»Ein partnerschaftliches Projekt«

»Ein partnerschaftliches Projekt«

Sprachkurse, Sport, gemeinsames Musizieren: Wenn Regensburger Studenten sich für Flüchtlinge engagieren, steckt dahinter oft ein ganz besonderer Verein. Hermann Josef Eckl, Hochschulpfarrer und Initiator von CampusAsyl, erzählt, wie es zu der Idee kam und wie auch ihr euch in der Flüchtlingshilfe engagieren könnt.

Interview: Matthias Reinel

erstaufnahme-2Herr Eckl,  Woher kam die Idee zu CampusAsyl?
Der Ursprung liegt in einem Gespräch zwischen mir und Herrn Hochholzer (Professor für Deutsch als Zweitsprache, Anm. d. Red.) im November 2014. Nachrichten über ankommende Flüchtlinge und letztlich die Pressemitteilung, dass eine Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) in Regensburg eingerichtet wird mitder Erwartung, dass sehr viele neue Flüchtlinge kommen werden – es waren zwar einige vorher schon da, aber mit der EAE und den Gemeinschaftsunterkünften waren noch mehr zu erwarten – war für uns letztlich der Anlass zu überlegen, was die Uni in dieser Situation tun könnte.

Ende November 2015 kam es dann zur Vereinsgründung von CampusAsyl.
Genau. Wir haben gemerkt, dass wir uns wegen der vielen Projekte und Aktivitäten noch ein Stück besser organisieren müssen. Es gibt ja verschiedene Partner: die Katholische Hochschulgemeinde Regensburg, Institute der Universität und Personen aus der Uni, sonstige Helferinnen und Helfer und so weiter. Da ist es sinnvoll eine gemeinsame Plattform zu haben. Außerdem war die Vereinsgründung auch aus anderen Aspekten sinnvoll, z.B. um rechtsfähig zu sein, gemeinnützig zu sein, Spendenquittungen ausfüllen zu können, sonstige juristische Akte vollziehen zu können etc. Das ist für den weiteren Weg von CampusAsyl enorm wichtig.

Was war ihre persönliche Ambition CA zu gründen und dieses Engagement zu zeigen?
Zum Einen glaube ich – nachdem ich auch hier am Campus arbeite und für die Hochschulseelsorge verantwortlich bin – Universität und Hochschule haben eine gesellschaftliche Verantwortung. Bildung findet nicht im Niemandsland statt, sondern muss sich in der Praxis bewähren. Ich möchte mithelfen, dass das funktioniert. Ich glaube die Integration der Flüchtlinge ist eine der ganz großen gesellschaftlichen Zukunftsaufgaben, die wir in den nächsten Jahren vor uns haben. Außerdem ist es für mich als Christ ganz entscheidend: Mein Christsein entscheidet sich auch daran, ob ich zusammen mit anderen in der Lage bin, den Menschen, die in Not sind und zu uns kommen, eine Zukunft zu geben.

»Studenten sind der Kern von CampusAsyl«

Welche Rolle spielen die Studenten bei CA – ohne die vielen anderen Helfer außen vor zu lassen?
Die Studierenden nehmen ganz klar die Hauptrolle ein – sie bilden den Kern des Engagements. Egal ob Jura, Politikwissenschaft, Psychologie, Medizin oder Pädagogik – jeder Student kann sich einbringen. Durch ein Studium sollte man ja auch Allgemeinbildung und bestimmte Kompetenzen erlangen. Eine Uni gleicht einem großen Pool an Menschen, die ehrenamtlich arbeiten können und wollen. Natürlich freuen wir uns aber auch über externeHelferinnen und Helfer; besonders bei Projekten, bei denen es starkauf Kontinuität und Langfristigkeit ankommt, ist es schon gut, wenn noch ein Backup von anderen Unterstützern an Bord ist Studenten können sich oft nicht langfristig binden.

