Feminis:muss: Die Macht der Worte

Feminis:muss: Die Macht der Worte

Dass Frauen im Einkommen gegenüber Männer im Nachteil sind, ist bekannt. Dass Frauen auch heute noch viel zu wenige Führungspositionen besetzen, ist ebenfalls bekannt. Weniger bekannt hingegen ist, inwiefern unsere Sprache zur Ungleichberechtigung zwischen Frau und Mann – ja sogar zwischen Mann und Mann – beiträgt. Höchste Zeit darauf aufmerksam zu machen!

von Julian Bichler

»Was hat eine Blondine mit … gemeinsam?« oder »Treffen sich zwei Blondinen …«. So beginnen häufig Witze über blonde Frauen. Auf den ersten Blick harmlos wirkend tragen solche jedoch zur Diskriminierung des weiblichen Geschlechts bei, werden doch durch solche Witze blonde Frauen nur auf deren vermeintliche Naivität und Dummheit reduziert. Dieses Beispiel ist nicht das einzige, das zeigt, wie viel Einfluss unsere Sprache auf bestimmte Randgruppen nimmt, wie stark dadurch die Diskriminierung Einzelner vorangetrieben wird. 

Let’s talk about Sex – aber wie?

Einen Einfluss bemerkt man* in der herabwürdigenden Sprache, die wir für alles, was mit Sex zusammenhängt verwenden. Genauer gesagt in den sexualisierten Frauenbildern, die insbesondere in der heutigen Zeit durch die Macht von Pornos vorangetrieben werden und ganz oft frauenfeindlich sind. Stellen wir uns doch einmal eine Situation vor, in der ein Mann seine Freundin betrügt. Die Reaktion der Gesellschaft darauf? Keine, denn er ist ja ein Mann. Ist jedoch eine Frau ihrem Mann untreu, wird sie von der Gesellschaft sofort als Schlampe, Hure oder Ähnliches abgestempelt. Obwohl die Ausgangssituation eigentlich dieselbe ist, nur eben mit vertauschten Geschlechterrollen. Gerecht? Aus irgendeinem unerklärlichen Grund ist es immer noch in der Gesellschaft akzeptiert, Frauen hinterherzupfeifen, wenn man sie attraktiv findet – eine respektlose Geste der Frau gegenüber. Noch schlimmer: Dickpics. Einige Männer denken durchaus, dass es in Ordnung sei, als Mann einer Frau ein Foto seines Geschlechtsteils über soziale Medien zu schicken (wohlgemerkt hat die Frau nicht darum gebeten!). Dieser respektlose Umgang gegenüber Frauen wird mittels Sprache, die durch die Verbreitung pornografischer Inhalte im Internet Ausdruck findet, normalisiert: So berichten viele Jugendliche heutzutage ihren Freunden stolz, man* habe die eigene Freundin gebumst, geknallt, weggeballert, flachgelegt oder was es sonst noch so für Ausdrücke gibt. Auf diese Weise bildet sich immer mehr eine brutale Sprache gegenüber Frauen heraus und diskriminiert sowie verachtet das weibliche Individuum. Umso wichtiger ist es, sich dieser diskriminierenden Ausdrücke bewusst zu werden und sie nicht mehr zu verwenden, um Frauen den notwendigen Respekt zu zollen.

