Vom WLAN-Ungeheuer

Vom WLAN-Ungeheuer

Es ist August, es ist heiß und für die meisten (glücklichen) unter uns haben die Semesterferien begonnen. Weg mit koffeinlastigem Bib-Alltag, harten Verhandlungen um Zusammenfassungen nie besuchter Vorlesungen und freiwilligem Joggen, weil man einfach nicht mehr sitzen kann. Stattdessen her mit langen, warmen Sommernächten, Meer, dem ein oder anderen Sommerjob – und dem WLAN-Ungeheuer.

Wer in einem studentischen Wohnheim Unterschlupf finden konnte, kennt es: Das Internet ist nicht über WLAN verfügbar, sondern kommt noch richtig klassisch aus dem Kabel. Und das Kabel führt nur in den Laptop, nicht jedoch ins Smartphone. Da ist das Datenvolumen schnell verbraucht. Nicht aber, wenn Frau gewieft ist und sich einfach eine Ethernet-Buchse zulegt für bequemes Surfen im Daten-Meer. Doch das ist strengstens verboten in meinem katholischen Mädchenwohnheim im Osten Regensburgs. Denn Schwester Burgi, unser guter Geist im Hause, verbreitet das Märchen von der Internet-fressenden Buchse. Besagtes Ungeheuer verschafft seinem Besitzer den Luxus schnellen, kabellosen Internets – und das überall im (überschaubaren) zwanzig Quadratmeter Zimmer. Instagram im Bett checken, wenn der Laptop längst runtergefahren ist – selbstverständlich? Nicht bei uns! Während es sich für seinen Herren nur von seiner besten Seite zeigt, macht es den Nachbarn im Haus jedoch ganz schön zu schaffen: Denn die haben dann plötzlich gar kein Internet mehr.

Soweit Schwester Burgis Horrorszenario, das sie nicht müde wird, jedem neuen Bewohner in all seiner ausführlichen Grausamkeit zu schildern. Und als wäre das nicht genug, steht es auch noch schwarz auf gelb in der Hausordnung: Keine Ethernet-Buchse oder der Mob wird euch lynchen! Nun werden wir nicht umsonst als Digital Natives bezeichnet, weswegen wir solche abstrusen Märchen natürlich nicht glauben. Doch pünktlich zur Ferienzeit hat es allem Anschein nach tatsächlich zugeschlagen: Die unter den Bewohnerinnen, die nicht in die traute Heimat abgetaucht sind, befinden sich mitten im Kampf ums Überleben. Na gut, etwas dramatisch. Sicher gilt es aber, einige Nerven zu retten.

Als Indiz dienen mehrere Hilferufe an der Wohnheim-Pinnwand, alle Betroffenen beschreiben ihre Situation weitgehend ähnlich: Das LAN-Kabel liefere nicht den gewünschten Zugang zum Internet, gleichzeitig wären aber starke WLAN-Signale im Haus zu empfangen. Zufall? Nicht in diesem Wohnheim. Einige bitten die Übeltäterin noch in höflichem Ton, die unangenehme Situation doch schnellstmöglich wieder aufzulösen, indem die Ethernet-Büchse alias das Internet fressende Ungeheuer entfernt wird. Andere scheinen schon verzweifelter, müssen womöglich mit Zeitdruck im Nacken ein paar Hausarbeiten voranbekommen, wobei Internet nicht wegzudenken ist. Jene Sorte von Opfern des Ungeheuers kennen keine Gnade mehr, wie die emotional geladenen, schriftlichen Aufschreie deutlich machen.

Ich bin keine Informatik-Studentin und auch sonst nicht besonders bewandert auf dem Gebiet des technischen Know-hows, weshalb ich das Phänomen auch nicht erklären kann. Doch ob das Märchen vom Buchsen-Ungeheuer nun tatsächlich wahr geworden ist oder nicht, feststeht: Schwester Burgi hat es geschafft, uns an ein modernes Märchen glauben zu lassen. Und so lebten sie alle WLAN-los und verwundert bis ans Ende ihrer Studium-Tage.

 

Nach dieser sommerlichen Märchenstunde entführt uns Lena nächste Woche wieder in ihr Wohnheim. Wer weiß, vielleicht gibt es dort andere Ungeheuer.

Regina

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