Wie wird das Angebot von den Flüchtlingen angenommen?
Negative Stimmen gibt es nicht. Wir haben schon den Eindruck, dass das Angebot sehr hilfreich, sinnvoll und notwendig ist, weil ja zum Beispiel in der Erstaufnahmeeinrichtung sonst nur wenig an Aktivitäten stattfindet. Die Menschen würden sonst einfach warten und nichts tun. Durch unsere Angebote haben sie zum einen die Möglichkeit schon einmal ein bisschen die Sprache zu lernen und zum anderen kommen sie in Kontakt mit deutschen Studierenden. Ich habeden Eindruck, dass das Angebot sehr gut aufgenommen wird, auch in anderen Bereichen. Wir sind nicht nur in den Erstaufnahmeeinrichtungen, sondern auch in den Notunterkünften, in Unterkünften für unbegleitete Jugendliche wie dem Michlstift, und auch in den vielen Gemeinschaftsunterkünften vertreten. Wir versuchen immer Lücken zu schließen, in denen es bisher keine Angebote gab und in denen sich bisher niemand um diese Menschen gekümmert hat. Die Resonanz unter den Flüchtlingen ist bisher ausnahmslos positiv. Wir bekommen aber auch von der anderen Seite, also von der Stadt, der Caritas oder den Betreuern der Unterkünfte viel positive Rückmeldung.

Wer initiiert die einzelnen Projekte und woher kommen die Ideen?
Die Sprachförderung als erstes Projekt lag auf der Hand. Für Musik und Sport haben sich dann Studierende gemeldet und gesagt, wir würden das gerne probieren und machen. Die Initiative kommt also meistens schon von den Studis beziehungsweise. von den Leuten, die sich engagieren wollen.  CampusAsyl hilft dann bei der Umsetzung. Die Flüchtlinge kommen kaum mit Forderungen auf uns zu, sie sind aber um jedes Angebot froh, weil jede Abwechslung willkommen ist. In Zukunft möchten wir sie aber nochstärker einbinden. CA soll kein hierarchisches Projekt sein, in dem wir die großen „Macker“ sind und Flüchtlinge dankbar füralles sein müssen, sondern wir sehen das als partnerschaftliches Projekt, bei dem sich beide Seiten einbringen sollen. In der Kleiderkammer funktioniert das schon so, da sind Flüchtlinge bereits in das Management oder in die Ausgabe eingebunden, um das möglichst nach ihren Bedürfnissen zu gestalten. Beim Sprachkurs geht das freilich nicht, aber hier können wir uns gut vorstellen, dass Flüchtlinge zum Beispiel  auch mal einen Arabischkurs für uns anbieten. Wir versuchen, unser Engagement auf Augenhöhe zu gestalten, das ist ganz wichtig.

Wie finanziert sich CA?
Tatsächlich hat CA in diesem ersten Jahr bezogen auf die Fülle an Aktivitäten nicht sehr viel Geld gebraucht. Wir verstehen uns nicht als ein Projekt, das möglichst viele Spenden und Gelder einsacken möchte um so die Kasse zu füllen. Natürlich brauchen wir Geld, um die Projekte managen zu können, im vergangenen Jahr bewegte sich das im Bereich von einigen tausend Euro. Wir haben dieses Geld durch Spenden und durch öffentliche Zuschüsse, zum Beispiel von der Stadt Regensburg, bekommen. Außerdem haben viele Fachschaften ihre Erlöse aus Partys an uns gespendet. Das freut und hilft uns sehr und damit sind wir bisher gut über die Runden gekommen.

Dann steht auch in Zukunft das persönliches Engagement im Vordergrund?
Richtig. Primäres Ziel bleibt, Ehrenamtliche zu mobilisieren und sie mit unserer Erfahrung, dem Know-how und den nötigen finanziellen Mitteln zu unterstützen. CampusAsyl begleitet die Ehrenamtlichen, sodass sie nicht auf sich allein gestellt sind. Dabei soll es immer so sein, dass erst das Projekt da ist und dann nach Finanzierungsmöglichkeiten gesucht wird. Es ist nicht so, dass wir Geld horten und dann schauen, was wir damit machen können.

Wie viele ehrenamtliche Helfer hat CA?
Wir wollen im neuen Jahr versuchen, alle unsere Ehrenamtlichen zur Mitgliedschaft in unserem Verein zu bewegen. Das hat organisatorische, rechtliche und versicherungstechnische Gründe. Die Mitgliedschaft wird kostenlos sein oder einen geringen symbolischen Betrag kosten.
Erst dann können wir genaue Zahlen nennen. Im Augenblick schätze ich, dass einige hundert Studierende und sonstige Helferinnen und Helfer bei CA aktiv sind. Unser Newsletter hat derzeit 900 Leute im Verteiler.

