Geduldsprobe für die Eisbären

Geduldsprobe für die Eisbären

Dieser Artikel erschien bereits in gekürzter Form als Teil des Beitrags »Der Spitzensport in der Zwickmühle« in der digitalen Heftausgabe der Lautschrift. Nun ein ausführlicher und aktueller Nachtrag.

Die Corona-Pandemie schränkt die Menschen ein – auch den Spitzensport trifft sie hart. Die Lautschrift hat bei den Regensburger Top-Mannschaften nachgefragt, wie sich die Situation auf sie auswirkt … Bei den Eisbären Regensburg aus der Eishockey-Oberliga Süd ist bislang noch völlig unklar, ob – und wenn ja, wann und wie – wieder gespielt werden kann:

von Jan-Mirco Linse

Für die Regensburger Kufencracks hatte das Virus verheerende Auswirkungen. Der Oberligist (dritte Liga) war in Top-Form und hatte sich Anfang März gerade erst den Meistertitel der Südgruppe gesichert – doch dann wurden die anschließenden Play-offs aus Sicherheitsgründen ersatzlos abgesagt. So wurde dem Team die Möglichkeit genommen, um den Aufstieg in die zweithöchste deutsche Spielklasse, die DEL2, zu spielen. »Das war für uns brutal bitter, zu dem Zeitpunkt lief es ja richtig gut“, erinnert sich Verteidiger Xaver Tippmann und ergänzt: »Wir hatten uns viel vorgenommen.«

Dabei hatten die Eisbären in den ersten Partien Probleme. Zu Saisonbeginn belegten sie lange Zeit lediglich Plätze im hinteren Tabellendrittel, ehe unter einem neuen Trainer, Max Kaltenhauser, die Kehrtwende folgte und die Mannschaft eine furiose Aufholjagd hinlegte, die am letzten Spieltag mit der Tabellenspitze und der Süd-Meisterschaft belohnt wurde. Tippmann erzählt: »Rückblickend hat man einmal mehr gesehen, dass man einfach nie aufgeben darf und immer alles möglich ist. Zu Beginn war es schwer, aber am Ende wurde es trotzdem noch eine geile Saison.«

Sein Trainer, Max Kaltenhauser, berichtet: »Am Anfang hätte niemand gedacht, dass das noch so enden würde. Dass die Mannschaft gut ist, wusste man ja. Aber wenn man dann erstmal hinten drin festhängt, ist es trotzdem schwer. Als ich übernommen habe, war unser erstes Ziel, dass wir es überhaupt noch in die Play-offs schaffen, dann wären wir mit einem blauen Auge davongekommen.« Dass die Reise dann noch so weit ging, sei zwar turbulent, aber auch sehr schön gewesen, sagt der 39-jährige ehemalige Profi-Stürmer und ergänzt: »Sowas wird es wohl nicht mehr so häufig geben.«

Die Form seiner Schützlinge war stark und die Vorbereitungen auf die K.o.-Runden in den Play-offs liefen bereits auf Hochtouren. Dann kam die Nachricht, dass die Saison wegen Corona abgebrochen werden muss. Kaltenhauser berichtet: »Es war schwer zu verdauen, dass es dann plötzlich vorbei war, nachdem wir so gut in Fahrt gekommen sind. Man freut sich das ganze Jahr auf die Play-offs und wir hatten eine super Ausgangsposition. Allerdings ist es auch hypothetisch, zu sagen, wie toll wir in den Play-offs hätten spielen können – da redet es sich leicht, den Beweis können wir aber nicht bringen. Es geht dann wieder bei null los und mit ein bisschen Pech scheidet man schneller aus, als einem lieb ist.«

Lockdown »fast wie Urlaub«

Es folgten die Ausgangsbeschränkungen, die das öffentliche Leben fast zum Stillstand brachten – und für die Sportler eine verfrühte Sommerpause. Für Kaltenhauser hatte das aber auch positive Seiten. »Persönlich kann ich mich überhaupt nicht über den Lockdown beschweren. Ich wohne mit meiner Freundin und unserem Hund in einem kleinen Häuschen mit Garten, das Wetter war meistens gut. Die Saison war vorbei, das war fast wie Urlaub für uns.« Die Situation sei zwar etwas angespannt gewesen, weil niemand gewusst habe, wie sich die Lage rund um COVID-19 weiter entwickelt. »Aber ich hatte nicht das Gefühl, irgendwie eingesperrt zu sein. Natürlich hätten wir gern Familie und Freunde mehr getroffen, aber für mich gibt es keinen Grund zu klagen. Da hat es andere bestimmt viel schlimmer erwischt, als mich.«

Spieler Xaver Tippmann. ©Melanie Feldmeier | arSito

Auch Tippmann kann der damaligen Situation Gutes abgewinnen: Direkt nach Saisonende kehrte der Füssener in die Allgäuer Heimat zu seiner Familie zurück. »Ich mache während der Sommerpause meist Grundlagentraining, vor allem Ausdauer wie Radfahren, Laufen, Wandern – das geht in der Allgäuer Natur ja super«, berichtet er. Von den Coaches erhielten die Spieler Trainingspläne, um sich fit zu halten. Die meisten Übungen darauf seien ohne Fitnessstudio möglich gewesen. Da die Vorlesungen des 23-Jährigen, der an der Regensburger Uni Jura studiert, online stattfinden, konnte er lange in seiner Heimat bleiben: »Das war für mich echt schön – so viel wie in dieser Zeit habe ich meine Familie in den letzten fünf Jahren nie gesehen.« Außerdem sei viel Zeit geblieben, sich um sein Studium zu kümmern. Erst kürzlich kehrte Tippmann nun für Leistungstests der Eisbären nach Regensburg zurück.

Die komplette Situation rund um die Pandemie erlebt Tippmann als surreal. »Das ist alles ein bisschen bedrückend: Einkaufen mit Maske, Abstand halten zu jedem, die ganzen schlimmen Nachrichten. Ich versuche, nicht zu viele zu lesen, sonst werde ich noch verrückt.« Da kommt die Ablenkung durch den Sport gerade recht. Bei den jüngsten Tests sah er seine Teamkollegen zum ersten Mal seit Saisonabbruch wieder.

Wie geht es weiter?

Was die kommende Saison 2020/2021 angeht, ist Tippmann grundsätzlich guter Dinge: »Wir haben ja zuletzt stark gespielt und die Mannschaft ist fast gleich geblieben.« Er hofft, dass es im Spätsommer oder Herbst wieder losgeht. Ob überhaupt – und wenn ja, wann und wie – gespielt werden kann, bereitet ihm aber Sorgen. Der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) hat für die Oberligisten zwar grundsätzlich einen (im Vergleich zu den Vorjahren recht späten) Saisonstart mit Pflichtspielen ab 16. Oktober angesetzt und inzwischen auch ein Hygiene-Konzept zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs ausgearbeitet, an das sich die Klubs halten sollen. Doch noch ist nicht klar, inwieweit auch Politik und Behörden grünes Licht geben. Für die Eisbären ist das eine echte Geduldsprobe, die mit viel Arbeit verbunden ist.

Kaltenhauser ist jedenfalls skeptisch. »In diesem Konzept stehen viele Dinge – aber es ist ja grundsätzlich so, dass Genehmigungen für den Spielbetrieb sowieso von der Kreisbehörde beziehungsweise dem Gesundheitsamt erteilt werden müssen, nicht vom DEB. Das sind also eher Empfehlungen – aber selbst da muss man sagen: Bei jeder Mannschaft ist die Infrastruktur unterschiedlich, jede Eishalle ist anders. Deswegen muss auch jeder Klub sein eigenes Konzept mit den Behörden abstimmen.« Ferner sei das DEB-Konzept auch noch nicht von einem Ministerium oder ähnlichem abgesegnet worden, nach wie vor gelten demnach für das Eishockey ausschließlich die Regularien, die das Bayerische Infektionsschutzgesetz für den Sport vorsieht. Laut Kaltenhauser erlauben diese derzeit zwar unter bestimmten Auflagen Trainingsbetrieb (auch mit Kontakt), aber nach wie vor keinerlei Spielbetrieb, insbesondere für Indoor-Sportarten.

Trainer Max Kaltenhauser. ©Melanie Feldmeier | arSito

Kaltenhauser sagt: »Wir sind noch ein gutes Stück davon entfernt, dass überhaupt eine Partie stattfinden darf. Und wir reden hier erstmal nur davon, ohne Zuschauer anzutreten. Die Steigerung wäre dann, ob – und wenn ja, wie viele – Zuschauer zugelassen werden. Und erst danach können wir vielleicht irgendwann wieder darüber diskutieren, zur Normalität zurückzukehren.“ Im Fußball wurden in Bayern jüngst Freundschaftsbegegnungen im Amateurbereich erlaubt, allerdings nur vor leeren Rängen, Punktspiele bleiben jedoch vorerst auch hier untersagt. Für das Eishockey gibt es indes noch keine Neuigkeiten.

Dennoch haben die Eisbären jüngst im Zuge eines virtuellen Fanmeetings sieben Testspiele angekündigt, zunächst jedoch ohne genaue Termine zu nennen. Kaltenhauser bleibt aber skeptisch: »Wäre Eishockey ein Outdoor-Sport, wäre ich zuversichtlicher – ist es aber nicht. Wenn wir unseren Sport überhaupt ausüben dürfen, rechne ich mit Einschränkungen, gerade was Zuschauer angeht.« Denkbar sei, dass deutlich weniger Fans in die Stadien dürfen, die dabei Mundschutz tragen und Abstand zueinander halten müssen.

Der Vergleich zu anderen (Hallen-)Sportarten liegt nahe: Den zwei Handball-Bundesligen steht beispielsweise Stand jetzt eine Spielzeit gänzlich ohne Stehplätze ins Haus, Schlachtenbummler der Gastmannschaft dürfen dort wohl nicht in die Stadien, auf Fangesänge soll verzichtet werden. Das geht aus einem Konzept hervor, dass die Ligen gemeinsam mit der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) und der Basketball-Bundesliga (BBL) erarbeitet hat. Auch im Fußball ist in den ersten beiden Ligen eine ähnliche Regelung vorgesehen. Die DEL, die höchste deutsche Eishockey-Liga, hat ihren planmäßigen Saisonstart bereits auf Mitte November nach hinten verlegt, das Unterhaus, die DEL2, peilt bislang Oktober für die Rückkehr zum Spielbetrieb an.

Kaltenhauser stellt klar: »Wir brauchen die Zuschauer, sonst wäre das Ganze nicht zu finanzieren. Falls nur wenige oder gar keine Fans in die Stadien dürfen, müssten irgendwoher Kompensationszahlungen kommen, die die fehlenden Einnahmen ausgleichen. Ohne die ist es nicht möglich, zu spielen.« Und während die deutschen Top-Ligen diverser Sportarten bereits Fördergelder vom Staat zugesichert bekommen haben, ging die dritte Eishockey-Liga bislang leer aus.

Beitragsbild: ©Melanie Feldmeier | arSito

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