»Nein«

»Nein«

Unsere Redakteurin ist im Auslandssemester. Das heißt, Regensburg ist gerade ganz weit weg und damit auch alle gewöhnlichen Hobbies und Aktivitäten. Zeit, zu reflektieren, warum man zu Hobbies nie Nein sagt.

von Julia Huber

Mir hat ein ehemaliger Freund geschrieben. Ob ich Weihnachten nicht Zeit für einen Kaffee hätte. Wir hatten uns nach dem Abitur auseinandergelebt. Und ehrlicherweise ist das okay für mich. Und ehrlicherweise brauche ich dieses Kaffeetreffen momentan nicht in meinem Leben, weil mein Leben so voll ist, weil ich gute Freund:innen habe und in erster Linie natürlich weil es Gründe hatte, dass wir heute verschieden sind. Deswegen habe ich Nein gesagt.

Nein sagen zu lernen, das ist eine große Aufgabe. Und das sagt einem zum Beispiel Social Media ja auch die ganze Zeit, Selfcare, Me-Time, Neinsagen, auf die eigenen Energiereserven aufpassen. Mir ist schon lange bewusst gewesen, dass ich nicht oft genug Nein sage, dass ich zu viel people please und dass es etwas Gutes ist, abzusagen.

Ich denke, dass wir zum Neinsagen einen gewissen Konsens erreicht haben: Ein Ja aus Gründen des People Pleasings gegen die eigenen Bedürfnisse ist gar nicht so gut. Ein Nein ist da besser.

Aber dann schau ich meine Freund:innen und mich an und bemerke: Da gibt es mehr Gründe, warum wir Ja sagen, obwohl Nein besser wäre. In unseren Leben gibt es Hobbies, Ehrenämter, Freundeskreise, Parties. Zu allem davon sage ich allermeistens Ja. Nicht in allen Fällen passiert das, um es anderen rechtzumachen.

In vielen Fällen passiert es auch, weil ich für mich selber alles will. Ich möchte für die Lautschrift arbeiten, aber ich möchte auch im Tierheim Schichten übernehmen. Ich möchte auf die WG-Party, aber auch in die Stadt gehen und aber auch gleichzeitig endlich diese Me-Time einfordern. Ich möchte zu allen neuen Vorschlägen zustimmen, bei allen neuen Projekten dabei sein. Ich möchte meine Nebenjobs beibehalten, alle. Ich möchte dieses große Pensum an Aktivitäten zusammenhalten, dann möchte ich aber auch gerne neue Sachen ausprobieren. Neue Hobbies finden. Neue Menschen treffen. Ich möchte ja so viel Leben. Ich möchte ja so viel Ja.

Aber für diese Herangehensweise gibt es eine Schattenseite: Nie sind meine Energiereserven voll. Immer bin ich gestresst. Manchmal passiert so viel, dass ich meinem Leben hinterherrenne, ohne mich erinnern zu können, was ich gestern eigentlich gemacht habe, weil so viel passiert. Ich möchte alles, aber davon kriege ich nicht mehr so viel mit.

Ich muss öfter Nein sagen. Aber das meint nicht nur die anderen Menschen. Das meint nicht nur die Dinge, auf die ich zu wenig Lust habe. Ich muss öfter Nein sagen, auch zu mir selbst. Ich kann mir nicht alles erlauben, was ich will, denn dann habe ich keine Energie mehr.

Deswegen ist das Wort zum Sonntag: Nein. Weil ich es vielleicht genauso sehr hören wie sagen muss.

Beitragsbild: Pete Linforth via Pixabay

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