Gibt es schon Überlegungen, CA überregional zu erweitern?
Da sind wir gerade dran. Eine Initiative an der HS Amberg/Weiden ist bereits angelaufen. Als ich letztens dort war, haben sich Studierende schon ersten Projekten zugeordnetet. Das Gleiche wollen wir in den nächsten Monaten an der TH Deggendorf probieren, wir können aber noch nicht einschätzen, wie sich das entwickeln wird.

»Ich wünsche mir weniger populistischen Unsinn«

Wie sehen Sie die Unterstützung aus der Politik für Vereine wie CA?
Auf regionaler Ebene sind wir in Regensburg sehr zufrieden. Die Stadt und die Regierung der Oberpfalz haben uns von Anfang an sehr unterstützt, sodass wir das Gefühl haben, dass sie unsere Projekte auch wirklich wertschätzen. Die sehen: Was wir da auf die Beine stellen ist gut gemacht und funktioniert auch wirklich. Natürlich spüren wir auch, dass wir als studentisches Projekt kürzere Wege haben als die politische Verwaltungsebene, da sind wir im Vorteil. In Regensburg bemühen sich alle sehr, aber hin und wieder stößt die Verwaltung eben doch an ihre Grenzen.

Was anderes ist da natürlich die höhere politische Ebene. Einerseits bringt man uns viel Lob entgegen.  Andererseits gibt es  aus bestimmten politischen Ecken sehr populistische Äußerungen, die dann eher darauf abzielen, Angst zu schüren. Ich würde mir da von der Politik ein bisschen mehr Mut und Zutrauen wünschen, dass Politiker und Ehrenamtliche das gemeinsam schaffen können und weniger populistischen Unsinn.

Welche Momente sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben – positiv oder negativ?
Negativ eigentlich gar nichts. Bei Projekten kann immer mal Sand im Getriebe sein, aber das passiert bei anderen Projekten ja auch, das ist ganz normal. Wir haben insgesamt eigentlich sehr positive Erfahrungen und positive Rückmeldungen. Mir persönlich bleibt ganz positiv das interreligiöse Fest in Erinnerung, das wir anlässlich des islamischen Opferfest in der EAE im September zusammen mit einigen muslimischen Mitbürgern organisiert haben. Wir haben Essen für 600 Leute gekocht, Kinder beschenkt und ein schönes Fest gefeiert. Gemeinsam zu feiern war eine tolle Erfahrung. Ansonsten gibt es auch viele kleine positive Erfahrungen, persönliche Freundschaften und Erlebnisse. Gerade im Kleinen erleben die Ehrenamtlichen sehr viel Erfreuliches.

Ich will mich engagieren! Wie komme ich zu CA?
Ganz einfach. Wir bieten jedes Semester Infoabende an, auf denen man uns kennenlernen kann und auf denen wir uns und unsere Projekte vorstellen. Da ist es sicherlich am einfachsten mit uns Kontakt herzustellen. Diese Abende wird es auch in Zukunft regelmäßig zu Beginn des Semesters geben. Wenn man den Infoabend verpasst hat, schreibt man am besten einfach eine Mail an CampusAsyl oder die jeweiligen Projektansprechpartner. Ansonsten kann man sich natürlich immer online informieren, über Facebook oder die Homepage Campus-Asyl.de.

Wie starte ich ein eigenes Projekt? Wie gehe ich vor?
Grundsätzlich unterstützt CA nicht nur die laufenden Projekte, sondern hilft auch, neue Projekte aufzuziehen. Wir unterstützen und beraten die Leute. Oft muss man ein Vorhabennoch präzisieren oder ein bisschen modifizieren. Sobald das Projekt umsetzbar ist, versuchen wir für die Initiatoren die passenden Kontakte herzustellen, damit es umgesetzt werden kann. Sobald sich abzeichnet, dass es so funktionieren kann, schauen wir nach Unterstützung bei der Finanzierung. Leute können jederzeit mit Ideen zu uns kommen und wir geben unser Know-How und unsere Mittel dazu – so entstehen neue Projekte.

Foto: Alexander Urban

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