»Und es soll auch geflogen werden!«– Die neue Spielzeit im Theater Regensburg

»Und es soll auch geflogen werden!«– Die neue Spielzeit im Theater Regensburg

Am 13. März wurde im Theater Regensburg das Programm für die Spielzeit 2023/24 vorgestellt. Unsere Redakteur:innen Hannah und Michael waren vor Ort und stellen hier neben den Neuerungen, die das Publikum in der neuen Theatersaison erwarten, ihre persönlichen Highlights für das kommende Jahr vor.

von Hannah Eder und Michael Stelzl

»Wer wir sind, woher wir kommen, wie wir uns sehen …« Mit diesen Worten beginnt Intendant Sebastian Ritschel die Ankündigung der Spielzeit 23/24 des Theater Regensburg, die am 16. September beginnen wird. ›Identitäten‹ lautet das diesjährige Motto. Damit greift das Theater ein aktuelles Thema auf, denn ob Persönlichkeitsfindung, sexuelle Befreiung oder kultureller Hintergrund, die eigene Identität wird immer wichtiger. In diesem Kontext ist ›Identitäten‹ ein zeitgenössisches und spannendes Motto, welches ab Herbst mit 13 Uraufführungen, aber auch einigen bekannten Klassikern und Wiederaufnahmen exploriert wird. Zeit, sich einige der angekündigten Werke genauer anzusehen.

Für alle Sinne etwas dabei – Michaels Highlights

Das Stück »Nach dem Essen« handelt vom 14-jährigen Jonas, der in einen Hungerstreik tritt und daraufhin von seiner Schwester zu einem Instagram-Star mit weltweiten Nachahmern gemacht wird. Das Schauspiel von Simone Kucher wird sich mit der doppelten Belastung der Familie durch den Hungerstreik und die darauf folgende mediale Aufmerksamkeit auseinandersetzen. Spannend wird, wie die Darstellung der psychischen Doppelbelastung sowie Identitätsfindung des Protagonisten auf der Bühne erfolgt.

Auch bei »Come as you are« ist der Name Programm. Bei dieser sogenannten ›relaxed performance‹ müssen die Besucher:innen nicht klassisch auf ihren Stühlen sitzen, sondern dürfen sich frei im Raum bewegen, liegen oder stehen. Gleichzeitig rückt das Sinnerleben bei diesem Stück durch leicht verständliche Sprache und Gebärdensprache in den Mittelpunkt, womit die Grenzen des klassischen Tanztheaters überwunden werden sollen.

Außerdem bringt das Theater Regensburg in der neuen Spielzeit Texte von Rammstein auf die Bühne. Torsten Rasch hat diese in den symphonischen Liederzyklus »Mein Herz Brennt«, benannt nach dem gleichnamigen Song, eingebettet. Lyrik wie aus der Schauerromantik mit Einflüssen von Goethe und Brecht und in musikalischer Tradition von Mahler oder Strauss verspricht eine spannende Neuinterpretation der sonst brachialen Gitarrenriffs. Jedoch bleibt interessant, wie die Lieder, die sich mit Tabuthemen wie sexueller Gewalt aus der Täterperspektive, aber auch mit menschlichen Emotionen wie Vergänglichkeit und Einsamkeit auseinandersetzen, kontextualisiert werden.

Als besonderes Highlight wurde von Sebastian Ritschel die Oper »Valuschka«von Peter Eötvös angekündigt. Der Protagonist der Tragikomödie János Valuschka, eigentlich Vertreter eines auf Wissen basierenden Weltbilds, findet sich im Laufe des Stücks mehr und mehr in einem Paradox aus Macht und Übermacht wieder. Nach einer Uraufführung in Budapest wird der vielfach ausgezeichnete Komponist Peter Eötvös das ins Deutsche übertragene Stück in Regensburg selbst dirigieren.

