Die WG-Party mit einem etwas anderen Ende

Die WG-Party mit einem etwas anderen Ende

Es gibt wohl zig mögliche Ausgänge (sowohl positive als auch negative), die eine WG-Party-Nacht zu einer unvergesslichen Erinnerung machen. Unsere Abschluss-Feier in unserer Mädels-WG in Clermont-Ferrand endete allerdings weder in der Notaufnahme, noch mit der Polizei vor der Tür oder nächtlichem Pizza-Bestellen – man kennt ja die klassischen Szenarien. Nein, unsere Party endete mit einer der wohl spektakulärsten Rettungsaktionen, die jeder von uns je erlebt hatte.

von Lotte Nachtmann

Es war ein sonniger Freitagabend im Mai letzten Jahres. Zum ersten Mal im Jahr konnte man mit T-Shirt das Haus verlassen und um Punkt 19 Uhr war für meinen gesamten Jahrgang die elend lange und kräftezehrende Klausurenphase vorbei. Auch wenn für die meisten die letzte Klausur an diesem Abend ziemlich mittelmäßig bis unterirdisch lief, war die Erleichterung über die wiedergewonnene Freiheit von Büchern, Vokabellisten und Lernzetteln allen ins Gesicht geschrieben. Da das Ende des Semesters auch einen vorläufigen Abschied von allen unseren französischen Kommilitonen und eine Auflösung unserer WG bedeutete, beschlossen meine drei Mitbewohnerinnen und ich, ein letztes Mal die Pforten unserer mit Charme durchtränkten Bruchbuden-WG zu öffnen und eine Abschluss-Party zu schmeißen. Spätestens nach ein paar Bier waren auch die Erschöpftesten bei ordentlicher Feierlaune angekommen. Später sollte es ja schließlich auch noch in die nahe gelegene Innenstadt gehen.

Als dann aber der erste unserer Gäste den Nach-Hause-Weg antreten wollte, nahm dieser ausgelassene und durchaus weinlastige Abend eine unerwartete Wende, die darin bestand, dass es ihm schlichtweg nicht möglich war, das Haus zu verlassen. Da die Eingangstür zum Haus schon öfter mal geklemmt hatte und solche Komplikationen inzwischen zu unserem WG-Alltag geworden waren, machte sich erstmal keiner große Sorgen. So fing ich an, an der Tür zu rütteln und ein paar Mal den Schlüssel hin- und herzudrehen. Aber anders als normalerweise tat sich nichts. Die Tür bewegte sich keinen Zentimeter. Inzwischen war ein »etwas« verspäteter Partygast draußen vor der Tür angekommen. Aber auch seine Versuche, Bud-Spencer-mäßig die Tür einzurennen, zeigten keinen Erfolg. Seine Schlussfolgerung, an der Regenrinne hoch in die Wohnung zu klettern, um dann mit den restlichen 15 Partygästen festzusitzen, stellte sich auch nicht als sehr hilfreich heraus.

Inzwischen hatten sich drei Gruppen unter den Feierwütigen gebildet. Gruppe eins wurde durch die Mehrheit vertreten, die einfach unbeschwert weiterfeierte. Gruppe zwei war dann ich, die langsam aber sicher die Nerven verlor und irgendwann aufgrund einer ungesunden Mixtur aus drei Wochen Schlafmangel, Alkohol und dieser doch etwas verzwickten Lage einfach im Flur für die nächste Stunde liegen blieb. Daher kann ich die folgenden Ereignisse auch nur aus dritter Hand wiedergeben. Die dritte und einzige für die Lage hilfreiche Gruppe wurde durch eine meiner Mitbewohnerinnen vertreten, die auf die glorreiche Idee kam, unseren Nachbarn von nebenan anzurufen. Der arme Mann reagierte glücklicherweise trotz der inzwischen äußerst fortgeschrittenen Stunde sehr schnell und eilte mit einer Leiter herbei. Auf diese Weise wurden dann unsere allesamt etwas angetrunkenen und durchaus nicht mehr allzu trittsicheren Kommilitonen über das Treppenhausfenster evakuiert. Draußen auf der Straße hatten sich schon Schaulustige versammelt und bei jedem »Geretteten« wurde kräftig applaudiert. Der Großteil von ihnen ließ sich von dieser etwas unkonventionellen Art und Weise, ein Haus zu verlassen, auch nicht davon abbringen, in der Stadt noch wegzugehen. Wir vier, die lieber eine Nacht eingeschlossen blieben, als obdachlos zu werden, feierten dann unsere eigene Party weiter.

Aus dem selbst gesetzten Ziel, am ersten freien Tag nach der Klausurenphase mal so richtig auszuschlafen, wurde dann allerdings nichts. Denn irgendwie mussten wir unser Türproblem noch lösen, zumal eine meiner Mitbewohnerinnen am Nachmittag nach Hause fahren wollte und wir uns ein Abseilen von Koffern in unserem desolaten Zustand zwischen Kater und galoppierender Müdigkeit nun wirklich nicht zutrauten. So versammelte sich dieser traurige Haufen, der sich eine WG nannte, nach sportlichen vier Stunden Schlaf in der Küche und versuchte am Samstagmorgen einen Schlüsseldienst zu erreichen. Mindestens acht Anrufe, drei Mailboxen und vierzehn entnervte Seufzer später, fanden wir tatsächlich Hilfe. Aber auch der Schlosser konnte die Haustür letztlich nur noch mit Gewalt öffnen. Gegen die Mittagszeit konnten wir dann endlich – wegen eines unserer Ansicht nach völlig übertriebenen Wochenendzuschlags einige hundert Euro ärmer – völlig erschöpft in unseren Betten verschwinden oder auf dem Sofa zusammensacken, um uns das Royal Wedding von Meghan Markle und Prinz Harry anzusehen, deren Hochzeitsparty sicher einen weniger abenteuerlichen Ausgang nahm.

Auch wenn gerade Beschriebenes vielleicht nicht der feinen englischen Art entspricht, eine Party ausklingen zu lassen, haben wir zumindest eine Story, die bei jedem weiteren WG-Abend einen Lacher und einen etwas verunsicherten Türentest mit sich bringt. Welche Abenteuer  Lena in der Zwischenzeit erlebt hat, könnt ihr nächste Woche wieder lesen.

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