Mov:ement: Film is gay!

Mov:ement: Film is gay!

Am Samstag, den 17.07.2021, organisierte der Verein RESI zusammen mit einigen LGBTIQ-Gruppen unter der neu gegründeten Vereinigung »Queeres Regensburg« in Regensburg eine kleine, aber feine Kundgebung mit Infoständen zum Christopher-Street-Day. In Berlin tanzten und feierten am vergangenen Samstag zum CSD (natürlich unter den herrschenden Corona-Hygienevorschriften) wieder ausgelassen viele Menschen in Regenbogenfarben durch die Straßen. Da liegt es nahe, einen Blick auf die mittlerweile (natürlich noch ausbaubare) aber stetig gewachsene bunte – »queere« Filmwelt zu werfen. Denn auch Film ist gay!

von Sonja Hämmerle

Vor allem wer gerade, wie ich, eine kleine Sommer-Filmflaute erlebt (und sich kaum zu Filmen oder Serien motivieren kann, weil gefühlt nichts gefällt), kann sich vielleicht zu ein-zwei Film- oder Serientipps inspirieren lassen (und das nicht nur als queerer Mensch).

»Call me by your Name« und »Blue ist the warmest Colour« sind sicherlich zwei queere Filme, die vielen Menschen bekannt sind. Ich bin immer bestrebt mein »Movie-Repertoire« in alle Richtungen auszubauen, wie auch dem queeren Film, und gerade selbst als queerer Mensch freut man* sich über den stetig wachsenden Content. Der queere Film verdient mehr Aufmerksamkeit (egal ob in Aufklärungshinsicht oder im künstlerischen Spektrum) und ich bitte zu berücksichtigen, dass die folgenden Filmtipps aus persönlichem Interesse heraus entstanden sind und daher nur eine winzig kleine Einsicht in eine bestimmte Richtung geben und es sicherlich einige Kritikpunkte gibt.

Meine erste Empfehlung ist die britische Miniserie »It’s a Sin«. Regie hat Peter Hoar geführt, der unter anderem bekannt für »Boys« (2021), »Doctor Who« (2005) and »Marvel’s Daredevil« (2015) ist. Mein Start in die Serie fing relativ ohne irgendwelche Erwartungen an, es war einer dieser »Was gucke ich heute an aber finde nichts?«- Sonntage und, was soll ich sagen, die fünf Folgen habe ich an diesem Tag komplett durchgesuchtet (man* könnte fast schon sagen, es ist eine »Snack-Serie«). Im Mittelpunkt der Story steht eine Freundesgruppe, bestehend aus vier jungen schwulen Männern und ihrer besten Freundin (deren Sexualität nicht weiter thematisiert wird), die zusammen in London ein Apartment beziehen, welches sie »Pink Palace« nennen. Die Folgen spielen in dem Zeitraum der Jahre 1981 und 1991 und zu Beginn der 80er Jahre schwappen aus den USA Nachrichten über die Krankheit AIDS rüber. Die Krankheit wird zunächst nicht ernst genommen und das nicht nur von den Ärzt*innen, sondern auch in der queeren Szene als Gerücht abgetan. Parallel wird seitens der Premierministerin Margaret Thatcher eine diskriminierende, homophobe Politik ausgeübt. Als Zuschauer*in wird man* sofort von den absolut liebenswerten und überzeugend gespielten Charakteren mit in die Geschichte und somit in deren Leben gesogen. Ich habe mitgefiebert, mitgelitten und gelacht und musste mehr als einmal die Taschentücher zücken. Wann wurdest du zuletzt mit dem Thema AIDS konfrontiert? Ich muss gestehen, ich wahrscheinlich durch den Film »Bohemian Rhapsody« und dann vermutlich im Aufklärungsunterricht in der Schulzeit (oder gelegentlich mal irgendwo was in den Medien gelesen). Die Serie hat mich dazu animiert, mich (wieder) mehr einzulesen und darüber zu informieren, ja, wieder ein gewisses Bewusstsein dafür in mir zu schaffen. Die Ironie am Privilegiertsein ist ja, dass man* dieses Privileg schlichtweg oft »vergisst« und nur in der sicheren Bubble lebt. Es ist toll, wenn Serien (oder Filme) es schaffen, einen* aus dieser Bubble (um es dramatisch auszudrücken) zu reißen und aufzuwecken. (Die Serie findet ihr auf Amazon Prime in dem Starzplay Channel)

