Feminis:muss: Frau und Macht – [Billige] Kopie von maskulinem Führungsgehabe? Von wegen!

Feminis:muss: Frau und Macht – [Billige] Kopie von maskulinem Führungsgehabe? Von wegen!

Ein langsames Herantasten in Richtung Arbeitswelt ergibt ein Mehr an Möglichkeiten und potenziellen Karrierechancen. Die ersten Personalgespräche, Fortbildungen in Sachen Selbstmarketing, einige Networking-Events – eine Welt, die sich mir nicht auf den ersten Blick erschließt. Ein augenblickliches Wohlfühlen scheint mir nicht internalisiert. Etwa nur weil ich eine Frau bin? Und dann prasseln auch schon die ersten Tipps & Tricks auf mich ein: »Sitzen und stehen Sie aufrecht. Senken Sie Ihre Stimme am Ende des Satzes. Legen Sie Ihren Fokus nicht auf Beziehungen, sondern auf Inhalte.« Aber Achtung! Das Erfolgsrezept für Erfolg sei immer noch »Authentizität«. Große Irritation, denn wenn ich diesen Ratschlägen nun folge, mache ich nichts anderes als einen maskulin konnotierten Führungsstil zu kopieren. Warum scheint uns der Loslösungsprozess von gendertypischen Führungsweisen nicht zu gelingen?

Ein Kommentar von Paula Boden

Ein Blick auf die Zahlen verrät: Im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit 28 Prozent von mit Frauen besetzten Führungspositionen im unteren Drittel, im EU-Durchschnitt belegen lediglich 34 Prozent weibliche Kräfte die Führungsetagen.[i] Weltweit werden die 500 größten Unternehmen nur in drei Prozent der Fälle von Frauen geführt.[ii] Alarmierend, wenn man bedenkt, dass allein in Deutschland der Frauenanteil der Hochschulabsolvent:innen im Jahr 2020 bei 51.7 Prozent lag[iii] – wieso bleiben Frauen so häufig auf ihrer Karriereleiter stecken? Liegt’s denn wirklich bloß am Kinderkriegen oder auch am (an)sozialisierten »Sich-nicht-Vermarkten-Können«?

Hier geht es weniger um eine Sozialstudie von vermeintlich geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen, sondern vielmehr darum, dem angestauten Unwohlsein hinsichtlich gutgemeinter (nicht nur männlicher) Ratschläge Raum zu geben. Denn immer häufiger werde ich mit widersprüchlichen Verhaltenstipps konfrontiert, wenn es darum geht, mich im beruflichen Kontext »zu verkaufen«. 

Sei es ein BlaBlarCar-Fahrer, der meint, mir lautstark erklären zu müssen, wie ich mich in Gehaltsverhandlungen zu verhalten habe – gerade als Frau, so betont er: »Du präsentierst deinen Vorgesetzten dein Wunschgehalt und lässt anschließend einfach keine Diskussion zu. Sprich laut und bestimmt, verhandle nicht!« Als mansplaining abtun? So einfach ist das nicht. 

Einige Wochen zuvor habe ich mein erstes Personalgespräch. Meine Kollegin meint es gut, sie kommt auf mich zu: »Verkauf dich nicht unter deinem Wert. Mach dich nicht kleiner als du bist – sprich mit kräftiger Stimme, zeig dich selbstbewusst.« Ich nicke. Gleichzeitig bemerke ich innere Unruhe, die ich direkt bewusst bekämpfe. Denn die Ratschläge leuchten mir ein. Wenn ich erfolgreich sein möchte, muss ich mich behaupten können. Aber etwas widerstrebt dieser Annahme. 

Dann folgt eine Fortbildung in Hinblick auf Selbstmarketing. Der Consulter kommt in den Konferenzraum, adrett gekleidet, setzt sich lässig schräg auf einen Tisch und mir fällt sofort auf: Diese Körperhaltung ist künstlich. Ich frage nach, er gibt mir – wen wundert’s – einen mehr oder minder hilfreichen Ratschlag: »Stell dich aufrecht hin; zeige Körperspannung. Nur nicht zu lasziv.« Und ein paar Tage später bin ich bei einem schicken Salonabend, unterhalte mich mit einem ehemaligen Botschafter über westliche Interventionen im Nahen Osten und kann verdammt nochmal an nichts anderes denken als an: meine unbeholfene Gestik und an meine zu freundliche Mimik. Ich habe Angst, zu viel zu lachen. Nicht, dass man mein Verhalten missversteht. 

