Homo Oeconomicus- (k)eine Perspektive für die Zukunft

Homo Oeconomicus- (k)eine Perspektive für die Zukunft

Im Zukunftsmodell universitärer Bildung scheint man sich von dem Aspekt der universellen Bildung zu verabschieden: Wie ein Artikel der ZEIT Online ankündigt, werden in Ländern wie Japan, Großbritannien und in den USA die Sozial- und Geisteswissenschaften langsam aber sicher aus dem Angebot der Bildungseinrichtungen genommen.

Dabei werden Fächer der Philosophie, Geschichte, Linguistik und Soziologie durch Studienrichtungen wie Wirtschaftswissenschaften, Ingenieurstudiengänge und Informatik abgelöst. Da sich international der Trend bestätigt, dass ökonomisch ausgelegtes Effizienzdenken den tertiären Bildungsbereich durchtränkt, muss man sich als Studierender an einer deutschen Universität fragen, wie das Konzept des Zukunftsmenschen in den Augen von Finanz- und Industriekapitalisten aussehen soll. Die Kritik an Geistes- und Sozialwissenschaften ist die, nicht praktisch genug zu sein, außerdem wird keine Notwendigkeit für ausgebildete SprachwissenschaftlerInnen, Soziologen und PolitikwissenschaftlerInnen in einer Gesellschaft gesehen. Dieser Aspekt ist selbstredend ironisch. Wer ist denn dann unbedingt notwendig für unsere Gesellschaft? Der neunundneunzigste studierte Marketingexperte im Radius von 100 Studierenden, nur weil die ökonomische Elite sich den Homo Oeconomicus als Prototyp Mensch erträumt? Ist das Gedankengut künstlerischen, schaffenden, sozial- konfliktlösenden  Ursprungs nichts  wert? Alle sozialen, literarischen, kulturellen Errungenschaften  der Menschheit  werden auf den Begriff der Notwendigkeit reduziert- und gehen in den Unweiten des Massenkonsums verloren. Doch was sind wir, die Menschen, sowohl  individuell,  als auch im Kollektiv, wenn nicht der Synergieeffekt genau dieser kreierenden Prozesse?

Der Bologna- Prozess unter dem Deckmantel einer Vereinfachung der internationalen Anerkennung von Studienabschlüssen hat den ersten Stein ins Rollen gebracht: Unsere einst unabhängige Gestaltung von Forschung und Lehre wird zunehmend von führenden ökonomischen Akteuren diktiert, deren größte Interessen in der Maximierung von Profit und der Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft liegen. Was nicht als Komponente in einen Produktlebenszyklus eingebaut werden kann und dem tonangebenden Großkonzern keinen maximalen, effizienten Output verspricht, muss ganz einfach an wirtschaftliche Rahmenbedingungen angepasst werden- oder gleich ganz ausgerottet. Und da Philosophie und Linguistik nicht in das Menschenbild der wirtschaftlichen Elite passen, sollen diese am besten schnellst möglich abgeschafft werden, denn die Ressource Mensch, ist hier nicht mehr als ein Mittel zum Zweck.
Durch die Beseitigung dieser Bildungsbereiche verliert nicht nur unser Bildungssystem an Vielfalt. Bildung ist der Zugang zu beinahe unendlichen Möglichkeiten, Lebensformen und Lebenswelten, die in Folge einer Restriktion ebenfalls an Reichtum verlieren. Reichtum in Form von Perspektiven und freien Entscheidungsmöglichkeiten, denn es gibt diesen Begriff auch außerhalb monetärer Zwänge. Damit wird der effizienzunabhängige, frei denkende Mensch langsam ausgehöhlt, und der Logik des Marktes unterworfen: Das Angebot bestimmt die Nachfrage, je liberaler der Markt, umso fügungswilliger die Ressource Mensch. In diesem Sinne wird unser schlimmster Science Fiction Alptraum wahr: Die Vereinheitlichung  und Instrumentalisierung des Menschen, wie in George Orwells namenhaften Roman „1984“ ist kein ausgedachter Irrsinn, sondern drohende Realität. In dem berühmten Roman des Schriftstellers erscheint als Akteur der Repression ein totalitäres, sozialistisches Regime. In unserer rosigen Zukunft scheinen wir selbst unsere eigenen Gefangenen zu werden, von den Grenzen unserer geistigen Möglichkeiten beengt.

 

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