Fehlender Fokus heißt nicht gleich ADHS

Fehlender Fokus heißt nicht gleich ADHS

Wenn wir uns nicht konzentrieren können, kann das viele Gründe haben, zum Beispiel zu viel Social-Media-Konsum. Dieser Beitrag untersucht, wovon unsere Fähigkeit, uns zu konzentrieren, abhängt.

Von Franziska Werner

Der Slogan: »We love to entertain you« bestimmt unsere Generation wahrscheinlich mehr, als wir derzeit vermuten.
Diesem Satz begegnet aber in der Form kaum eine:r mehr.
Social Media Apps wie Instagram haben Fernsehsender wie Prosieben heutzutage abgelöst.
Bei mir sieht das täglich so aus: Ich öffne Instagram, schaue, was es Neues gibt, also scrolle ich durch das Feed: 
Eine Story nach der anderen sehe ich mir an.
Freunde feiern, jemand hat Geburtstag.
Ich gehe weiter zu den Beiträgen: Like, Like, kein Like. 
Was tue ich gerade hier? Ich drücke mich vor der Arbeit.
Ich habe ein neues Like und merke das Kribbeln im Bauch.
Ich glaube, diese App hat mich vollkommen im Griff. Ich lege das Handy zur Seite. 

Konsuminfarkt

Ich bin Teil der Konsumgesellschaft geworden.
Als Teil der Konsumgesellschaft konsumiere ich täglich Medien, sogar an der Uni. 
Ich sitze im Hörsaal, höre zu, konsumiere Wissen. 
Wie Nahrung sauge ich das Wissen auf.
Nur dass ich bei richtiger Nahrung auch Energie bekomme, oder nicht?
Ich fülle mein Wasser auf, trinke, spüre neue Kraft. 

Können wir auch anders, als nur ständig zu konsumieren? Geht das überhaupt?
Wir gehen davon aus, dass wir nicht genug sind. 
Wir brauchen Nahrung, denn wenn wir nicht essen, verhungern wir. 
Trinken wir nicht, verdursten wir. 
Fehlender sozialer Kontakt kann zur Einsamkeit führen. 

Perspektivwechsel

Warum brauchen wir die anderen überhaupt?
Warum können wir nicht einfach nur sitzen, nichts tun und uns selbst genügen? 
Unser Blick ist zunächst erst einmal natürlicherweise nach außen gerichtet. 
Es wird aber zunehmend beliebter, sich in die Stille zu begeben, sich nach innen zu kehren. 
Da stellt sich die Frage, wie man sich in dieser Welt nach innen kehren kann.
Haben wir dafür überhaupt Zeit? 

Meditation

Als ich einen Kommilitonen gefragt habe, womit er sich so momentan beschäftigt, antwortete er: »Ich meditiere«. Wow. Die Welt verändert sich. 
Was noch vor nicht ganz so langer Zeit als esoterisch abgestempelt wurde, wird nun nicht nur in der Freizeit praktiziert, sondern auch vermehrt als Methode in der Therapie genutzt. 
Vorbild ist dabei der Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn von der University of Massachusetts Medical Center, der die sogenannte »Mindfulness-Based Stress Reduction« (MBSR) in den 1970er Jahren entwickelte, eine Therapie vermittelt in acht wöchentlichen Gruppensitzungen mit relativ einfachen Yoga-, sowie Achtsamkeitsübungen.
Ich selbst habe ich mich letzten Monat für den Workshop »Meditation und Kampfkunst« der Uni angemeldet, der zweimal im Wintersemester im Verein »Dojo – Raum für Wegkunst und Stille e.V« stattfindet, abends um 19:30 Uhr. 
Dann kann ich in Zukunft auch sagen: »Ich meditiere.
Aber gerade, wenn man an der Uni Student:in ist, dann weiß man, dass eine Woche kaum der anderen gleicht. 
Da kann es schwer sein, eine Routine in den Alltag zu bringen und jeden Tag zur selben Zeit zu meditieren. 
Ob ich wirklich jeden Tag meditieren werde nach dem Workshop, steht also in den Sternen. 

Was ist eigentlich Meditation?

Zen, gesprochen »senn«, ist die japanische Aussprache des chinesischen Schriftzeichens »ch’an« , entnehme ich der Website des Dojo Zentrums.
Eigentlich stammt der Begriff aber von dem altindischen Wort »dhyana« ab, was wortwörtlich »Versenkung« bedeutet.
Daher kommt also das Sitzen und der Fokus auf die Energie, die nach unten in die Füße strömt, und das Versenken der Probleme in den Boden. 
Es gibt aber nicht nur die sitzende Meditation. 
Dieser passiven Form kann man auch eine aktive Form entgegensetzen. 
So kann man sich auch, während man eine bestimmte Sache tut, voll und ganz auf diese Tätigkeit konzentrieren und das auch Meditation nennen.
Der Sinn bei alledem soll sein, den Fokus und die Konzentration zu stärken, und den Geist zu beruhigen, und damit vielleicht auch die ganzen Bedürfnisse, die uns sagen: 
»Ich habe Durst, ich habe Hunger, ich brauche Gesellschaft, ich möchte ein Like«.

