Das Böse in uns

Das Böse in uns

Welche Wirkung Vereinsamung, Isolation und das Internet auf uns haben können hat zuletzt die globale Corona-Pandemie gezeigt. Tausende von Menschen sträubten sich gegenüber den Impf- und Schutzmaßnahmen. Sie drifteten dabei nicht selten in ein Knäuel aus rechter Meinungsmache und Verschwörungsschwurblerei ab. Und eben jene vermeintlich abgehängten, von der Mitte der Gesellschaft nach rechts außen gedrängten Menschen porträtiert Emanuele Aldrovandi in seinem Stück »ALARM!« von 1985, das am 24. September im Theater am Haidplatz unter der Regie von Gregor Tureček Premiere feierte.

von Lea Wöhl Anna-Lena Brunner

Wasserstoffblonde Haare, hohe Hacken, Kappe auf dem Kopf, Krallen so lang wie die einer Raubkatze. Die Protagonistin Viktoria (Verena Maria Bauer) erfüllt auf den ersten Blick das Klischee einer Unsinn plappernden Proletin komplett. Doch der erste Eindruck täuscht. Sie weiß, wie sie gekonnt manipuliert, Menschen dabei von ihrem faschistischen Ansichten überzeugt und diese dann mithilfe der sozialen Medien in die Welt hinaus posaunt. Denn genau das ist ihr größenwahnsinniger Plan. Gemeinsam mit ihren Lakaien Future (Kristóf Gellén), Attack (Philip Quest) und Order (David Markandeya Campling) macht sie sich bereit, die »Revolution« praktisch von ihrem Kinderzimmer aus in die Wege zu leiten. Radikal und weltfremd gehen die drei dabei vor und scheuen dabei auch nicht, über Leichen zu gehen.

Irgendwann kippt die Stimmung und zwei des Quartetts fangen an, den Plan anzuzweifeln. Die Façade bekommt Risse und durch diese Risse sickert der ganze Wahn in die Realität hinein. Ein Wahn, dem Viktoria insgeheim schon lange verfallen scheint. Doch die vier halten stur an ihrem Vorhaben fest. Es kommt zu einem blutigen Showdown, der einige Opfer fordert.

»ALARM!« zeigt auf virtuose, witzige, deshalb aber nicht weniger verstörende Weise, was in einer Welt passieren kann, in der Menschen wegschauen. Es ist eine Welt, die einsam ist – einsam und kalt und egoistisch. Das Wegschauen und Ignorieren wird zum neuen Mantra der Menschen, die es eigentlich besser wissen müssten, die doch eigentlich festhalten sollten an demokratischen, humanistischen und liberalen Werten. So wendet sich der besorgte Vater (Gero Nievelstein) immer wieder ans Publikum und erklärt, dass er seiner Tochter ja keinesfalls Vorschreibungen machen möchte und so auch ihren Extremismus toleriert/ignoriert. 

Das Stück ist düster, nicht zuletzt aufgrund des dunklen, nebligen Bühnenbildes, das mit seinen ganzen Trennwänden und Bildschirmen einem futuristischen Labyrinth einer dystopischen Großstadt gleicht. Durch die Projektion aktueller Schlagzeilen von Skandalen, um heutige Politiker*innen verschwimmt die Dystopie immer wieder mit der Realität. Trotz nur leichter Veränderung wurden wir als Zuschauerinnen immer wieder in neue Szenen mitgenommen. 

Philipp Quest, Kristóf Gellén, Verena Maria Bauer ©Jochen Quast

Wie schwierig doch manche Diskussion sein können, wenn man mit extremen Standpunkten in eine Diskussion geht, zeigen drei Intermezzi, die das Stück unterbrechen und uns nicht nur zum Lachen, sondern auch zum Nachdenken brachten. Eines davon verläuft folgendermaßen: Ein extremer Standpunkt, als Joker verkleidet, der der Demokratie, als Europa verkleidet, gegenübersteht und durch geschickte Rhetorik und Argumentationstaktik und auch so manche Wortverdrehung die Demokratie argumentativ in die Knie zwingt. 

Am Ende gab es für die wirklich herausragende Leistung der Schauspieler*innen verdiente Standig-ovations.

Karten für »ALARM!« gibt es auf der Webseite des Theaters Regensburg.

 

Beitragsbild: Verena Maria Bauer als Viktoria. ©Jochen Quast 

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