Weihnachten bei Müllers

Weihnachten bei Müllers

Weihnachten ist für viele eine Qual, für wenige einfach nur schön und für große Teile unserer Gesellschaft ein Ausdruck von nicht-Achtung.

von Moritz Müllender

Hurra hurra, es weihnachtet sehr. Alle Jahre wieder dürfen sich Menschen treffen, die sich das restliche Jahr bewusst aus dem Weg gegangen sind. Halb Deutschland macht mal wieder Coronaweihnachtsparty – bei schlechter, oft rassistischer Musik, halbwegs gutem Essen und anstrengender Verwandtschaft. Bevor es dann Heiligabend besinnlich wird, haben sich mindestens zwei Familienmitglieder gestritten und drei neue Flecken zieren die Tischdecke.

Die eine Hälfte hat keinen Bock und zeigt das durch Gestik und Mimik so penetrant, dass sie es den Anwesenden auch ins Gesicht brüllen könnten. Die andere Hälfte macht gute Miene-Smalltalk zum bösen Spiel. Verzweifelt versucht die eine Person, die an Weihnachten hängt, die ganze Misere besinnlich zu gestalten. Meistens scheitert sie. Das einzige Weihnachtswunder bleibt, dass Jesus nach wie vor – entgegen jeder Vernunft – als weißer Mann abgebildet wird. Dabei sieht er obendrein meistens aus, wie der Nachbar, der neuerdings bei Querdenken mitläuft und Corona wegmeditieren will. 

Vielen geht es an Weihnachten so oder schlechter. Für viele bedeutet die besinnliche Zeit Stress und finanzielle Engpässe. Das offensiv zu kommunizieren, kommt immer mehr in Mode. Der Hate auf Weihnachten hat Hochkonjunktur – zurecht. 

Doch Weihnachten ist noch viel mehr als das Hassobjekt von Millenials und Gen-Z. Weihnachten in Deutschland ist Leitkultur pur. Es passt wenig Respekt für Menschen, die Weihnachten nicht feiern (können), neben die monströsen Tannenbäume, die jedes Kuhkaff aufstellt. Viel wird vom »jüdisch-christlichen Abendland« fantasiert. Doch im Alltag wird frohe Weihnachten gewünscht. Kaum Menschen wünschen gleichzeitig frohes Chanukka. Oder fragen nach welches und ob überhaupt ein Fest gefeiert wird. Was für ein Schlag ins Gesicht ist das Auskotzen über das anstrengende Weihnachten mit der schrulligen Familie wohl für Menschen, die vielleicht gerne eine Familie zum Feiern hätten – oder für Menschen, die sich vor ihrer Familie fürchten müssen. 

An Weihnachten bekommen vor allem »gute Deutsche« Beachtung. Das sind meistens weiße christliche heterosexuelle cis-Menschen, oftmals Männer. Die altbackene Weihnachtstradition hat noch kaum Wokeness abbekommen. In den nächsten Tagen zelebrieren wir Weiße Vorherrschaft, Patriarchat, die Dominanz der christlichen Religion. Da hilft es wenig, wenn statt Leichenteilen heute veganer Nussbraten auf dem Teller liegt – dennoch lohnt es sich auch dafür zu streiten. Streit gibt es sowieso genug an Weihnachten. Vielleicht schaffen wir es ihn konstruktiv zu gestalten und für ein repräsentativeres, gerechteres und damit friedlicheres Weihnachtsfest einzustehen. Nebenbei macht das die schrullige Familie möglicherweise erträglicher, vielleicht gar liebenswerter. 

Mögen wir uns also besinnen: Kein Gott*, kein Staat, kein Patriarchat und bitte auch keinen Wurstsalat. Ach ja – und auch keinen weißen Jesus! Schöne freie Tage allerseits, was auch immer ihr treibt.

Beitragsbild: © Andrew Haimerl | Unsplash

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