Feminismus und Thriller, passt das zusammen?

Feminismus und Thriller, passt das zusammen?

Thriller und Kriminalromane leben von Brutalität, vom Entdecken menschlicher Abgründe. Ich lese unfassbar gerne Thriller, werde aber regelmäßig von der geschilderten Gewalt an Frauen abgeschreckt. Inspiriert durch einen zuletzt gelesenen Horrorthriller frage ich mich: Feminismus und Thriller, passt das zusammen? Und wenn ja, wie? Meine Überlegungen.

von Jule Schweitzer

»Good Girls Don’t Die« (Deutsche Version: »Böse Mädchen sterben nicht«) ist für und über Leserinnen, die sich während Thrillern, Horrorgeschichten oder Young Adult Dystopien (Tribute von Panem, Maze Runner…) einmal gedacht haben, dass sie sich besser schützen könnten als die weibliche Hauptperson.

Der Klappentext:

»Drei Frauen, drei Storys und ein albtraumhafter Plan: Celia wacht in einem Haus auf, das nicht ihr eigenes ist. Dennoch behauptet ein ihr unbekanntes kleines Mädchen, ihre Tochter zu sein. Und dann ist da noch der unheimliche Kerl, der so tut, als wäre er Celias Ehemann … Allie wollte eigentlich einen Wochenendausflug mit Freunden machen – doch landet sie in einer abgelegenen Hütte im Wald, wo ein Szenario aus einem Horrorschocker sie erwartet … Um zu ihrer Tochter zurückzukehren, muss Maggie in einem tödlichen Spiel um ihr Leben kämpfen. Was ist stärker? Ihr Gewissen oder ihr Überlebensinstinkt?«

Wie der Klappentext verrät, ist das Buch in drei Perspektiven aufgeteilt. Jede der drei Hauptpersonen findet sich in einem Szenario aufwachend wieder, das ihrem Lieblingsgenre entspricht (Cozy Mystery, Horrorfilm und Dystopien für Junge Erwachsene). Alle drei haben das gleiche Ziel: Lebend wieder herauskommen. Alle drei Teile und der letzte, vierte Teil sind spannend geschrieben und bedienen sich auf unterschiedliche Art zum Teil misogyner genrespezifischer Stereotypen in bewusster oder satirischer Art und Weise. »Good Girls Don’t Die« ist, ohne zu viel verraten zu wollen, eine spannend zu lesende Geschichte mit befriedigendem Ende.

Während Schreiben schon immer meine große Liebe war, habe ich 2023 auch das Lesen wieder für mich entdeckt. Zum Ende des Jahres hatte ich wieder gelernt, mir dafür sogar extra Zeit zu nehmen, und das lag an zwei Genres: Thriller und Horror-Märchen.

Das erste Buch, das ich seit langem wieder mal gelesen habe, war im Sommer »Das Spiel«von Stephen King, dann »Gone Girl«. Nach einigen Zwischenlektüren folgten »Bunny« und »Rouge«von Mona Awad, dann »Der Augenjäger«von Sebastian Fitzek (Ja, ich bin ein bisschen late to the party), als letztes »Good Girls Don’t Die«und ich habe Gedanken.

Ganz klar in beiden Genres ist, dass die Bücher in der Regel so spannend geschrieben sind, dass sie eigentlich perfekt geeignet sind, um mich dazu zu bringen, mehr zu lesen. Die Horror-Märchen musste ich manchmal weglegen, wenn es mir zu gruselig wurde, die Thriller hingegen meistens nicht dann, wenn es zu spannend wurde, sondern wenn Frauen Opfer von Gewalt wurden. Vergewaltigung (oder Vergewaltigungstraumata), Femizide oder deren Androhungen sind häufig verwendete Situationen in Thrillern und warum? Weil sie funktionieren.

Gerade das Buch von Christina Henry hat in mir eine Frage (wieder) aufgeworfen: Warum gibt es in Kriminalromanen, Thrillern und Horrorgeschichten so häufig diese Stereotype, so viele weibliche Opfer. Und gibt, beziehungsweise braucht es, Alternativen?

Das Ziel von Thrillern und Krimis

Thriller und Krimis werden größtenteils von Frauen gelesen. Da die Spannung in diesen Genres viel darauf basiert, bei den Leser:innen Emotionen zu wecken, ist die Entscheidung, einen Serientäter Frauen auf schlimmste Art vergewaltigen und entstellen zu lassen (zum Beispiel »Der Augenjäger«) eine sichere, was die Fähigkeiten der Leser:innen angeht, den Täter zu hassen und zu fürchten.