Konzentration in der Vorlesung

Wenn wir uns bei den Vorlesungen wirklich ganz und gar auf den Kurs konzentrieren wollen, dann müssen wir lernen, uns auf das Zuhören zu konzentrieren, sodass wir nicht sofort abschweifen. 
Aber wie lernt man eigentlich richtig zuzuhören? 
Auch wenn wir das in der Schule gelernt haben sollten, ist ein 90 -Minuten-Vortrag doch etwas anderes als ein interaktiver Klassenunterricht. 
Es wird der Punkt kommen, an dem sich mein Gehirn zu Wort meldet:
»Ich bin müde. Das alles gibt es doch auf der Präsentation. 
Ich kann mir das alles doch auch zuhause durchlesen. 
Das hier können wir doch einfach überspringen. 
Wie können die anderen alle so lange zuhören? So viele Leute, die studieren wollen, etc.«. 
Um dem Gedankenkreisen zu entkommen, könnte man hier das sogenannte »Registrieren« anwenden, das man auch in der App »Headspace« in einer angeleiteten Meditation als erstes lernt.

Registrieren und Meditieren im Alltag

Die Gedanken bemerken, registrieren und sich dann wieder auf das Wesentliche, hier auf den Inhalt der Vorlesung fokussieren, wäre also die Aufgabe. 
Dies ist eine Übung, bei der man lernt, sich selbst zuzuhören.
Dabei lenkt man den Blick auf die Gedanken und »beobachtet« diese, ohne sie weiter im Kopf zu bewegen. 
Das bedeutet nicht, dass man den Gedanken verdrängt, sondern, dass man ihm kurz den Raum gibt und ihm zu verstehen gibt, dass gerade ein schlechter Moment ist. 
So, als würde dich ein Freund mit tausend Sorgen anrufen, während du in der Vorlesung sitzt. 
Da würdest du vielleicht auch schreiben, dass ihr euch später treffen könnt, weil es gerade schlecht sei. Dann wird er dich für diese Vorlesung in Ruhe lassen.
Dass das Übung erfordert und nicht auf Anhieb klappt, ist klar.  Genau hier könnten vielleicht fünf Minuten Meditation am Tag aber etwas bewirken

Wenn man die Gedanken mal nicht zur Seite schieben kann

Manchmal sind diese Gedanken, die »dazwischenfunken« aber dringend.
Und dann fragt man sich unweigerlich, ob der Mangel an Motivation nicht nur noch stärker wird, wenn man diese Gedanken wegschiebt.
Hier sollte man sich den Gedanken, wenn man Zeit hat, zuwenden.
Wenn der Fokus einmal nicht so leicht ist, dann kann das daran liegen, dass andere Dinge wichtiger sind und womöglich zu kurz kommen.

Brainfuck oder Brainfood?

Wir tendieren dazu, uns selbst mit dem Internet Diagnosen zu geben.
Ein fehlender Fokus muss aber nicht gleich heißen, dass man ADHS hat.
Zerstreutheit während der Vorlesung kann auch manchmal nur von der Mittagspause vorher kommen, in der man üppig gegessen oder eben auch nur hastig alles herunter geschlungen hat und nun eine Viertelstunde später der Fokus auf der Verdauung liegt, statt auf dem Zuhören. 
Im Gegensatz dazu kann Brainfood wie Nüsse oder ein Schluck Wasser die Konzentrationsfähigkeit erhöhen. 
Bei Müdigkeit hat der Mangel an Konzentration manchmal wenig mit unserer Persönlichkeit oder unserem Durchhaltevermögen zu tun, als vielmehr mit der Ernährung.
Trinken wir zum Beispiel Kaffee, haben wir womöglich danach einen Energieschub. 
Dass wir dadurch aber in der Vorlesung auch still sitzen können, heißt das noch lange nicht. Frühsport oder eine kalte Dusche wäre vielleicht effektiver gewesen.
Unsere Konzentrationsfähigkeit hängt also von verschiedenen Faktoren ab.

Selbstdisziplin erfordert Hartnäckigkeit

Es gibt so viele Life-Hacks, die das Leben optimieren, dass man schon komisch angesehen wird, wenn man diese noch nicht praktiziert. 
Dem Anspruch, zu funktionieren und immer alles zu geben, können wir aber nicht immer gerecht werden. Dafür hilft vielleicht an der ein oder anderen Stelle auch mal der Blick nach innen, das Beobachten, also das, was wir sonst machen, wenn wir einen Film schauen.
Wir sollten also manchmal unseren inneren Film laufen lassen, uns zurücklehnen, um einen Überblick über das Geschehen zu bekommen, und dabei nicht in der Rolle hängen bleiben, mit der wir uns identifizieren.

Dass regelmäßiges Meditieren tatsächlich einen großen Einfluss haben kann auf unser Schmerz- und Stressempfinden, zeigt folgende Studie, auf die ich interessierte Leser:innen verweisen möchte: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/66130/Meditation-und-Psychotherapie-lindern-chronische-Kreuzschmerzen
Hier findet ihr außerdem die Website des Dojo Zentrums: http://dojo-regensburg.de/blog/
Und wenn ihr die Headspace-App auch einmal ausprobieren wollt, klickt hier: https://www.headspace.com/de

Beitragsbild: Helena|Pixabay

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert