Oscar Antons musikalische Weltreise

Oscar Antons musikalische Weltreise

Der Newcomer Oscar Anton war gerade erst für seine monatlich veröffentlichten Songpacks bekannt geworden, als er genug vom eigenen beschaulichen Schlafzimmer-Studio hatte. Ende 2021 verkündete er daher kurzerhand eine Veränderung: Er wolle im Jahr 2022 durch die Welt reisen. Jedoch nicht, um sich eine Auszeit zu gönnen, sondern um sein Genre des »Bedroom-Pops« räumlich zu erweitern und mit internationalen Musiker:innen neue Lieder zu schreiben. Die entstandenen Songs wolle er anschließend als monatliche »postcards« releasen. So lautete der Plan – das kam dabei raus.

von Franziska Leibl

Was genau war Teil des Projekts?

Von Anfang an stand fest: Der französische Singer-Songwriter hatte sich viel vorgenommen. Neben den zwölf Songs, von denen jeweils ein Lied für das besuchte Land stehen sollte und auch vor Ort heimische Musiker:innen daran mitwirken sollten, wollte er zusätzlich Musikvideos produzieren und nebenbei auf Tour gehen. Auch nahm er sich vor, den Songs zwölf Sprachnachrichten (»postcards«) beizufügen, in denen er über die Entstehung der Lieder erzählt und gleichzeitig über seine aktuellen Erlebnisse berichtet.

Damit noch nicht genug: Er plante zudem, seine Fans auch direkt in dem Experiment mit einzubeziehen, indem er sie monatlich per Abstimmung über seinen neuen Reisestopp entscheiden lassen und ihnen auf Bestellung sogar eine selbst designte, personalisierte Postkarte in Papierform aus dem jeweiligen Land zukommen lassen wollte.

Als ich davon hörte, war ich durchaus skeptisch, ob die Umsetzung in dieser Form möglich sei und wie die Qualität der Produktionen aussehen würde.

War er denn erfolgreich?

Stand Anfang Januar 2023 lässt sich festhalten: Oscar Anton schaffte nicht alles, was er sich vorgenommen hatte. Anstelle der geplanten zwölf Songs releaste er nur zehn, davon waren eine Stadt (Mailand) und auch ein Land (USA) doppelt vertreten. Auch hatte er öfters Anlaufschwierigkeiten in den jeweiligen Städten. So kam es etwa, dass er eine Studiosession in London umsonst gebucht hatte, da die Musiker:innen nicht auftauchten. Den Song aus NYC schrieb er aus ähnlichen Gründen schlussendlich sogar allein. Beim letzten veröffentlichten Song aus London, »the song i always forget about«, schaffte es der 26-Jährige außerdem nicht, noch ein Musikvideo zu drehen. Die Tour und die handgeschriebenen Postkarten hingegen bekam er tatsächlich unter einen Hut.

Alles in allem glückte also das Projekt, denn bis auf einige Ausnahmen blieb Oscar Anton seinen Plänen treu. Die Songs und Videos fanden außerdem großen Anklang: Die Views und Streams auf YouTube und Spotify belaufen sich im sechsstelligen Bereich und mehr – pro Veröffentlichung! Ein Riesenerfolg also; die Frage ist nur, zu welchem Preis: Denn seit Ende November hat sich Anton aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, um sich eine Auszeit zu nehmen.

Die musikalischen Postkarten

Oscar Anton geht musikalisch auf Weltreise (Quelle: Bild von Public Co auf Pixabay)

Am 07. Januar 2021 war bereits die erste Postkarte fertig: Sie kam aus Mailand. Es folgten in genannter Reihenfolge: Berlin, Madrid, Istanbul, Amsterdam, Paris, Los Angeles, New York, Rio de Janeiro und London. Oscar Anton spricht seine Zuhörer:innen dabei direkt an (übrigens auf Englisch, mit hörbarem französischem Akzent), während im Hintergrund entspannte, selbst komponierte Musik zu vernehmen ist.

Die Inhalte der »postcards« sind sich dabei meist ähnlich: Er erzählt von Impressionen aus den Städten, berichtet über neue Menschen, die er kennengelernt hat, und über seine kreativen Prozesse. Es ist spannend, ihm bei dem Entstehungsprozess der Songs und Videos über die Schulter »hören« zu können. Denn das Besondere daran ist, dass der Singer-Songwriter sehr ehrlich ist und mit Schwierigkeiten und gecancelten Plänen offen umgeht. Er gewährt somit einen ungeschönten, einzigartigen Einblick in die Arbeit eines Independent Artists.

Jedoch ist der gebürtige Pariser auch ein hoffnungsloser Romantiker und so ist es auch nicht verwunderlich, dass eine kleine Liebesgeschichte ebenfalls einen Platz in seinen kurzen Berichten findet. Wer die Glückliche ist und was heute aus der Beziehung geworden ist, lässt er hingegen offen. Doch man sollte ihn selbst erzählen lassen!

Die Songs

Die Lieder sind grundsätzlich einfach gestrickt: Sanfte Pop-Melodien, ummantelt von einem konstanten Bossa-Nova-Beat, einer loopenden Bass-Line sowie Synthesizer-Klängen im 80er-Vibe. Seinem Stil ist er vor allem zu Beginn der Reise treu geblieben. Gegen Ende des Projekts setzte er dann in den Songs »Milan (instrumental)«, »saudade« und »the song I always forget about« dagegen auf stimmungsvolle Akustik-Begleitungen – musikalisch scheint er sich dabei definitiv weiterentwickelt zu haben. Die Features VV, FIL BO RIVA, dani, Nilipek, Blanks, Voyou, gnash, Ana Gabriela und Maddie Ashman haben zweifellos einen enormen Anteil an seinem kreativen Prozess. Ihre Genres sind im Indie-Pop, Akustik-Pop und Folk-Bereich anzusiedeln.

Die Themen der Lyrics drehen sich um die Liebe und sind nicht besonders tiefgründig. Doch es scheint auch nicht die Absicht des Sängers zu sein, die Welt neu erfinden zu wollen. Er holt seine Zuhörer:innen dort ab, wo sie sich befinden, nimmt sie mit auf seine (kreative) Reise und bietet durch seine sanften Lieder eine Auszeit vom grauen Alltag. Oscar Anton bleibt sich selbst treu, gibt sich authentisch und nahbar – und genau das macht ihn sympathisch. Auch wenn seine Songs beim ersten Hören kitschig wirken mögen – der Künstler hat die Fähigkeit, mit Melodien und Worten malen zu können. Sie gleichen einer liebevoll komponierten Filmmusik und so sieht man ihm während des Hörens gedanklich beim Surfen in Rio oder Kaffee trinken in Amsterdam zu.

Resümee

Das ungewöhnliche Projekt glich zweifellos einem spannenden Experiment, dessen Verfolgung mir als Zuhörerin große Freude bereitete. Leider gingen nicht alle Pläne von Oscar Anton auf – die meist hoch gebliebene Qualität aber, die seine Produktionen allesamt aufweisen, lassen ihm das jedoch verzeihen. Daher rate ich allen, die schon immer eine Mischform aus Travel-Blog und Musik-Album vermisst haben: Hört rein!

Verfügbar sind die Songs, »postcards« und Videos auf allen üblichen Streamingplattformen. Die Postkarten in Papierform sind auf Bandcamp erhältlich.

Mein persönlicher Tipp

Die »postcard« aus Paris:

…und der dazugehörige Song »si rose«:

Beitragsbild: Bild von Melanie auf Pixabay

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert