Wohnsinn-Kolumne: Vom Ende der Zweisamkeit

Wohnsinn-Kolumne: Vom Ende der Zweisamkeit

Ohne Trennung getrennte Wege gehen? Unsere Autorin steht vor der Frage, wie es sich wohl anfühlt als Paar vom gemeinsamen Haushalt wieder in unterschiedliche Wohnungen zu ziehen. Eine kurze Reflexion über das Auseinanderziehen, ohne auseinandergezogen zu werden.

von Hannah Eder

Seit drei Jahren leben wir zusammen, mein Partner und ich. Ursprünglich war es seine Wohnung, dann meine und jetzt teilen wir sie uns. Ein Zimmer, 35 Quadratmeter, in der Regensburger Altstadt. „Kuschelig“ sagen die einen – „schon ein bisschen eng“ die anderen. Eigentlich war es am Anfang auch mehr eine zweckmäßige als eine romantische Entscheidung. Am Ende des ersten Corona-Lockdowns waren wir gerade fünf Jahre zusammen. Drei davon hatten wir eine Fernbeziehung geführt und dann – peng – auf einmal zwei Monate wegen der Pandemie auf engstem Raum verbracht. Danach war klar: Wir könnens auch am selben Ort. Miete sparen und dafür lieber mal im Restaurant essen, ins Theater gehen oder in den Urlaub fahren war das Motto. Das war der Beginn unseres Lebens zu zweit. Wir beide hatten vorher schon in WGs gelebt, im Zusammenleben mit anderen Menschen, die nicht zur eigenen Familie gehören waren wir also erprobt. Was aber wenn man nur noch zu zweit ist, nicht mehr aus Höflichkeit abspült und auch keine Zimmertüre mehr hinter sich zu machen kann, wenn einem der Mitbewohner doch mal auf den Keks geht? Eigentlich alles nicht so schlimm, denn man hat auch immer jemanden zu dem man nach Hause kommen kann, der mit dir lacht und weint, der deine Seite im Bett schonmal vorwärmt, wenns mal später wird und der morgens Frühstück holt, wenn du mal wieder nicht aus den Federn kommst. Ans Zusammenleben haben wir uns dann doch sehr schnell gewöhnt, Routinen auf- und abgebaut und uns unsere kleine Welt geschaffen. Und trotzdem muss das jetzt aufhören, denn mein Partner geht für längere Zeit ins Ausland und wird bald danach mit dem Studium fertig. Dann wird es ihn sowieso in eine andere Stadt verschlagen. Tschüss Regensburg!

Auseinanderziehen – das Wort gibt es zwar, aber anders als Zusammenziehen nur in einem ganz anderen Kontext. Ein bisschen fühlt es sich aber genauso an, wenn wir darüber nachdenken beide wieder in WGs zu ziehen und trotzdem weiterhin eine Beziehung zu führen – wie auseinandergezogen werden. Wie Kaugummi, der immer dünner wird, aber hoffentlich nicht reißt. Was das mit unserer Beziehung machen wird, frage ich mich in letzter Zeit oft. Ich kenne auch nur sehr wenige Paare, die nach einer Phase des Zusammenlebens wieder getrennte Wohnungen hatten. Manche hat das Referendariat auf längere Zeit getrennt, manche konnten nur so überhaupt ihre Beziehung retten. Beziehungsexpert:innen und Paartherapeut:innen nennen getrennte Wohnungen ja oft als Wundermittel gegen Streit, weil man sich nicht mehr mit kleinen alltäglichen Ticks auf die Nerven geht und obendrein mehr Rückzugsräume nur für sich hat. Kann es vielleicht wirklich eine Bereicherung sein, wieder mehr Zeit für sich zu haben? Wenn ich an die Abende denke, an denen ich mich – überfordert von Uni, Arbeit und Freizeitstress – einfach nur in mein Bett verkrümeln möchte, ohne mich dafür rechtfertigen zu müssen, haben getrennte Wohnungen sicher Vorteile. Aber ob man sich dann überhaupt noch oft genug trifft? Bekommt man dann noch so viel vom Alltag der anderen Person mit wie vorher? Auf jeden Fall werden wir neue Arten der Begegnung schaffen und neue Wege der Kommunikation finden müssen, wir werden uns bewusster Zeit nehmen und die andere Person aktiv in unser Leben einbeziehen müssen. Aber das kriegen wir wohl hin, denn in der Vergangenheit hat das ja auch schon über größere Distanzen geklappt.

Trotzdem schwirren mir diese Fragen im Kopf herum und noch viele andere. So viel Ungewissheit und Ungewohntheit, die dieser Schritt mit sich bringt. Aber insgeheim freue ich mich auch drauf – und mein Partner auch. Einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, der vielleicht ein wenig unkonventionell ist, aber uns auch wieder ein Stück aus unserer selbstgeschaffenen Spießigkeit reißt, der uns mit neuen Menschen und neuen Erfahrungen in Kontakt bringt und uns hoffentlich noch näher zusammenschweißt.

Beitragsbild: Geran de Klerk I Unsplash

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