Die Tangos des »Piazzolla!« – Das 5. Kammerkonzert des Theater Regensburg

Die Tangos des »Piazzolla!« – Das 5. Kammerkonzert des Theater Regensburg

Nach der Premiere von »María de Buenos Aires« widmete sich das 5. Kammerkonzert der aktuellen Spielzeit dem Komponisten Astor Piazzolla. Die drei Trios an Musiker:innen brachten dabei den »Tango Nuevo« auf die Bühne des Neuhaussaals.

von Yvonne Mikschl

»Musik ist die direkteste Kunst. Sie tritt durchs Ohr ein und trifft ins Herz.«

Astor Piazzolla (1921–1992)

Astor Piazzolla – der Erfinder des »Tango Nuevo«

Piazzolla ist kaum ein Name, der einem sofort einfallen würde, wenn man an Komponist:innen denken würde. Im Gegenteil, der Argentinier ist hierzulande wahrscheinlich kaum bekannt. Astor Piazzolla wurde 1921 in Mar de Plata, Argentinien, geboren und war das Kind italienischer Einwanderer. Dass der Junge mit Musik sein Geld verdienen würde, war klar, als er 1936 bereits im Tango-Orchester von Anibal Troilo das Bandoneon, ähnlich einer Ziehharmonika, spielte. Einflüsse auf seine Musik kommen unter anderem aus Paris und New York – beides Städte mit unterschiedlichen Musikrichtungen und -stilen.

Der »Tango Nuevo«

Besonders nach der Begegnung mit Nadia Boulanger in Paris 1955 bekam der Tango eine neue Richtung, griff nach anderen Genres und ließ sich von ihnen beeinflussen – der »Tango Nuevo« war geboren. Was beinhaltet dieser neue Tango denn genau? Zum einen verbesserte sich der Stil. Spannungen und Widersprüche des bis dahin herrschenden Tangos waren seit Jahrzehnten präsent. Oder um es in den Worten von Matthew B. Karush zu formulieren: »Eine neue Version eines alten, avantgardistischen Projekts innerhalb des Tangos, obwohl große Verschiebungen in der transnationalen Musikwelt den Klang und die Bedeutung dieser Avantgarde veränderten«.

Leidenschaft und Sehnsucht gepaart mit heißen Rhythmen

Musikalisch gesprochen treffen die wichtigsten Elemente des traditionellen Tangos auf einen von Synkopen (also eine rhythmische Verschiebung, die harmonisch oder melodisch wahrnehmbar ist) geprägten Rhythmus mit Jazzharmonien, Pop und Folklore. Der 5. Kammerkonzertabend am Theater Regensburg am Sonntagabend setzt mit seiner Stückauswahl Piazzolla, der 1992 gestorben ist, ein Denkmal. Zu Beginn spielte das Trio mit Beatrix Leinhäupl (Violine), Daniela Pletschacher (Viola) und Rainer Stegmann (Gitarre) das charakteristische Werk »Le Grand Tango«. Dabei kommt mit der hauptsächlich gezupften Gitarre in den zehn Minuten des Stücks ein Gefühl von Sommer auf: Als Zuhörender hat man den Wunsch, an einem heißen Sommertag in Buenos Aires zu sein. Bereits hier wird klar: Leidenschaft, Schmerz und Liebe sowie Sehnsucht dominieren die Stücke des Tangos.

Mit »Libertango« schließt sich eine Tangokomposition an, die die synkopischen Rhythmen und harmonische Wendungen perfekt zeigt. Violine, Kontrabass und Akkordeon harmonieren in den drei Teilen »Oblivion«, »Adios Nonino« und »Nightclub 1960«. Besonders der erste Part klingt wie der Soundtrack zu einer tragischen argentinischen Lovestory mit heißen Tänzen. Die Hauptmelodien werden in diesem Part des Abends hauptsächlich vom Kontrabass gespielt und sind ein Wechsel zwischen langsamen Passagen und dynamischen, fast schon dramatischen Parts.

Nach der Pause findet der Abend mit den »Las Cuatro Estaciones Porteñas« sein Ende. Es zählt zu Piazzollas berühmtesten Werken. Geprägt vom Stil des Tango Nuevo und Jazz erklingen neutönende Melodien und eine intensive Dramatik in der Harmonie von Violine, Violoncello und Klavier. Inspiriert wurde Piazzolla übrigens von Vivaldis »Vier Jahreszeiten«, kehrt diese jedoch in den vier Teilen weitaus um. So klingt der Winter nicht nach der Tristesse, wie manch einer in der dunklen Jahreszeit verspürt. Einzig im Herbst kommt etwas Melancholie auf durch das Cellosolo, das wenig später wieder vom Klavier begleitet wird. Und obwohl es sich um Jahreszeiten handelt, ist der Hauch des Tangos deutlich zu spüren und man möchte gern das Tanzbein schwingen.

Fazit

Astor Piazzollas Musik wird durch das neunköpfige Ensemble des Theater Regensburg gut in Szene gesetzt. Dabei beweisen die Musiker:innen in den drei Teilen des Kammerkonzertes, dass sich die Genres gegenseitig befruchten können, wie es Piazzolla im Sinn hatte. Die Vorgabe, streng nach Noten spielen zu müssen, muss nicht mal so sehr unterbrochen werden: Leidenschaft, Dramatik und Virtuosität sieht man den Musiker:innen auf der Bühne durchaus an, auch wenn der Fokus der Spielenden auf die Noten vor ihnen liegt – der Puls der Großstadt, die Seele Buenos Aires, lebt an diesem Abend sowohl auf der Bühne als auch im Publikum auf.

Bildquelle: Neuhaussaal, Foto von Pawel Sosnowski, © Theater Regensburg

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