Aus einer vereinfachten Sicht darüber, was einen Thriller erfolgreich machen könnte, ist das schon fast alles. Man hat ein Thema, das die Leser:innenschaft packt. Natürlich sollte das Ganze dann noch gut geschrieben sein und voilá, ein erfolgreicher Thriller.

Weitere Ziele

Nur aus dieser Perspektive könnte man meinen, dass es doch bestimmt andere Themen geben muss, mit denen sich weibliche Leserinnen identifizieren können, ohne an ihre sowieso oft alltägliche Angst vor Gewaltdelikten erinnert zu werden. Und die gibt es sicherlich auch, gehören aber nicht unbedingt zu den bekanntesten Thrillern.

Andererseits darf man allgemein auch belletristischer Literatur nicht das Ziel absprechen, emotionale, politische oder sonst einschneidende Ereignisse und Hintergründe zu verarbeiten. Und die Genres (Psycho)thriller oder Kriminalroman kommen wahrscheinlich nicht daran vorbei, die tiefsten Abgründe der Gesellschaft aufzudecken.

Viele Autor:innen verarbeiten einfach nur eigene Ängste und Sorgen auf dramatisch fiktive Weise. Und um eine gewisse Emotionalität, einen gewissen Schrecken zu erzeugen, werden Morde oder andere Taten dann in besonders grauenhafter Weise dargestellt.

Es ist offensichtlich, dass Spannung und unerwartete Wendungen für die Leser:innen (und auch für mich) etwas sind, das sie bei der Leseerfahrung nicht aufgeben wollen. Realistisch gesehen ist dabei das Thema der Gewaltdelikte an Frauen nicht wirklich wegzudenken. Sonst könnte ich mich natürlich einfach dazu entschließen, mich anderen Genres zuzuwenden.

Meine No-Gos

Oft ist es allerdings nicht nur das Thema selbst, sondern wie damit umgegangen wird, das für mich eine tragende Rolle spielt. Und hier sind einige meiner No-Gos, zum Teil inspiriert durch »Good Girls Don’t Die«. Sie sind eher Nebenerscheinungen, die mir nach einigen Seiten bereits verraten können, ob mit feministischen Themen sensibel und durchdacht umgegangen wird.

  1. Objektifizierung

Ganz grundsätzlich, unabhängig von der Opfer-Täter:innen-Rollenverteilung, auch geltend für andere Genres. Zum Beispiel, dass, sobald der männliche Hauptcharakter eine Frau trifft, die Ausprägung ihrer Oberweite beschrieben werden muss.

  1. Stereotypen

In »Good Girls Don’t Die«thematisiert: Die Hauptdarstellerin in Horrorfilmen, die irgendwie immer normschön ist und tiefe Ausschnitte und kurze Shorts trägt. Oder das weibliche Opfer, das sterben musste, weil sie nicht auf ihren Ehemann gehört hat.

  1. Moralische Probleme

Der Ermittler, der sich in seinem Privatleben moralisch schwierig verhält, zum Beispiel seine Partnerin betrügt, aber am Ende als Held gefeiert wird, weil er eine andere Frau gerettet hat/ihren Mörder gefunden hat.

Fazit

Ich bin entschlossen in diesen Beitrag gestartet, feministische Alternativen (oder wenigstens eine Buchliste) für Thrillerthemen zu finden, bei denen ich nichts über Gewalt an Frauen lesen muss. Daran bin ich ganz offiziell fürs Erste gescheitert. Anhand der drei No-Gos glaube ich allerdings, dass es zumindest möglich ist, zu erkennen, in welchen Büchern Gewalt an Frauen nur als Mittel zum Zweck, zum Schaffen extremen Schocks für sich verwendet, und in welchen sie als ernsthaftes Thema aufgegriffen wird.

Solange brutale und schreckliche Gewaltdelikte (an allen Geschlechtern) in unserer Gesellschaft weiterbestehen, wird jemand darüber schreiben.

Links zu allen erwähnten Büchern:

Böse Mädchen sterben nicht by Christina Henry | Goodreads

Das Spiel by Stephen King | Goodreads

Gone Girl by Gillian Flynn | Goodreads

Bunny by Mona Awad | Goodreads

Rouge by Mona Awad | GoodreadsDer Augenjäger (Der Augensammler, #2) by Sebastian Fitzek | Goodreads

Beitragsbild: Jule Schweitzer

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