Lautstark-Kolumne: Empowernder Indiepop aus Regensburg  

Lautstark-Kolumne: Empowernder Indiepop aus Regensburg  

»Nein heißt nein!« Wie oft haben wir diesen Satz in der gesellschaftlichen Diskussion um sexuelle Übergriffigkeit in den letzten Jahren gehört? Und immer noch haben es nicht alle verstanden. Die Regensburger Singer-Songwriterin Ronja Künkler macht das wütend. Und zwar so wütend, dass sie einen Song darüber geschrieben hat. »Stopp« ist gestern auf allen bekannten Streaming-Plattformen erschienen.

von Lotte Nachtmann

Wer Ronja Künkler und ihre Musik kennt, der:die hat sicher gleich laue Sommernächte, Lagerfeuer-Romantik und die »ganze Bandbreite jugendlicher Gefühlswelten« im Sinne. Ihre ersten beiden EPs »Türen auf« und »Gartenparty« aus den Jahren 2018 und 2020 stehen genau in diesem Zeichen. Im Interview, das die Lautschrift vor etwa einem Jahr mit der gebürtigen Weidenerin führte, hat Ronja allerdings angekündigt, dass ihre nächsten Songs gesellschaftskritischer werden sollen. Gesagt, getan. Entstanden ist die Idee zu »Stopp« vor einem Jahr. Mitten im tiefsten Lockdown sind wohl viele von uns in den verschiedensten Bubbles sozialer Medien versunken. Ronja tauchte ab in die Welt des female Empowerments und der feministischen Aufklärung. Auf Profilen wie jenem der Regensburger Künstlerin Teresa Reichl oder auf Kanälen wie Auf Klo oder catcallsof… traf sie die volle Wucht des Themas. »Vorher hatte ich gar nicht so viel damit zu tun, dann hat es mich aber voll mitgenommen und ich bin sehr schnell emotional geworden. Vor allem beim Thema sexuelle Gewalt ist eine große Wut in mir aufgekommen. Es kann doch nicht sein, dass Victim-Blaming immer noch eine Antwort darauf ist. Oder dass ein ›Stopp‹ oder ein ›Nein‹ immer noch nicht ernst genommen werden«, berichtet die Musikerin.

»Nur weil ich flirty bin, bin ich dir nichts schuldig«

Aus dieser Wut entstand ein Song. Er erzählt die Geschichte einer jungen Frau in einer Bar, die sexuell übergriffiges Verhalten erfährt, nachdem sie mit einem Mann angebandelt hat. Sie gibt dem Täter gleich ein eindeutiges Contra, »denn nur weil ich flirty bin, bin ich dir nichts schuldig«, hebt Ronja im Interview hervor. Im Song heißt es dazu: »Meine Kleidung ist keine Einladung | Ich besteh auf mein Recht auf Verweigerung.« »Stopp« soll jedoch nicht nur das Verhalten von Täter:innen anprangern. »Die Idealvorstellung wäre natürlich, dass es keine Täter gibt. So ist es aber nicht. Der Song bildet stattdessen ab, wie ich mir vorstelle, reagieren zu wollen, wenn mir so etwas passiert.« Autobiografisch sei der Song nicht, sagt Ronja. Stattdessen habe sie von der Geschichte und von der Reaktion der Ich-Erzählerin geträumt, als sie sich intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt hat. »Nach dem Aufwachen habe ich mich so empowered und selbstsicher gefühlt«, erinnert sich die Singer-Songwriterin.

»Meine Kleidung ist keine Einladung
Ich besteh auf mein Recht auf Verweigerung.«

Ronja Künkler, »Stopp«

Entsprechend sei das Ziel von »Stopp« auch, sich nach dem Hören stärker zu fühlen und sich zu trauen, für die eigenen Grenzen einzustehen. Passenderweise sollte »Stopp« eigentlich am feministischen Kampftag (8. März) erscheinen. Coronabedingt verschob sich jedoch der Dreh für das auf YouTube verfügbare Musikvideo. Doch auch zehn Tage später verlieren die Themen »sexuelle Belästigung« und »Übergriffigkeit« natürlich nicht an Relevanz. Auch die neue Ausgabe der Lautschrift hat das Thema aufgegriffen und sich in einem Artikel mit der Problematik des Catcallings beschäftigt.

»Stopp« ist also der erste offen gesellschaftskritische Song von Ronja. Möchte man gar nicht meinen, da sie an der Uni Politikwissenschaft studiert. Die Musikerin gibt jedoch zu bedenken, dass es gerade dadurch schwerfiele, alle Aspekte eines so komplexen Problems wie sexueller Belästigung in einen Song von drei Minuten zu fassen. »Ich habe das Gefühl, dass man bei politischen und gesellschaftskritischen Themen mehr falsch machen kann. Wenn ich mit meinen Songs anecke, dann will ich auch voll dahinterstehen.«

Das Cover von Ronjas neuer Single. Artwork von Nicole Michalak und Nora Pauckstadt

Neuer Sound, altbekannte Sprache

Doch nicht nur thematisch ändert sich einiges mit »Stopp«. Der Song enthält viele elektronische Elemente und auch rockigere Parts, was ihn von Ronjas ersten beiden, eher akustisch geprägten EPs unterscheidet. »Leute, die die anderen zwei CDs kennen, werden vielleicht erst einmal ein bisschen erschrecken«, kündigte die Studentin vorab an. »Jetzt ist es aber mehr so, wie ich mir immer vorgestellt habe, Musik zu machen. Bisher konnte ich das aber nicht umsetzen.« Im Alte Schule Studio bei Ingolstadt gelang Ende des letzten Jahres genau das. Die Inhaber Maxl Walmsley Pledl und Ben Kopfnagel kannte Ronja noch aus Regensburg, wo die beiden am Music College ihre Ausbildung gemacht haben. Sie waren es auch, die beim Mischen der Songs die elektronischen Elemente mit hineingebracht haben. Zum ersten Mal habe sie die Möglichkeit gehabt, wirklich professionell zu produzieren und sich Gedanken über die Arrangements zu machen, so die Studentin. Doch keine Angst, einiges der alten Ronja bleibt auch in »Stopp« erhalten: »Es bleibt immer noch Indiepop, mein Gesangstil ist weiterhin der gleiche und auch meine Art, Texte zu schreiben.« Die elektronischen Parts geben dem Song allerdings den notwendigen Drive, um die wütende und laute Stimmung des Textes zu untermalen, den Hörenden aber gleichzeitig das Gefühl mitzugeben, dass sie sich wehren können, damit hoffentlich auch noch die Letzten verstehen, dass ein »Stopp« ausreichend ist. »Ich möchte mit dem Song allen eine Absage erteilen, die glauben, dass ich über übergriffiges Verhalten lachen können muss. Nein, muss ich nicht«, stellt die Künstlerin deutlich heraus.

Und bleibt es gesellschaftskritisch bei Ronja Künkler? »Auf jeden Fall, nur vielleicht nicht ganz so politisch«, antwortet sie. Im Zuge von »Stopp« hat Ronja noch zwei weitere Songs produziert. Einer davon soll im Herbst erscheinen und arbeitet die Phasen psychischer Belastung während der Pandemie auf.

 

Hier geht’s zur Single und zum Video:

Beitragsbild: Ronja Künkler beim Videodreh zu ihrer neuen Single »Stopp«. © WildshiftsPictures

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