Und tatsächlich – ein Blick in die Untiefen der Google Recherche ergibt zwar ein eher progressives Bild vom Ideal der weiblichen Führungskraft, aber wer genauer liest, stößt auf die ganz gewitzten Details. So veröffentlicht das Consulting-Unternehmen Haufe Akademie wichtige Hinweise für Frauen in Führungspositionen im Umgang mit Machstrukturen: »Wenn Sie Männer führen, ist es sehr wichtig, ihnen gegenüber eine Haltung zu meistern, die Wärme mit Zurückhaltung ausgleicht und nicht als Flirten verstanden wird. Bereitschaft zum Flirt wird durch subtile, nichtverbale Zeichen mitgeteilt. Sie zeigt sich in der Körperhaltung, der Qualität des Augenkontakts, der Färbung der Stimme.«[iv] Und dann folgt eine Reihe klischeehafter Vorurteile, die unsere männlichen Kollegen etwas dümmlich dastehen lassen. Bestimmt trifft diese Vorahnung auf den/die ein:e oder andere:n Mann und auch Frau zu; aber Verallgemeinerungen sind gefährlich. Und ich möchte hoffen, dass wir mittlerweile doch von vielen Männern umgeben sind, die nicht jedes freundliche Gespräch als Flirtversuch interpretieren; gerade im beruflichen Rahmen.

Dieser eigentlich absurde Hinweis spiegelt jedoch die auch in uns noch vorherrschende Prämisse wider: »Think manager, think male.« Der Prototyp von Führungsqualitäten ist maskulin konnotiert: durchsetzungsstark, laut, kräftig, breitbeinig, ernst und selbstbestimmt. Alles Eigenschaften, die eine moderne Frau heutzutage auch verkörpert. Und doch zeigt die Wissenschaft ein unangenehmes Abbild unserer Gesellschaft. Das Kopieren männlicher Muster und Führungsstile führe bei Frauen zu einer Inkongruenz hinsichtlich der allgemeinen Rollenerwartung und wird damit negativ wahrgenommen und bewertet, sowohl von Männern als auch von Frauen.

Wie also soll frau sich richtig verhalten? Entweder ihrem sozialisierten Rollenbild entsprechend – empathisch, emotional, inklusiv. Oder doch den männlichen Chef kopierend und dem Haufe-Tipp folgend; die eigenen Emotionen im Zaum zu halten. Äh, wie bitte? Als wäre frau, das »hysterische Weib« [Anm.: Danke, Freud!], bei jeder unschicklichen Situation nah am Wasser gebaut. Da gefällt mir doch die progressive Beschreibung eines geschlechtsungebundenen Führungsstils deutlich besser, ein transformationaler Ansatz. Chef:innen begegnen ihren Mitarbeitenden dabei auf Augenhöhe, verstehen sich als Teil vom Team und als Mentor:in. 

Hören wir doch ein für alle Mal mit diesen Rollenzuschreibungen auf und lassen uns gegenseitig schlicht und einfach – wie heißt es in unserer medialisierten Welt so schön – »authentisch« sein. Dann müssen wir Frauen uns nicht mehr ewig emanzipieren [in der aktuellen Arbeitswelt ein Synonym für »Kopie des maskulinen Führungsverständnisses«]. Und durchstoßen gemeinsam die »gläserne Decke« [der Bereich, den viele Frauen nach einigen getätigten Karriereschritten nicht mehr erreichen – die maskuline area], um das Ungleichgewicht von Frauen, Männern und divers in den Führungsetagen ein für alle Mal zu begraben.  


[i] Vgl. DeStatis (2020): Frauen in den Führungsetagen weiterhin unterrepräsentiert (https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Bevoelkerung-Arbeit-Soziales/Arbeitsmarkt/Frauenanteil_Fuehrungsetagen.html).

[ii] Vgl. Statista (2018): Zahl der weiblichen CEOs wird deutlich überschätzt (https://de.statista.com/infografik/13168/zahl-der-weiblichen-ceos-wird-deutlich-ueberschaetzt/).

[iii] Vgl. Statista (2021): Frauenanteile an Hochschulen in Deutschland nach akademischer Laufbahn in den Jahren 2018 bis 2020 (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/249318/umfrage/frauenanteile-an-hochschulen-in-deutschland/).

[iv] Höfer, Ute (2021): Frauen in Führung – Tipps für den Umgang mit Machtstrukturen, Haufe Akademie (https://www.haufe-akademie.de/blog/themen/fuehrung-und-leadership/frauen-in-fuehrung-tipps-fuer-den-umgang-mit-machtstrukturen/).

Beitragsbild: © That’s Her Business | Unsplash

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