019). Nicht zu vergessen ist hierbei der Oscar-premierte Smash-Hit »Der Rausch« bzw. »Druk« (2020) von Thomas Vinterberg, der Mads Mikkelsen zu einem dem Alkoholismus absolut nicht abgeneigten Lehrer aufspielen lässt.

Das war allerdings noch längst nicht alles, denn auch für ein spannendes Rahmenprogramm wird gesorgt. So sind Regisseurin Anna Sofie Hartmann (»Giraffe«, 2019), Hauptdarsteller von »Neubau« Tucké Royale und der Regisseur von »Seven Years In May« (BRA/ARG, 2019), Affonso Uchôa, live in Regensburg anwesend, um sich Q&As mit Transit Organisator*innen zu stellen, während bei der Podiumsdiskussion FORUM_UTOPIA am 19. September die Gäst*innen Dunja Bialas (Vorstandssprecherin beim Verband der deutschen Filmkritik), Patrick Horn (Geschäftsführer beim Grandfilm Filmverleih), Herbert Schwaab (Akademischer Oberrat der Universität Regensburg) und Adorno-Schülerin Heide Schlüpmann (Professorin der Filmwissenschaft) anwesend sein und über die zukünftige und aktuelle Rolle des Kinos diskutieren werden.

Weitere Infos zur Veranstaltung und den Filmen sowie Vorverkaufstickets findet ihr auf https://www.transit-filmfest.de 

Das Transit Filmfest findet vom 15. bis zum 19. September 2021 im Ostentorkino sowie im Wintergarten im Andreasstadel statt.

Beitragsbild: © complexpleasures / Transit Filmfest

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