Schreibwerkstatt: »Bekochen«

Schreibwerkstatt: »Bekochen«

Text zum Thema Revolution der Heftausgabe 34. Geschrieben im Rahmen der Schreibwerkstatt an der Uni Regensburg.

von Philipp Ruhland

Helena war aufgeregt. Nach längerer Zeit war sie wieder einmal von Regensburg in die Heimat – ein Allerweltsdorf mit ein paar Hundert Einwohnern, einer Kirche, einem Sportplatz, viel Landwirtschaft und etwa einer Stunde nach München – gefahren und stand nun gerade in der Küche, um ihre Eltern zu bekochen.

Sie wollte ihnen etwas Gutes tun. Es gab Spaghetti, vegane Bolognese. Helenas Onkel, Metzger Reitner, würde es Blasphemie nennen, ein Fleischgericht fleischlos zu kochen, vermutete sie, als sie die Nudeln abgoss.

Doch Helena war anderer Meinung. Eigentlich sahen ihre Eltern es auch wie der Reitner, doch alle drei waren sie nicht dabei gewesen, als sie einkaufen gewesen war. Und die Alternative statt des Hackfleischs gekauft hatte. Blasphemie! Dass ich nicht lache! Wie soll etwas, das lecker ist, blasphemisch sein?

Selbst studierte sie Lehramt – wie so viele in Regensburg – und lebte in einer WG. Ein gemeinsamer Kochabend mit ihren Mitbewohnerinnen hatte sie auf den Geschmack gebracht, sodass sie nun nur noch in den allerseltensten Fällen Fleisch aß. Zum Beispiel im Dorfwirtshaus, in dem das vegetarische Gericht Salat mit Hähnchenstreifen ist.

Helena trug die Nudeln zum gedeckten Tisch, rief nach ihren Eltern und holte dann den Topf mit der Soße. »Mhm, das duftet aber schon!«, freute sich ihr Vater, der Landmaschinen verkaufte und oft im Schützenverein war, als er zur Tür reinkam. Auch ihre Mutter kam mit einem Lächeln und Magenknurren in die Küche.

Die drei Teller wurden angefüllt, währenddessen stob Dampf zur Decke. »Lasst es euch schmecken.«, sagte Helena und fügte hinzu: »Die Bolognese ist übrigens vegan.«

Ihre Eltern schauten sie überrascht an, sagten aber aus Höflichkeit nichts. Nach der ersten Gabel blickten sich ihre Eltern an und ihr Vater meinte: »Merkt man aber gar nicht!«


Beitragsbild: Oktavisual Project I Unsplash

In der Schreibwerkstatt verfassen Studierende der Uni bei Prof. Jürgen Daiber Kurzgeschichten und Prosa. Wer Interesse hat, bei der Schreibwerkstatt mitzuwirken, findet auf der Website des Instituts für Germanistik mehr Informationen. Wir veröffentlichen jeweils einen Text pro Semester in unserer Heftausgabe. Weiteren Autor:innen bieten wir eine Plattform auf dieser Website.

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