Sich (Wieder)entdecken – Hannahs Highlights

Mit Veränderungen des eigenen Körpers umgehen, sich an neue Erwartungen anpassen und sich gleichzeitig von seinem Umfeld abgrenzen – mit solchen, durchaus gegensätzlichen, Herausforderungen werden Heranwachsende konfrontiert. Wagner Moreiras Tanzstück »Hello Stranger« will sich diesen Sorgen annehmen und ein junges Publikum ab zwölf Jahren durch die Körperlichkeit und Unmittelbarkeit des Tanzes bei der Identitätsbildung begleiten.

Ebenfalls im jungen Theater stellt die Adaption von »Das Doppelte Lottchen« die Frage nach der Einzigartigkeit jedes Menschen. Zwei Zwillinge – äußerlich identisch, aber der Charakter könnte unterschiedlicher nicht sein – werden in diesem Stück aufeinandertreffen und sich als die jeweils andere ausgeben. Neben einer Reflexion über Freundschaft und Familienbande verspricht das Stück eine Geschichte, in der sich die Mädchen durch ihr Aufeinandertreffen selbst neu kennenlernen.

Eine andere Art der Wiederentdeckung ist Joseph Beers »Prinz von Schiras«, eine Operette, der das Theater Regensburg nach 90-jährigem ›Verschollen sein‹ als deutsche Erstaufführung eine Bühne bieten wird. Vor dem Hintergrund der Verfolgung Beers während des Nationalsozialismus stellt der »Prinz von Schiras« auf metatextueller Ebene die Frage nach der Identität eines gesamten Genres. Wie hätte sich Europas Unterhaltungsmusik verändert, wenn Beer nicht vertrieben und seine Werke nicht verboten worden wären?

Auch im Schauspiel wurden für die kommende Spielzeit einige Highlights, darunter die Kultkomödie »Der nackte Wahnsinn« von Michael Frayn, aufgenommen. Angekündigt als »eine Liebeserklärung an das Theater und ans Publikum« wird uns dieses Stück auf eine wahnwitzige Irrfahrt durch die Proben- und Aufführungsphase einer Theaterkompanie mitnehmen, bei der auf und neben der Bühne alles schief zu gehen scheint, was schief gehen kann. 

Auf zu neuen Ufern

Nicht schief gegangen ist die Neuverpflichtung von Stefan Veselka als Generalmusikdirektor. Als Dirigent war er Anfang des Jahres bereits an einem der philharmonischen Konzerte beteiligt. Jetzt übernimmt er eine tragende Rolle in der musikalischen Ausrichtung des Theaters und möchte »zukünftig mit dem Orchester und dem Theater in der Stadt Regensburg viel bewegen«. Besonders spannend ist seine Ankündigung, dass sich das etablierte Neujahrskonzert in der kommenden Spielzeit weg von Walzerklängen hin zu einem Blues-Abend entwickeln wird. Außerdem war ihm mit einem Augenzwinkern zu entlocken, dass er den Gedanken eines Konzerthauses für Regensburg durchaus reizvoll fände.

Insgesamt bleibt das Thema Spielstätten auch für die kommende Spielzeit relevant. Das Velodrom ist nach wie vor nur sehr eingeschränkt bespielbar und das Antoniushaus ist zwar für das Schauspiel eine gute Ausweichmöglichkeit, Platz für ein Orchester gibt es allerdings nicht. So bleiben in der zweiten Spielzeit unter Sebastian Ritschel die Sphären zwischen Musiktheater (vorwiegend am Bismarckplatz) und Schauspiel (vorwiegend am Haidplatz und im Antoniushaus) weiterhin getrennt. Der Wunsch nach einer weiteren dauerhaften Spielstätte bleibt daher bestehen. In der Zwischenzeit erschließt sich das Theater Regensburg mit der »Rocky Horror Show« im kommenden Jahr zum ersten Mal die Bühne der Donau-Arena – wir dürfen gespannt bleiben.

Weitere Informationen und Tickets zu den Veranstaltungen gibt es hier.

Beitragsbild: Ronny Scholz, Stefan Veselka, Wagner Moreira, Sebastian Ritschel, Antje Thoms, Oda Zuschneid © Tom Neumeier Leather

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