Buchrezension: Prosaische Reise nach Norwegen

Buchrezension: Prosaische Reise nach Norwegen

In dieser Zeit der Feiertage und des Schnees möchte ich Euch von meiner kürzlichen Erfahrung mit der arktischen Rauheit der Halbinsel Vardo in der Finnmark an der norwegischen Grenze im Jahr 1617 berichten. Und zwar durch Kiran Millwood Hargraves Roman The Mercies.

von Justine Vonpierre

Die Geschichte beginnt in einem harten Winter – in welchem ein Sturm dazu führt, dass alle Fischer des Dorfes, die zur See gefahren waren, ertranken. Die Schwestern, Töchter und Witwen, in großer Traurigkeit, sind auf sich allein gestellt. Doch schon bald stellen sich Solidarität und Hilfsbereitschaft ein und ihre Lebensweise und Alltags verändern sich – um zu überleben.
Die Erzählung ist in den weiten Landschaften des wilden Landes zwischen Meer und Berghängen verankert. In dieses Gebiet mischen sich Gläubige, zwei Samen und Norwegerinnen, für die das Überleben wichtiger ist als der Glaube, sowie ein schottischer Delegierter namens Absalom, der mit seiner Frau Ursa auf die Insel geschickt wurde, um alle Bewohnerinnen wieder auf den Weg des Glaubens zu bringen.
Die Autorin gibt ihrer Prosa einen langsamen und präzisen Rhythmus, wobei sie sich bemüht, aus jeder Szene voller Details eine Momentaufnahme zu machen, wie beispielsweise. die genaue Beschreibung der unveränderlichen Tätigkeiten, die den Alltag der Frauen in Vardo bestimmen, von Ausflügen aufs Meer über das Brotbacken bis hin zum Häuten von Rentieren oder dem Zusammensetzen von Schafsfellen. Es ist ein freimütiges Eintauchen in diese Haushalte, die ausschließlich von Frauen bewohnt werden und in denen es nach Tierfleisch, Räucherhering, Holzfeuer und Fladenbrot duftet.
In den Augen des lutherischen Königs Christian IV. werden diese Frauen, die ihren Alltag selbst bestimmen und ihren Haushalt ohne männliche Begleitung führen, die fischen und die Netze ausbreiten wie »saubere Bettlaken«, die Butter schütteln, Holz schneiden, sich mit den Rudern die Lenden brechen und die Felder bestellen, sehr schnell verdächtig. Selbst die Innendekoration aus Knochenstatuetten und die an die Wände gemalten Runen (die alten Schriftzeichen der Germanen, welchen bestimmte magische Kräfte zugeschrieben wurden) werden von den Delegierten befragt und unterdrückt.

The Mercies ist eine wunderbare, poetische und feinsinnige historische Erzählung, die authentische und spannende Fakten über die Hexenverfolgung erzählt und dabei in die Privatsphäre der Hütten von Vardo eintaucht.

Beitragsbild: Eigene Illustration


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert