Kleine Vignette

Kleine Vignette

Ich sitze auf dem glühenden Asphalt, während der Teer an meinen Füßen sich in der Sonne verflüchtigt und zu einer warmen klebrigen Masse wird. Resigniert nehme ich meinen Kopf zwischen die Knie und genieße den kurzen Moment der Frische, als ein kühler Luftzug an mir vorbeizieht.

von Hannah Eder

Ich sitze hier mit höllisch brennenden Augen. Die Sonne scheint unerbittlich auf meine blasse Haut und ich suche verzweifelt nach dem richtigen Weg. Ich suche nach einem Schild, dass mir ins Gesicht schreit: „Hallo, hier muss du lang!“. Aber der entscheidende Wink des Schicksals kommt nicht.

Ich sitze auf dem glühenden Asphalt, während der Teer an meinen Füßen sich in der Sonne verflüchtigt und zu einer warmen klebrigen Masse wird. Resigniert nehme ich meinen Kopf zwischen die Knie und genieße den kurzen Moment der Frische, als ein kühler Luftzug an mir vorbeizieht. Eine Autotür wurde geöffnet und geschlossen.

Ich sitze oben in der Luft, auf einer der Streben des Riesenrades, das sich unaufhörlich dreht. Teilweise blättert etwas Farbe davon ab und rostiges Metall kommt zum Vorschein. Trotzdem vertraue ich dem Gerüst, das mich am Leben hält. Wenn es dennoch zusammenfällt und mich unter sich begräbt, dann…ich weiß nicht.

Ich sitze am Wasser und meine Füße werden von den heranrauschenden Wellen umspült. Meine Zehen graben sich langsam in den nassen Sand. Während über mir die Möwen kreischen und der Wind meinen Kopf umschmeichelt, blicke ich in Richtung Horizont, wo die Sonne sich gerade mit dem Meer verbindet und immer mehr darin verschwindet. Ein glühender roter Feuerball.

Ich sitze hinter der beschlagenen Fensterscheibe, auf die jemand die Anfangsbuchstaben seines Namens gezeichnet hat. Die Lichter der Straßenlaternen verschwimmen vor meinen Augen, genauso wie um mich herum die Stimmen der anderen Fahrgäste zu einem monotonen Brausen werden. Irgendwo zwischen Abfahrt und Ankunft.

Ich sitze im prasselnden Regen unter einem verbogenen Blechdach. Jeder einzelne Tropfen hinterlässt bleibenden Eindruck. Plitsch-platschend prallen sie auf das kalte Metall und rinnen dann gemeinsam herunter auf meine Stiefel, deren Spitze bereits durchgeweicht ist. Wackelnde Zehen, um sich zu versichern, dass noch alles dran ist und ein müdes Gesicht, das den Moment der Ruhe in sich aufsaugt, wie das Leder der Schuhe das stete Rinnsal.

Foto von Jeswin Thomas

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert