Feminis:muss: Das generische Maskulinum – Grenzen unserer Sprache

Feminis:muss: Das generische Maskulinum – Grenzen unserer Sprache

»In jeder Sprache liegt eine eigentümliche Welt« – Wilhelm von Humboldt.

von Sophie Put und Franka Umlauf

Die Sprache gilt schon immer als eine besondere Form der Kommunikation, die dem Homo Sapiens vorenthalten ist. Durch sie ist es dem Menschen möglich Gedanken, Gefühle und Situationen zu beschreiben und sich mit anderen Menschen darüber auszutauschen. Somit öffnet Sprache uns die Welt. Gleichzeitig grenzt Sprache auch ein. Die Pirahas, ein brasilianisches Volk, verwendet in ihrer Sprache keine Vergangenheitsform und erinnern sich somit kaum an bereits Geschehenes. Sie leben im Hier und Jetzt, wobei sie stark auf die Gegenwart begrenzt sind. Auch unsere deutsche Sprache birgt verschiedene Grenzen. Eine davon ist das generische Maskulinum.

Das generische Maskulinum soll in der deutschen Sprache die neutrale Geschlechterform darstellen. Zumal es aber maskulin ist, wird der Mann als Norm, als Standard vorgegeben. Reicht es aus, dass Frauen mitgemeint werden, wenn sie nicht von allen mitgedachte werden, die diese Form der Sprache verwenden? Zu dem Wort Brücke gehört im Deutschen ein femininer Artikel, im Spanischen ein maskuliner. Fragt man deutsche Personen welche Adjektive ihnen zu dem Wort Brücke einfallen, beschreiben sie diese als schön, elegant, fragil und friedlich. In Spanien wird das Wort Brücke mit den Adjektiven groß, strak, stabil und gewaltig assoziiert. An diesem Beispiel sieht man, dass selbst neutrale Objekte durch Sprache mit geschlechterspezifischen Merkmalen verbunden werden. Wenn man von diesem Standpunkt aus argumentiert, ist es auch nicht verwunderlich, dass viele Berufsbezeichnungen im generischen Maskulinum dem Mann zugesprochen werden. Das wird durch ein gängiges Gedankenspiel verdeutlicht: 

Ein Vater fährt mit seinem Sohn zum Fußballspiel, doch Mitten auf einem Bahnübergang bleibt ihr Wagen stehen. In der Ferne hört man schon de Zug pfeifen, der Vater versucht panisch, den Motor zu starten, schafft es aber vor Aufregung nicht. Das Auto wird vom Zug erfasst, ein Rettungswagen jagt zum Unfallort und bringt die beiden ins Krankenhaus, der Vater stirbt aber schon auf dem Weg dahin. Der Sohn lebt, muss aber sofort operiert werden. Er wird in den OP-Saal gefahren, wo schon die diensthabenden Chirurgen warten. Als sie sich jedoch über den Jungen beugen, sagt jemand von den Chirurgen mit erschrockener Stimme: »Ich kann nicht operieren, das ist mein Sohn!« Wie ist das möglich?

Die Lösungsvorschläge reichen von Adoption bis hin zu einem Transgender-Elternteil. Die Lösung ist aber einfacher: Die Person, die nicht operieren kann, ist eine Frau. Die Mutter ist Chirurgin. Das Gedankenspiel zeigt, dass mit dem generischen Maskulinum Frauen eben nicht mitdenken. »Die diensthabenden Chirurgen« lösen bei den meisten Menschen die Vorstellung eines rein männlichen Teams aus, wobei Frauen aktiv nicht mitgedacht werden. Somit ist das generische Maskulinum als Standard unzulänglich. 

In diesem Zusammenhang kann man sich nun die Frage stellen, ob unsere männlich geprägte Sprache wirklich Ursachen- oder nur Symptombekämpfung ist. Auf der einen Seite ist offensichtlich, dass Frauen im tatsächlichen Leben durch reale Umstände, z.B. Karrierechancen oder Gehälter, benachteiligt werden, was sich in unserer Sprache widerspiegelt. Es ist aber unzureichend, davon auszugehen, Sprache wäre nur ein Produkt unserer Umstände, zumal sie die Umstände eben auch mit formt. Verschiedenste Studien belegen, dass geschlechterneutrale Sprache die Zuversicht von Kindern, in traditionell männlich besetzten Berufen erfolgreich zu sein, unterstützt. Es reicht nicht, Sprache anzupassen, um Gendergerechtigkeit zu erhalten, aber es ist ein Instrument, das genutzt werden kann und muss. 

»It`s experience which shapes a language and it`s language which controls an experience.«

James Baldwin

Beitragsbild: © Dainis Graveris on Unsplash

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