Schneckenhaus

Schneckenhaus

Eine Hülle, aber das bist nicht du. Dich kann ich nicht erreichen. Trotzdem halte ich mich krampfhaft fest an deinem Schneckenhaus.

von Ida Müermann

Plötzlich steht er da, vor meiner Haustüre. Der schwarze Hut sitzt gerade auf dem Schädel, bleich und ernst faltet er seine Hände. Höflich frage ich den Tod, wo er denn hin möchte. Er hat sich in der Tür geirrt, das ist mir sicher. Sein Gesicht bleibt ernst, die Hände gefaltet, während er zu reden beginnt. Von einem Schreck, dem Brennen im Herz, dem Sturz, der Stille danach. Stille für immer. Ja, aber was hat das mit dieser Haustüre zu tun? Ich kann, will und werde es nicht wahrhaben. Er richtet seinen Hut und versucht zu mildern. Es war schnell vorbei.

Tod, was will man an dir mildern?

Du bist so endgültig, wie du bleich bist.

Und genauso plötzlich wie er gekommen ist, ist er wieder weg.

Und ich stehe hier, auf der Türschwelle, während die die Kälte des Bodens meine Socken durchweicht

Und kann es nicht fassen. Die Worte hallen in mir nach, aber ich

kann sie nicht begreifen.

Ich will sie nicht begreifen.

Inzwischen

Habe ich begriffen. Ich habe geweint, mich wieder zusammengerissen. Ich war stark, habe kalte Hände in schwarzen Anzügen geschüttelt und schwarze Erde in ein kaltes Loch geworfen, wie ein Metzger, der seinen Hund füttert.

Und dann

habe ich verdrängt und gemieden, bestritten und von mir gewiesen, bis ich mich zurückziehen konnte. Endlich zieht der Alltag wieder ein wie der Winter nach einem verhassten Sommer.

Der Alltag

Hüllt mich ein wie eine kühle Decke. Ich liege unter dem Schnee und sehe zu wie er mich langsam erstickt. Es ist schön, wie allmählich mein ganzer Körper unter der Taubheit verstummt. Meine Hände und Füße

Ich kann sie bereits nicht mehr spüren. Nur in mir drin fühle ich es noch. Also liege ich und warte darauf, dass die Kälte sich von meinen Gliedern bis in meine Mitte frisst, wo ich sie willig empfange.

Und ich rolle mich noch tiefer ein

Im Schnee, der weiter steigt.

Du rollst dich ein.

Wie ein Igel ohne Stacheln liegst du da, und ich

Ich will dich trösten. In meinem Arm fühlst du dich kalt an, zerbrechlich irgendwie

Eine Hülle, aber das bist nicht du. Dich kann ich nicht erreichen

Trotzdem halte ich mich krampfhaft fest

An deinem Schneckenhaus.

Dann stehst du auf

Wie ein Vogel ohne Flügel schleichst du fort, und ich

Ich will schreien. In meinem Kopf toben die Worte. Sprich mit mir, ich bin da, ich bin hier, siehst du mich nicht? Genau vor dir stehe ich, mit allem bepackt und zu allem bereit

ich will doch für dich da sein!

Ich BIN da für dich,

Ob du es willst oder nicht.

Die Tür schließt sich hinter deinen Schritten und ich –

Ich bleibe stumm sitzen.

Und in mir, da tobt das Leben, es will ausbrechen und frei sein, es träumt und hofft und lacht.

ICH bin so voller Leben! Die Welt will ich verändern, gestern und heute, ich hab genug vom klein sein! Ich will planen und Reisen, ich will tanzen und rennen und lieben mit dir.

Ich traue mich zu denken

An eine Zukunft zu zweit.

Doch für zwei

Bin ich einer zu wenig.

Und so stehe ich da und frage mich:

Was tobt in dir?

Und solange du schweigst, da warte ich

Und stehe immer noch hier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert