Wohnsinn-Kolumne: Nur ein Jahr später

Wohnsinn-Kolumne: Nur ein Jahr später

Zuhause, das ist, banal gesagt, der Ort, an dem man wohnt. In Regensburg ist das für viele von uns die WG, das Wohnheim oder die eigene Wohnung. Und doch gibt es viele, die in ihrem vermeintlichen Zuhause nicht loslassen können, weiter angespannt sind. Was ist dann zu tun: Sich abfinden oder weitersuchen? Eine Bilanz, ein Jahr nach einem Umzug.

von Julia Huber

»Nur ein Jahr später«, denke ich, als ich meine Wohnung nach der Weihnachtspause zu Hause wieder betrete. Ich bin allein. Meine Mitbewohnerin kommt erst in ein paar Tagen zurück, ich darf nicht vergessen, ihre Pflanzen zu gießen.

Nur ein Jahr später und ich habe einen Ort, an dem ich mich wohlfühle, an dem ich meine Taschen abstellen und durchatmen kann. Ein Ort, an dem ich lachen, weinen, tanzen, singen kann, wo ich mich sicher fühle und gerne bin.

Letztes Jahr ist das nicht so gewesen. Neulich erst hat mir mein Handy in der „heute vor einem Jahr“-Funktion gezeigt, wie ich hier beim WG-Casting gewesen bin. Die harmlosen Bilder von der Wohnung können nicht ausdrücken, wie sehr ich gehofft habe, aus meiner damaligen Wohnsituation rauskommen zu können.

Mit der eigenen Wohnsituation unglücklich zu sein, das ist kein Einzelphänomen. Ich meine nicht ein bisschen unzufrieden mit Details; ich meine fundamental unglücklich, ich meine den Zustand, dass die Wohnsituation das Leben wirklich spürbar unglücklicher macht. Manchmal sitzen Menschen an diesem Küchentisch, an dem ich jetzt diesen Text schreibe, und fragen uns, ob wir nicht eine Wohnung in der Nähe wüssten. Ich kenne eine Person, die in ihrer Wohnung nicht frei atmen kann, wenn die Mitbewohnerinnen da sind, eine andere Person, die sich ekelt, aber nichts Anderes gefunden hat, eine andere Person, die sich in ihrem Wohnheim einfach fehl am Platz und einsam fühlt. Am meisten fühle ich dabei wahrscheinlich mit den Leuten im ersten Semester mit: Sie hatten ja noch kaum Zeit, sich außerhalb ein soziales Umfeld abzubauen; die Mitbewohner:innen sind die einzigen Kontakte, das eigene Zimmer der einzige Ort, an dem man sich nicht fremd fühlen sollte. Wenn das nicht passt – passt gar nichts. 
Ohne ein Zuhause ist es schwierig, zu studieren. Ich denke, dass das vielen bewusst werden wird, wenn sie über die Feiertage bei ihren Eltern sind. So war es bei mir
Als ich meine Taschen nach Weihnachten auf unseren Sofa-Sessel-Hocker (ein Möbelstück ohne adäquaten Namen) schmeiße, fällt mir wieder einmal auf, wie dankbar ich für diesen Ort bin. Dafür, dass es wirklich passt. Und das schon seit einem Jahr. Ich bin der festen Überzeugung, dass es ohne Zuhause nicht wirklich geht.
Dabei ist mir bewusst, was für ein großes Privileg es ist, eine bezahlbare, schöne Wohnung gefunden zu haben. Was für ein Privileg es ist, gecastet zu werden, überhaupt Antworten auf wg-gesucht zu bekommen. Es ist mir bewusst, welche Rolle Glück und Privileg spielen, und dass man den Ratschlag »Komm, such dir eine neue Wohnsituation« durchaus kritisch sehen kann. Ich weiß, wie zermürbend, wie psychisch anstrengend es ist, an der Front der Wohnungssuche immer ganz vorne mit dabei sein zu müssen, weil es anders nicht geht. Ich weiß, dass man eigentlich für alles dankbar sein muss, was man kriegt.
Und doch. Wenn die Leute hier am Küchentisch sitzen, meine Freund:innen oder die Freund:innen meiner Mitbewohnerin, und unglücklich sind, dann werde ich weiter zwei Dinge machen: Erstens: Dafür sorgen, dass unsere Tür offen ist. Wir können zwar kein drittes oder viertes Zimmer in unsere WG zaubern, aber wir können unsere Küche teilen und unseren Sofa-Sessel-Hocker. Zweitens: Eben doch dazu raten, dass sie suchen. Vielleicht hat man ja Glück. Während des Semesters ziehen weniger Leute um als zu Semesterbeginn und wenn man schon in der Stadt wohnt, sucht es sich leichter, als wenn man jedes Mal extra reinfahren muss. Und es lohnt sich so sehr. Denn in nur einem Jahr kann alles ganz anders aussehen.

Beitragsbild: https://www.pexels.com/de-de/foto/paar-menschen-frau-strasse-7464737/

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