Über Diskriminierung im Fahrradkeller

Über Diskriminierung im Fahrradkeller

Wenn mir beim Fahrradfahren durch den ersten verschneiten Regensburger Morgen dieses Winters schon um die Ecke die Finger drohen, abzufallen, dann denke ich nostalgisch an den Sommer zurück: Warmer Wind in den Haaren und keine Strecke war für meinen treuen Drahtesel und mich zu weit. Es gab jedoch jemanden, der uns trennen wollte.

Von Regina Polster

Es war ein schöner Tag im Frühsommer, als ich bester Laune in den Fahrradkeller meines Wohnheims (überaus praktisch!) schlenderte, bereit für Sonne und einen hoffentlich entspannten Vorlesungstag. Als ich mich umblickte, trugen einige Räder einen kleinen Zettel am Gepäckträger. Süß, dachte ich bei mir, Schwester Burgi hinterlässt uns kleine Morgengrüße! Selbst sie kann sich also nicht retten vor der allumfassenden Sommer-Gute-Laune-Glocke, unter der sich im Moment jeder zu tummeln schien. Pfeifend kam ich an meinem Fahrrad an und nahm freudig gespannt den Zettel in die Hand:

>>Alle Fahrräder, die am Freitag noch diesen Zettel tragen, werde ich entfernen lassen, um hier etwas Ordnung zu schaffen. Viele sehen sowieso nicht so aus, als würden sie noch benutzt werden.<<

Mein Blick wanderte von dem Stück Papier in meiner Hand zu meinem fahrbaren Untersatz: Lila gestrichenes Aluminium verband einen Sattel, dessen Bezug sich derzeit Stück für Stück verabschiedete, mit einem leicht verbogenen Lenkrad sowie zwei halb befüllten Reifen. Gut, es hatte seine Schönheitsfehler. Aber es funktionierte noch einwandfrei und war vor zwei Jahren mit einem Preis von 15 Euro ein echtes Schnäppchen unter den gebrauchtesten Gebrauchträdern gewesen. Ich war verletzt. Nur weil ihr so manches Fahrrad nicht mehr adrett genug aussah, nahm Schwester Burgi sich einfach das Recht heraus, diese persönlich anzugreifen. Und sollten nicht gerade Nonnen sich für einen genügsamen Lebensstil aussprechen, der nun einmal die Benutzung eines in die Tage gekommenen Fahrrads einschließen konnte? Was sie hier tat, war nicht nur öffentliche Demütigung meines armen Gefährts. Schlimmer noch, sie wollte es nach einer knappen Woche Galgenfrist auch noch einfach so entsorgen!

Natürlich entfernte ich das vermeintliche Todesurteil meines Drahtesels sofort – das war schließlich das gewünschte Zeichen, das verheißen sollte, das man das Rad tatsächlich noch benutzte. In den nächsten Tagen beschlich mich allerdings das Misstrauen: Wenn hier schon mit so uneindeutigen Zeichen wie dem Entfernen eines Stück Papiers vom Gepäckträger gearbeitet wurde, konnte das nicht von rechtskonformen Vorgehensweisen in diesem Hause zeugen. So hatte ich jeden Tag erneut Panik in dem Moment, in dem ich die Tür zum Fahrradkeller öffnete: Ob es heute wohl einfach verschwunden sein würde? Vielleicht war es ja von selbst ausgebüxt – verletzt, wie es sein musste. Als das Wochenende vor der Tür stand, welches ich bei meinem Freund verbringen wollte, hatte ich kurz den Drang, mein Fahrrad im Zug mitzunehmen. Da die fünf Euro für das Fahrradticket im Zug allerdings ein Drittel des ursprünglichen Kaufpreises darstellten, entscheid ich mich dann doch dagegen.

Mein Fahrrad wurde letztendlich nicht entsorgt, es steht auch heute noch im Fahrradkeller meines katholischen Wohnheims, obwohl ich es selbst bereits durch ein neues gebrauchtes Rad ersetzt habe – natürlich aus stillem Protest gegen die Diskriminierung von nicht makellosen Dingen und nur zu sehr geringem Anteil aus Faulheit.

Nun aber genug der Eigenheiten meines Wohnheims. Freut euch auf nächste Woche: Wohnsinn-Neuling Selina wird euch zum ersten Mal in ihren Alltag mitnehmen.

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