Meine nächste Empfehlung ist der französische Film »La Belle Saison« (Eine Sommerliebe) von Catherine Corsini aus dem Jahre 2015 – ein Titel, der zu dem warmen Wetter momentan passt. Der Film erzählt eine Liebesgeschichte zwischen zwei, zumindest auf den ersten Blick, unterschiedlichen jungen Frauen. Die 23-jährige Delphine lebt mit ihren Eltern zusammen auf dem Land und führt, neben dem alltäglichen Arbeitsleben auf dem Hof, eine heimliche Beziehung mit einer Frau. Nachdem diese zu Bruch geht, zieht sie 1971 nach Paris und schließt sich dort einer Gruppe Feministinnen an, die sich für die Rechte von Frauen einsetzten. In dieser Gruppe ist auch die Spanischlehrerin Carole, die mit ihrer freien Art Delphine sehr gefällt. Es kommt, wie es kommen muss, und die beiden verlieben sich nach einem holprigen Start ineinander. Es wird nicht leicht, denn nicht nur hat Carole einen Freund, sondern auch Delphines streng konservative Familie steht den beiden Frauen im Weg. Der Film gefiel mir durch die Leichtigkeit, die er mit den sommerlichen Szenen und dem warmen, goldenen Licht vermittelt, gestützt durch die wunderbare Filmmusik von Grégoire Hetzel. Im Gegenstück zu der Leichtigkeit steht der Bruch zwischen der konservativen Landidylle und der Modernität in der Stadt, die durch die Frauenbewegungen im Umbruch steht. Auch nach diesem Film habe ich erstmal einige Zeit mit Googlen verbracht. Die Vornamen der beiden Hauptcharaktere sind unter anderem eine Anlehnung an zwei Frauenrechtlerinnen der damaligen Zeit (die französische Schauspielerin Delphine Seyrig und die schweizer Regisseurin Carole Roussopoulos). Großen Kitsch muss man* by the way in diesem Film nicht befürchten.
(Den Film findet ihr auf Amazon Prime)

Ganz anders sieht es da bei »Kyss mig« (»Küss mich«) aus dem Jahre 2012 von Alexandra-Therese Keining aus. Die deutsche Erstausstrahlung findet ihr gerade im Originalton mit deutschen Untertiteln bis zum 05.08.2021 in der ARD-Mediathek. Mia und ihr frisch Verlobter Tim fahren gemeinsam zur Geburtstagsfeier von Mias Vater. Die Feier ist zugleich eine Verlobungsfeier von Mias Vater und seiner neuen Freundin, die eine erwachsene Tochter, Frida, mit in die Ehe bringt. Das Familienverhältnis wirkt nur auf den ersten Blick glücklich, schon bald machen sich die ersten Streitigkeiten und unangenehme Situationen bemerkbar. Wie ein frischer Wind und immer mit einem Lächeln auf den Lippen wirkt dagegen Frida, neben der immer etwas angespannt und verkrampft wirkenden Mia, und nach einem überraschenden nächtlichen Kuss nimmt das (Gefühls-)chaos seinen Lauf. Der Film ist keine schwere Kost und überzeugt durch schöne Kameraführung und lang gezogene Augenblicke, ohne dabei zu aufdringlich und romantisch zu werden. Bis zuletzt ist nicht klar für wen sich Mia entscheiden wird – beziehungsweise, noch viel wichtiger, ob sie sich für sich selbst entscheiden wird. Ein Feel-Good-Movie, der in Zügen an »Blue is the warmest Colour« erinnert.

Die letzte Filmempfehlung ist einer meiner Lieblingsfilme und sicherlich der ein oder anderen Person bekannt: »Portrait de la jeune fille en feu« (»Portrait of a Lady on Fire«; 2019). Der französische Film stammt nicht nur aus der Feder von Céline Sciamma, sondern sie führte zugleich auch Regie. Die Pariser Malerin Marianne muss für einen Auftrag im Jahre 1770 auf eine einsame Insel in der Bretagne. Der Auftrag ist so ungewöhnlich wie der Ort, sie soll heimlich ein Porträt einer jungen adeligen Frau, Héloïse, anfertigen. Diese soll nämlich bald verheiratet werden. Héloïse weigert sich Modell zu sitzen, um gegen die von ihrer Mutter arrangierte Ehe zu rebellieren. Marianne begleitet die junge Frau zu ihren Spaziergängen an den Strand und versucht abends aus dem Gedächtnis heraus ein Abbild zu malen. Mit der Zeit wächst zwischen den beiden Frauen eine fast schon hypnotische Anziehungskraft, aus der sie sich beide nur schwer entziehen können. Mal von dem unfassbar fesselnden und leidenschaftlichen Spiel von Adéle Haenel (Héloïse) und Noémie Merlant (Marianne) abgesehen, lebt der Film von wunderschönen künstlerischen Aufnahmen. Man* wird in diesem Film keine Male Gaze finden und auch sonst keine Klischee-beladenen »Gay Szenen«. Obwohl der Film eine beachtliche Länge mitbringt, habe ich mich keine Minute gelangweilt.

Während der letzten Minuten des Films habe ich eventuell vergessen zu atmen …
(Den Film findet ihr ebenfalls momentan auf Amazon Prime)

Titelbild: © Sonja Hämmerle

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