Wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen

Wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen

Im Studentenleben sind Ruhe und gute Landluft nicht unbedingt die ersten Kriterien bei der Wohnungssuche. Ein Bericht über die Sonnen- und Schattenseiten des Dorflebens und wie es sich anfühlt, nach fünf Semestern in Regensburg den Beton der Universität gegen grüne Hügel und Berge einzutauschen.

Von Ida Müermann

Mich hat es während des Auslandssemesters in der Schweiz in ein kleines Dorf nahe St. Gallen verschlagen. Das urige Landleben war nicht wirklich geplant, ich bin eher zufällig in „Hundwil“ gelandet. Einfach immer der Nase nach, sagt man doch. Für dieses Sprichwort gibt es gute und schlechte Tage auf dem Dorf. Ob es einer der guten ist, erfahre ich jeden Morgen nach dem Aufstehen beim Lüften. An den schönen Tagen duftet es nach Heu und dem Beginn des Sommers, während ich aus meinem Fenster den Blick über die grünen Hügel und die idyllischen Höfe dazwischen schweifen lasse. An den schlechten Tagen muss ich das Lüften nach wenigen Sekunden wieder unterbrechen, wenn ich nicht möchte, dass es in meinem Zimmer riecht wie in einem Güllefass. Die gute Landluft eben.

Vier Zimmer und ein Wirtshaus

Ein wenig Naserümpfen nimmt man doch in Kauf, wenn man dafür mit seinem Freund in einer riesigen vier Zimmer Wohnung leben kann. In der Stadt war für denselben Mietpreis eine Einzimmerwohnung zu haben, die Dusche war praktischerweise direkt neben dem Bett, das zugleich in der Küche stand. Da liegen einem die vier Zimmer doch angenehmer auf der Zunge. Zumal es ja nur 20 Minuten mit dem Bus in die Stadt sind, der dank dem Schweizer Organisationstalent auch pünktlich jede Stunde fährt. Von einem stündlichen Bus, der bis ein Uhr nachts fährt, kann man auf den Oberbayrischen Dörfern nur träumen. Die gute Anbindung hat leider auch ihren stolzen Preis, wenn eine Fahrt umgerechnet knapp acht Euro kostet- die einfache Strecke. Und ohne Auto muss ich dann doch öfter Bus fahren, als gut für meinen vom Semesterticket verwöhnten studentischen Geldbeutel ist. Supermarkt, Apotheke, Kino oder Bar sind Fremdbegriffe für die dreihundert Seelen in „Hundwil“.  Vor allem die geselligen Stunden in Bars, Clubs und Kneipen mit meinen Freund:innen vermisste ich sehr. Als dann Besuch da war, ging es nach den anderthalb Monaten Barentzug in das örtliche Wirtshaus. Um elf Uhr an einem Freitagabend kann man in Regensburg froh sein, wenn man sich noch irgendwo durch die Kneipentüren in einen überfüllten Raum zwängen kann. In Hundwil hatten wir die freie Platzwahl, da sich um diese unchristliche Zeit nur noch der Stammtisch wacker hielt. Unser erstes Bier genossen wir unter den bedeutungsvollen, schweigsamen Blicken der Stammgäste, die sich unsere Anwesenheit scheinbar nicht erklären konnten. Es blieb dann auch bei einem ersten und letzten Bier. Um Mitternacht, wenn die Regensburger Clubs ihre Tore öffnen, schlossen sich die des dörfischen Wirthes und damit auch jegliche Abendunterhaltung.

Laufen statt Saufen

Andererseits hat das Fehlen der studententypischer Abendaktivitäten auch sein Gutes. Ich lebe dank dieser unfreiwillige Alkoholabstinenz so gesund wie nie zuvor. Der geliebte Bierautomat in der PT-Cafeteria wurde durch meine Laufschuhe vom Thron gestoßen. Egal, ob den Hausberg besteigen, mit dem Rennrad über leere Straßen rauschen oder beim Schwimmen im Freibad des Nachbardorfes drei Bahnen für sich allein genießen- sportlich gesehen hat das Landleben einiges zu bieten. Es ist einfacher nach draußen zu gehen, wenn die Natur direkt vor der Haustüre beginnt. Eine urige Holzhaustüre, die nie abgesperrt wird. Ich besitze seit dem Einzug nur einen Schlüssel für meine Wohnungstüre im zweiten Stock. Die Mieter im Ersten verzichten sogar darauf, ihre Wohnung steht immer einen Spalt offen. Man kennt hier einfach jede:n und jede:r weiß, dass es sicher ist. Wäre ich Mitte dreißig, würde ich hier beruhigt meine Kinder großziehen. Ich bin aber nicht Mitte dreißig und ich muss zugeben: Regensburg, ich vermisse dich und das Stadtleben. Im Herbst kann ich meine neuen Wadenmuskeln dann endlich wieder im Sax für vier Euro in einem undefinierbaren Cocktail ertränken und mich darüber freuen, dass mich der Nachtbus in ein paar Stunden ganz umsonst nach Hause fährt.

Beitragsbild: Ida Müermann

One thought on “Wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen

  1. Danke für den Beitrag! Ich fühle die Schwierigkeit die Balance zwischen Bierautomat und Laufschuhen zu suchen, vor allem als Student! 😂 Da ist ein Landhaus in der Schweiz ein guter Rückzugsort um herauszufinden, was man wirklich möchte.

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