Die Pressefreiheit im Keller?

In der letzten Ausgabe der Lautschrift hat sich die Redaktion stark mit dem Thema Pressefreiheit auseinandergesetzt. Dabei sind wir vor allem auf nicht-westliche Länder eingegangen und haben mit Erschrecken festgestellt, wie stark die Pressefreiheit teilweise mit Füßen getreten wird. Dass das Thema Pressefreiheit nun auch in Europa so an Brisanz gewinnt, ist beängstigend. Ein trauriger Nachruf.

von Celina Ford

Österreich ist doch eigentlich dieses kleine Land, in das man im Winter in den Skiurlaub fährt, sich an dem schönen Dialekt erfreut und bei einem Städtetrip nach Wien in einem der zahlreichen Kaffeehäuser eine Sachertorte und eine Wiener Melange bestellt. Und ganz nebenbei ist es auch eines der liberalsten Länder Europas in Punkto Pressefreiheit. Eigentlich. Denn schon seit längerer Zeit ist der Österreichische Rundfunk (ORF) unter Beschuss.

»Das ist etwas, was nicht ohne Folgen bleiben kann«

Letzter großer Aufreger in der schon länger anhaltenden Debatte über die Pressefreiheit in Österreich war Ende April ein Interview des ORF-Journalisten Armin Wolf mit Harald Vilimsky, Generalsekretär der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und Kandidat für die Europawahl am 26. Mai im Nachrichtenmagazin ZiB2. In dem Interview konfrontierte Wolf Vilimsky mit einem Cartoon der steirischen FPÖ-Jugend zum Thema Migration, welchen er mit einer antisemitischen Karikatur aus der nationalsozialistischen Zeitschrift Der Stürmer verglich. Wie reagierte der FPÖ-Politiker darauf?

Er verurteilte es. Jedoch verurteilte Vilimsky nicht wie jeder andere freiheitlich-demokratische Politiker und Kandidat für die Europawahl (!) die Verantwortlichen des politischen Cartoons, sondern Armin Wolf. Seine Frage, worin sich die beiden Karikaturen unterschieden, könne laut Vilimsky »nicht ohne Folgen bleiben« und warf ihm vor, der FPÖ schaden zu wollen. In den Tagen darauf schaukelte sich die Debatte in den Medien immer weiter hoch. Stimmen wurden laut, Armin Wolf auf ein Sabbatical schicken zu lassen oder ihn gänzlich aus dem ORF rauszuwerfen. Plant man hier die Vereinnahmung eines öffentlich-rechtlichen Senders?

Die Regierungskoalition zwischen der rechtspopulistischen FPÖ und der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht, kritische Pressestimmen, gelinde gesagt, etwas zu unterbinden. Ein Vorschlag sieht vor, die Rundfunkgebühren abzuschaffen und den Sender mit Steuern zu finanzieren. Das Problem an der Sache ist, dass so ein Abhängigkeitsverhältnis entstünde. Wenn der Sender nicht spurt oder zu kritisch ist, wird eben der Geldhahn abgedreht. Eine inzwischen verifizierte E-Mail des Innenministeriums an die Polizei im letzten Jahr empfiehlt dieser, die Kommunikation mit kritischen Medien zu reduzieren und in der Berichterstattung die Nationalität von Betroffenen in den Fokus zu stellen. Dass sich Österreich vor allem in der Causa Flüchtlingspolitik immer mehr nach rechts verschiebt, ist nicht zu übersehen. Dass diese rechts-angehauchte Politik nun jedoch auch das öffentliche Leben in Österreich und vor allem die Presse einholt, ist erschreckend.

»Acht Millionen Debile«

Von dem deutschen Moderator Jan Böhmermann kann man halten, was man will. Persönlich finde ich seine »Experimente«, die Grenzen der Satire und Kunstfreiheit immer wieder aufs Neue auszuloten, gut. Das »Schmäh-Gedicht«, die Verunglimpfung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, die auch juristische Folgen nach sich zog, machte ihn wohl auch über die Grenzen Deutschlands mit seiner Spartensendung Neo Magazin Royale im ZDFneo bekannt. Im Rahmen seiner Ausstellung im Künstlerhaus Graz mit dem Namen #Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich (nein, das war kein Ausrutscher auf dem Keyboard) gab Böhmermann am 6. Mai ein Interview in dem ORF-Magazin Kulturmontag. In dem Interview kam Böhmermann auch schnell auf die derzeitige Situation Österreichs zu sprechen. Neben der Kritik an einem 32-Jährigen Bundeskanzler und einem Vizekanzler, der »volksverhetzende Scheiße« auf Facebook poste, stellte er fest, dass es immer mehr zu einer »Normalisierung« des Rechtspopulismus in Österreich komme. Ein Satz, der jedoch nicht ohne Folgen blieb, war, dass in Österreich »acht Millionen Debile« leben würden. Gleich nach der Ausstrahlung des Interviews distanzierte sich die Moderatorin (und der ORF) von der Kritik Böhmermanns. Inzwischen hat der Wiener Rechtsanwalt Wolfgang List Anzeige wegen »Herabwürdigung des Staates Österreichs« gegen Böhmermann erstattet. Jedoch ohne irgendeinen politischen Hintergrund, das sollte laut List nochmals betont werden.

Es ist wirklich beängstigend, wenn man in Echtzeit beobachten kann, wie ein Land immer mehr in die Hände von Rechten fällt. Eine Mahnung wurde bereits von den Reportern ohne Grenzen ausgesprochen: Österreich wurde von Platz 11 auf 16 in Punkto Pressefreiheit herabgestuft. Man kann deswegen nur hoffen, dass die Presse nicht die Augen verschließt, sich nicht unterkriegen lässt und weiter ihre Arbeit macht. Oder wie Armin Wolf einen amerikanischen Kollegen zitiert: »We’re at work, not at war.«

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