MARO, die Seelentrösterin

MARO, die Seelentrösterin

Es gibt Musik, die man einfach anhört. Und dann gibt es noch Musik, der man zuhört und bei der man das Gefühl hat, dass sie einen (er-)hört. Die Songs der Singer-Songwriterin MARO gehören in meinen Augen eindeutig der letzten Kategorie an.
Eine persönliche Hommage an eine außergewöhnliche Musikerin.

von Franziska Leibl

Samstag, 14. Mai 2022: An diesem Tag verfolgte ich die Finalshow des Eurovision Song Contests live vor dem Bildschirm – wie gewohnt mehr schmunzelnd und skeptisch als begeistert. Denn es ist ja irgendwie jedes Jahr dasselbe: Gutaussehende Sänger:innen vertreten ihr Heimatland, tragen einen kitschigen Popsong vor und tanzen und glitzern mit ihren Lichter- und Lasershows um die Wette.

Man fragt sich nun berechtigterweise, weshalb ich diesen Wettbewerb regelmäßig anschaue, wenn ich diese Form der kommerzialisierten Musik nicht zu 100% unterstütze. Die Antwort ist: Um internationale Musiker:innen, die oft noch unbekannte Newcomer:innen sind, kennenzulernen, auf die ich sonst nie gestoßen wäre.

»saudade, saudade« – Mit Wehmut im ESC

Im letzten Jahr sollte ich so tatsächlich auf eine talentierte Musikerin aufmerksam gemacht werden, deren Songs meine Playlists seither regelmäßig aufwerteten: Eine gewisse Portugiesin namens MARO, die mit bürgerlichen Namen eigentlich Mariana Brito da Cruz Forjaz Secca heißt und die Startnummer 3 des Wettbewerbs innehatte.

Das Besondere an ihr: Bei ihrem Auftritt setzte sie nicht auf Beine-verrenkende Tanzeinlagen oder pulsierende Bass-Beats, sondern tauchte die gesamte Bühne (und knapp 200 Millionen Zuschauer:innen vor den Bildschirmen) mit einfachen und doch so wirksamen Mitteln in ein nachdenkliches, magisches Blau: Zusammen mit ihren Background-Sängerinnen und gleichzeitigen besten Freundinnen stand sie in einem Kreis und trug ihren eigens komponierten, melancholischen Song »saudade, saudade«,auf Deutsch mit ‚Weltschmerz‘, ‚Wehmut‘ oder ‚Sehnsucht‘ zu übersetzen, vor.

Der Auftritt wirkte fast schon wie eine feierliche Zeremonie, in der der Fokus allein auf der Musik lag; auf Englisch und Portugiesisch besang sie mit ihrer einzigartigen, tiefen Stimme das Vermissen ihres verstorbenen Großvaters. Ich fühlte mich von der getragenen Melodie, den händeklatschenden Rhythmen und den harmonierenden Chorgesängen wortwörtlich sofort in eine Welt der Saudade versetzt und war zutiefst berührt. Von Seiten der Jury und den votenden Zuschauer:innen sollte der aus der Reihe (nicht-)tanzende Aufritt –  zu meiner Überraschung und Freude – später immerhin mit einem soliden 9. Platz belohnt werden.

Tags darauf, noch immer von einem Ohrwurm »geplagt«, begann ich sofort mit einer weiterführenden Recherche: Wer war diese Frau? Hatte sie noch weitere Lieder veröffentlicht? Ich wollte so viel über ihre Musik erfahren, wie nur möglich.

MARO – keine Unbekannte unter Jazzkenner:innen

Dabei wurde ich schneller fündig als gedacht: Unter Jazz- und allgemeinen Musikkenner:innen war die in Lissabon geborene MARO keine Unbekannte, studierte die heute 28-jährige doch immerhin am angesehenen Berklee College of Music in Boston und arbeitete fortan in Los Angeles an ihrem eigenen Solo-Projekt. Sie hatte auch bereits Kollaborationen mit namhaften Musik-Größen wie Jacob Collier und Jessie J zu verzeichnen und war bereits zu Beginn der Corona-Pandemie durch ihr Video-Format »ITSA ME, MARO!«in der YouTube-Musik-Szene bekannt geworden.

Zum Zeitpunkt letzten Jahres hatte sie bereits sechs Alben veröffentlicht, auf die ich mich bei meiner damaligen Recherche stürzen konnte. Was mir dabei sofort auffiel: MARO konnte eine beachtliche Entwicklung nachweisen: Die Multi-Instrumentalistin setzte in ihren ersten vier Alben (»MARO, Vol. 1, 2, 3«sowie »MARO & Manel«) zunächst auf sanften, nahezu Fado-ähnlichen Akustik-Folk, oftmals auch gepaart mit lateinamerikanischen Rhythmen und erfrischenden Jazz-Harmonien; in Liedern wie »Mosquito« präsentierte sie dabei neben ihrer gewohnten ruhigen, melancholischen Art auch durchaus tanzbare, mitreißende Melodien und Rhythmen.

Musiktipp: »Mosquito«

Das 2018 veröffentlichte Album »it’s OK« ist wiederum dem Pop näher und sollte mich noch mehr von MAROS Können überzeugen: Nachdenkliche Akustik-Melodien, ihre berührende Stimme, begleitet von Gitarre und/oder Klavier und von feinfühligen Lyrics über Herzschmerz. Die wohlig harmonierenden Klänge imitieren eine feste Umarmung eines geliebten Menschen oder ein lang ersehntes Heimkommen nach einem anstrengenden Tag. Das zwei Jahre später folgende Album »can you see me?« steht hingegen im vollen Kontrast zu den übrigen Alben: MARO experimentiert hier mit elektronischen Beats und Synthesizer-Klangteppichen und unterstrich damit erneut ihre Vielseitigkeit.

Den restlichen Verlauf des letzten Jahres sollte ich mich noch unzählige Male mit der Musik der 28-jähirgen auseinandersetzen: mal ganz nebenbei auf Reisen oder in der Bibliothek, mal äußerst vertieft. Ihre Lieder begleiteten mich durch Prüfungsstress und jegliche Art von Kummer, als auch in Momenten der Freudentränen. Mein ungeschlagener, persönlicher Favorit in dieser Zeit: Die Studio-Version ihres ESC-Songs »saudade, saudade (live in studio)«in der die hauchende, tiefgründige Stimme perfekt zur Geltung kommt.

»hortelã« – das aktuelle Album

Kürzlich, am 07. April, veröffentlichte die Portugiesin nun ihr aktuelles Abum »hortelã« und fand darin (zu meiner Freude) ihren Weg zurück zu ihrer sanftmütigen Folk-Seite. Ihr Song »just wanna forget you« magnetisierte mich regelrecht vom ersten Hören an. Wenn MARO hier singt, so hat man das Gefühl, als säße man in einem Zug direkt neben ihr, während sie voll ehrlicher Verletzlichkeit von ihrem Kummer erzählt; die Landschaft und die Welt drumherum ziehen in der Zwischenzeit vorbei und verschwimmen. In Momenten wie diesen (er-)zählt nur MAROS Stimme und zaubert wie aus dem Nichts ein tröstendes Seelenpflaster herbei.

Musiktipp: »just wanna forget you«

In anderen Songs wie »ouvi dizer« fühlt man durch die erklingende Musik die Wärme einer imaginären Sonne im Herzen, deren wohlig warme Strahlen ein Lächeln herauskitzeln und einen Hauch von salziger, warmer Meeresbrise herbeiwehen. Sollte ich je einen Surf-Trip in Portugal unternehmen, wird dieses Album daher definitiv im Reisegepäck sein, wenn ich entlang der Algarve-Küste fahre und auf dem Weg zum Strand bin.

Quelle: Bild von Lucas Amorim auf Pixabay

Portugiesischer Minimalismus

Auch wenn MAROS Lyrics etwas anderes erzählen – drehen sie sich doch stets um das Thema der (unerfüllten) Liebe, Herzschmerz und ewiger Sehnsucht – wirkt die Welt, die die Musikerin durch ihre Klänge erbaut, noch in heimeliger Ordnung zu sein. Ihre Songs verkörpern einen Ort der Zuflucht vor dem Stress im Alltag, in dem man das Besinnliche und Unbeschwerte allzu gern vergisst. Zudem zeigt die Sängerin durch ihre minimalistischen, akustischen Instrumentierungen: Es braucht nicht viel Tam Tam, um etwas Wundervolles zu kreieren, das Bedeutung hat. Manchmal reicht es, als Künstler:in einfach man selbst zu sein und sich ehrlich und verletzlich zu zeigen – denn genau dadurch verleiht man seinem:ihrem Tun etwas Einzigartiges.

Vielleicht, und das gebe ich auch offen zu, sind es aber auch weniger MAROS Talente, sondern vielmehr meine persönlichen Erinnerungen, die ich mit ihren Songs verbinde, die wiederum meine Begeisterung für die Musikerin erklären und begründen.

Aber ich schlage vor: Macht euch selbst ein unabhängiges Bild davon – wer weiß, vielleicht kann auch sie für euch ein musikalischer Fels in der Brandung sein. Gerade mit Blick auf den Semesterstart in der Uni, ist es wohl nicht schlecht, eine Seelentrösterin parat zu haben. 😉

MAROS YouTube-Profil: https://www.youtube.com/@MAROMARO/

MARO auf Spotify:

Beitragsbild: Bild von Robert Pastryk auf Pixabay

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