Das Internet – der Superspreader der Hasskommentare

Die verachtende Sprechweise erscheint noch deutlicher in den Sozialen Medien. Denn dort kann jede Person anonym und ohne direkte Konsequenzen so gut wie alles über eine andere Person schreiben. Durch Cybermobbing im Internet werden immer mehr Menschen (überwiegend Jugendliche und Frauen) beleidigt, etwa weil sie nicht den Idealvorstellungen einzelner Personen entsprechen. Ein sehr großes Problem stellt hierbei das gesellschaftlich konstruierte Schönheitsideal dar. Vor allem auf der Social-Media-Plattform Instagram posten viele Menschen täglich perfekt inszenierte und stark bearbeitete Fotos, zeigen ihre angeblich perfekten Körpermaße. Damit stehen vor allem jene unter Druck, die genau diesem Schönheitsideal nicht entsprechen. Diese Personen erhalten dann über das Internet anonyme Hasskommentare aufgrund ihres Aussehens und werden so diskriminiert. Die RTL-Moderatorin Frauke Ludowig etwa postete auf Instagram ein Foto von sich im Urlaub, für welches sie einen Shitstorm erntete, da viele ihre »krüppeligen Füße« auf dem Bild nicht schön fanden. Als starke Frau wehrte sie sich mit einem Statement, in dem sie davon sprach, dass sie sich schön finde, so wie sie ist. Ein starkes Zeichen gegenüber dem vorherrschenden Schönheitsideal der heutigen Zeit. Viele Frauen aber können verständlicherweise nicht so locker damit umgehen und nehmen solche Hasskommentare sehr ernst. Diesen muss verdeutlicht werden: Schönheit liegt im Auge von einem selbst und nicht im Auge derer Betrachter, die sich hinter anonymen Profilbildern verstecken. Wir sollten aufhören, für Soziale Medien perfekt zu inszenieren, ein perfektes Outfit zu präsentieren, perfekte Haltung einzunehmen, etwas Perfektes vorzuspielen. Noch stärker sollten wir aber auf unsere Sprache und unsere Kommentare gegenüber anderen Personen im Internet achten. Denn wie weitreichend die Folgen von Cybermobbing sein können, zeigte erst kürzlich der Fall Kasia Lenhardt. Das Model und ehemalige Teilnehmerin der Fernsehsendung »Germany´s next Topmodel« hat sich am Geburtstag ihres Sohnes umgebracht. Zuvor lieferte sie sich nach der Trennung von ihrem Ex-Freund, dem Profi-Fußballer Jérôme Boateng, eine öffentliche Schlammschlacht. Er warf ihr dabei unter anderem vor, eine »Familienzerstörerin« zu sein. Keiner weiß, was wirklich zwischen den beiden geschehen ist. Das Thema war jedoch ein gefundenes Fressen für die Boulevard-Presse. Überall wurde über die beiden geschrieben, woraufhin Kasia Lenhardt unzählige Beleidigungen und hasserfüllte Kommentare erhielt. Ob sie sich deshalb umgebracht hat, ist unklar. Sicher jedoch ist, dass durch unüberlegte Kommentare oder bewusste Beleidigungen Menschen so weit gebracht werden können, dass sie sich das Leben nehmen. Wie es das Model Sara Kulka auf ihrem Instagram-Kanal treffend schreibt: »Mobbing tötet«. 

Der Mythos vom »Echten Mann«

Suizidfälle gibt es jedoch nicht nur bei Frauen. Laut verschiedener Studien begehen Männer viel häufiger Suizid als Frauen. Denn auch sie werden durch unsere Sprache diskriminiert, wenngleich dies oftmals weniger offensichtlich scheint. So werden bereits in der Kindheit eines Jungen falsche Mythen von Männlichkeit vermittelt. Fällt beispielsweise ein Junge beim Spielen hin und schürft sich das Knie auf, so wird, wenn das Kind weint, zumeist gesagt: »Reiß dich zusammen« oder »Echte Männer weinen nicht«. Aufgrund gesellschaftlicher Wertvorstellungen und alten Traditionen gilt es als schwach, wenn Männer Emotionen zeigen. Manchmal wird auch betont, dies sei nur etwas, was Homosexuelle tun würden. Aus diesem Grund wurde beispielsweise lange Zeit bei dem kanadischen Sänger Shawn Mendes gerätselt, ob er nicht schwul sei, da er in seinen Songs meistens über Gefühle singt. Überraschung: Ist er nicht. Eigentlich sollte es als etwas Menschliches, etwas Normales angesehen werden, Emotionen freien Lauf zu lassen. Denn ja, das ist jetzt für manche vielleicht komisch, auch Männer haben Gefühle und wünschen sich manchmal, diese jemandem offenbaren zu können. Daher sollte man(n)* schon als Kind gezeigt bekommen, dass Weinen oder sonstige Gefühlsausbrüche in Ordnung sind und man* sich nicht dafür schämen sollte, welche zu haben. Verzichtet man* bei der Erziehung auf etwaige Männlichkeitsklischees, würden mit Sicherheit viel mehr Männer heute ihre Gefühle offener zeigen können. Apropos Mythen über Männlichkeit: In Wirklichkeit wäre es viel besser, den Begriff Männlichkeiten zu verwenden. Denn es gibt nicht die eine Männlichkeit. Zwar wird auf sozialen Plattformen der durchtrainierte Mann, der täglich ins Fitness-Studio geht, als der »Echte Mann« gepriesen. Diese Stilisierung eines Männlichkeitsbildes diskriminiert aber viele andere Männlichkeiten. Denn viele Männer haben keine durchtrainierten Muskeln oder wirken femininer als andere. Jeder von ihnen ist jedoch ein »Echter Mann«, sie repräsentieren eben nur unterschiedliche Männlichkeiten. Und jede davon ist gut so, wie sie ist. Dieser Pluralismus von Männlichkeiten sollte sich also auch in unserem Sprachgebrauch widerspiegeln. 

