Boykottaufruf gegen Schlossfestspiele 2023 – Nur ein Tropfen auf dem heißen Stein?

Boykottaufruf gegen Schlossfestspiele 2023 – Nur ein Tropfen auf dem heißen Stein?

Über 100 Regensburger Kulturschaffende um Jonas Höschl haben vergangene Woche zum Boykott der Schlossfestspiele 2023 aufgerufen, da diese unter der Schirmherrschaft der rechtspopulistischen Fürstin Gloria von Thurn und Taxis stehen. Doch kann dieser Aufruf Erfolg haben?

von Michael Stelzl

Vergangene Woche haben mehr als 100 Regensburger Kulturschaffende einen offenen Brief an die Bürger:innen der Stadt Regensburg veröffentlicht und rufen darin zum Boykott der Schlossfestspiele 2023 unter der Schirmherrschaft von Gloria von Thurn und Taxis auf. Grund hierfür ist ihre wiederholte Propagierung eines rückwärtsgewandten, zutiefst reaktionären und rechtsextremen Weltbilds, welches von den Unterzeichnenden ausführlich mit Beispielen belegt wird. So inhaltlich korrekt der Brief ist, ist es dennoch schwierig, dessen Erfolg zu bemessen. Was steckt also hinter diesem Aufruf?

Was sind die Schlossfestspiele und wer veranstaltet sie?

Bevor man sich mit dem Für und Wider des Boykottaufrufs befasst, gilt es Folgendes zu beantworten: wer ist die Fürstin von Thurn und Taxis – geboren unter dem eingängigen Namen Mariae Gloria Ferdinanda Joachima Josephine Wilhelmine Huberta Gräfin von Schönburg-Glauchau – und was steckt hinter den Schlossfestspielen? Seit dem Tod ihres Mannes 1990 steht sie dem Fürstenhaus vor, womit auch das Schloss St. Emmeram samt Anwesen unter ihrer Verantwortung liegt. Auf ihrer Website zählt sie unter ihren Aufgaben, »das […] Schloss St. Emmeram in Regensburg größeren Kreisen zugänglich zu machen, um dem Schloss neue Einkommensquellen zu erschließen«. Aus diesem Grund finden zwischen 14. – 23. Juli 2023 zum 19ten mal die Schlossfestspiele statt, bei denen durchaus bekannte Künstler:innen wie Eros Ramazzotti und Giovanni Zarella, aber auch Musikgruppen wie Simply Red oder die Queens of Soul auftreten.

Nun steckt aber hinter den Schlossfestspielen nicht nur der wohltätige Ansatz, das Schloss St. Emmeram der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sondern eben vorrangig der Profit. Durchgeführt werden sie von der ODEON Concerte GmbH & Co. KG unter Leitung von Reinhard Söll, der nebenher auch den Rosengarten in Mannheim sowie Philharmonien in Essen und Berlin betreut. Bei Preisen von meist 80 Euro aufwärts pro Karte wird hierbei eindeutig eine mindestens gutbürgerliche Klientel angesprochen. Doch warum folgt nun der Boykottaufruf der Kulturszene? Die Unterzeichnenden des offenen Briefs führen Rassismus, Verharmlosung von Kindesmissbrauch, Homophobie, wissenschaftsfeindliche Äußerungen im Kontext des menschengemachten Klimawandels und enge Kontakte zur nationalen und internationalen Rechten durch Fürstin Gloria als Gründe auf.  Ihr reaktionäres Weltbild advoziert sie in vielen Talkshows und anderen Medienformaten und ist damit bestens belegt. Der Brief stellt somit auch klar, dass es für die Unterzeichnenden nicht infrage kommt, kommerzielle Veranstaltungen einer rechtsextremen Schirmherrin zu besuchen. Stattdessen rufen sie dazu auf, »ihrem Hass Hand in Hand [entgegenzutreten]«. Der Veranstalter Söll zeigt sich gegenüber den Boykottaufrufen jedoch »amüsiert« und denunziert den Aufrufer Jonas Höschl als »bekannter Linksradikaler, der einen Hass gegen die Fürstin« habe.

Boykott und Meinungsbildung

Soweit der Status quo. Nun stellt sich die Frage, ob ein Boykott überhaupt sinnvoll und effektiv ist. Zunächst einmal sind Boykotte ein probates Mittel, um die eigene politische Meinung öffentlichkeitswirksam darzustellen. Viele haben sich im Zuge der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar selbst die Frage gestellt, ob man dieses mediale Großereignis durch Zusehen und den damit einhergehenden Werbekonsum unterstützen sollte, wo es neben den immensen Kosten für sieben neugebaute Stadien sowie einhergehender exorbitanter Klimaschäden laut Amnesty International auch schätzungsweise 15.000 Tote zu beklagen gibt. Und diese für sich selbst beantwortete Frage galt es dann im nächsten Schritt mit Anderen zu diskutieren – sei es in der Universität, in der Kneipe um die Ecke oder auf Social Media. Dadurch bildete jeder eine eigene Meinung und vertrat diese auch. Somit haben Diskussionen über Boykotte einen meinungsbildenden Charakter, was wiederum integral für eine funktionierende Demokratie ist.

Doch nicht nur die Fußballweltmeisterschaft, sondern auch die Person Gloria von Thurn und Taxis verlangt eine Auseinandersetzung mit ihrem politischen Denken und Wirken. In einer Stadt von überschaubarem politischem Ausmaß wie Regensburg ist sie vermutlich eine der am meisten polarisierenden Personen des öffentlichen Lebens. Sie ist schlichtweg zu bekannt, um sich der Debatte zu entziehen. Es ist somit integral, dass sich alle Menschen in und um Regensburg damit beschäftigen, dass eine rechtsextreme Adelige durch die Schlossfestspiele und den Romantischen Weihnachtsmarkt auf Schloss Thurn und Taxis jedes Jahr Millionen verdient. Demnach ist es nur folgerichtig, dass sich viele Regensburger Kulturschaffende mit Verweis auf Glorias politische Einstellung gegen dieses Großereignis stellen. Es zeigt Haltung und den unbedingten Willen, sich dem grassierenden Rechtsextremismus entgegenzustellen.

Und nun?

Nun lässt sich anbringen, dass ein Boykott doch gar nichts bringe. Denn die Karten werden sich dennoch gut verkaufen und wer die jeweiligen Künstler:innen und Bands unbedingt sehen will, wird sich damit abfinden, die ohnehin milliardenschwere Fürstin noch reicher zu machen. Und es mag auch wahr sein, dass man sich bei anderen Veranstaltungen auch nicht darum schert wer daran verdient. Dennoch sollte man sich bewusst sein, dass eine Entscheidung für oder gegen die Schlossfestspiele neben der Konsumperspektive – kann und will ich mir die Karten leisten – eben auch eine politische Ebene beinhaltet. Und so löblich der Boykott einzelner Personen ist, sein Erfolg wird sich in Grenzen halten, wenn alle Bands und Künstler:innen weiterhin auftreten und diese Veranstaltungen auch besucht werden. Denn solange sich die Schlossfestspiele und auch der Romantische Weihnachtsmarkt wirtschaftlich erfolgreich sind, werden sie weiter bestehen.

So entscheidet am Ende jede:r persönlich über das eigene Verhalten, wie auch im Kontext der Schlossfestspiele 2023. Nutzlos ist der Boykottaufruf dennoch nicht, denn er ist ein wirksames Mittel, um nicht nur auf persönlicher, sondern auch auf struktureller Ebene Veränderungen anzuregen und eine eindeutige, kollektive Positionierung einzunehmen. Denn klar ist, Gloria von Thurn und Taxis steht zu sehr im Rampenlicht, als dass man die Augen vor ihrer politischen Gesinnung verschließen kann. 

Beitragsbild von BeJan (Pixabay).

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