Hetero vs. Homo?

Vor allem Personen aus der LGBTQIA+ Community haben es in dieser Hinsicht nicht gerade leicht. Denn Homosexualität, Bisexualität und andere Sexualitäten kämpfen immer noch mit vielen Vorurteilen und Diskriminierungsmustern. In einem Instagram-Post bedankte sich der »Dahoam is Dahoam«-Schauspieler Shayan Hartmann bei seinem besten Freund in einem langen Text für deren jahrelange Freundschaft und zählte dabei unterschiedliche Dinge auf, die beide bereits miteinander erlebt haben. Am Ende des Textes: #nohomo. Hier stellt sich die Frage: Warum können sich Männer nicht einfach untereinander Komplimente machen, ohne sich gleich rechtfertigen zu müssen, dass sie nicht homosexuell sind? Für Hartmann selbst bedeutet dieser Hashtag vielleicht nichts, schwule Männer hingegen können sich durch solche Aussagen diskriminiert fühlen. Diese Sprechweise ist homophob und übermittelt Personen aus der LGBTQIA+ Community, dass deren Sexualität etwas Schlechtes sei, dass sie weniger wert seien als andere Personen. Homophobe Aussagen mächtiger Personen wie etwa Papst Franziskus, der 2018 in Bezug auf homosexuelle Neigungen bei Kindern sagte, es ließe sich »noch vieles machen, mit der Psychiatrie etwa, um zu sehen, wie die Dinge sich verhalten«. Oder der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der nach Protesten von Studierenden in seinem Land behauptete, LGBTQ gebe es nicht, machen das Ganze noch schlimmer. Personen aus der LGBTQIA+ Community haben denselben Wert, wie jede andere Person auch, weshalb Begriffe wie »schwul« nicht mehr als Beleidigung verwendet werden sollten. Wenn sich zwei Männer beispielsweise öffentlich umarmen, sollte die Reaktion nicht »Das ist doch voll schwul!« sei , sondern es sollte vielmehr – wie zuvor angesprochen – normal sein, dass ein Mann seine Gefühle ausdrückt. Umso wichtiger ist es, ein Zeichen gegen Homophobie zu setzen, um Beleidigungen gegenüber LGBTQIA+ Personen oder anderen diskriminierten Gruppen zu verhindern. Aus diesem Grund haben sich in einer kürzlich erschienenen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung unter dem Hashtag #actout 185 Schauspieler*innen aus der LGBTQIA+ Community geoutet, um für mehr Toleranz in Film und Fernsehen einzutreten. Auch der deutsche Youtuber Joey´s Jungle outete sich vor kurzem auf seinem Youtube-Kanal als homosexuell und wurde so durch seine große Reichweite zu einem Vorbild für viele junge Menschen. Indem wir LGBTQIA+ Personen und anderen diskriminierten Menschen eine Plattform bieten, kann sich die Meinung über diese und damit auch die Sprache ihnen gegenüber verändern. Vielleicht werden so auch die verschiedenen Männlichkeiten in unserer Gesellschaft mehr akzeptiert.

Sprache und damit leider auch sprachliche Diskriminierung ist in unserer heutigen Gesellschaft allgegenwärtig. Durch einen verantwortungsbewussten Umgang damit kann jedoch erreicht werden, mehr Toleranz und Gleichberechtigung gegenüber einzelnen Personengruppen zu schaffen, sei es zwischen Frau und Mann, zwischen Mann und Mann, zwischen allen Farben des Regenbogens. Denn Sprache besitzt eine Macht, welche richtig eingesetzt schützen kann, welche falsch eingesetzt im schlimmsten Falle sogar töten kann: Die Macht der Worte.

Beitragsbild: ©Brett Jordan on Unsplash

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