Wie feministisch ist es eigentlich, Taylor Swift zu hören?

Wie feministisch ist es eigentlich, Taylor Swift zu hören?

Manchmal stellt man sich Fragen, die man eigentlich nicht braucht. Zum Beispiel, wenn man dieser Tage gedankenverloren in die Flamme eines Adventskranzes starren mag. Eine dieser Fragen könnte lauten: Wie feministisch ist es eigentlich, Taylor Swift zu hören? Eine persönliche Antwort auf mehreren Ebenen.

Von Julia Huber

Herzlich Willkommen zum ersten Feminis:muss im Advent! Läuft die Weihnachtsplaylist schon? Ich bin persönlich kein Fan von diesen ganzen Neuauflagen, ich möchte einfach die Weihnachtsmusik, die schon vor zehn Jahren im Radio lief. Wo ist mehr Platz für Nostalgie als in der Weihnachtszeit? Lukas Graham, Liam Payne, die dürfen sich alle gerne außerhalb meiner Weihnachtsplaylist ihre Gefühle von der Seele singen.

Aber eine Ausnahme gibt es. Christmas Tree Farm von Taylor Swift. 

Und schon steht die gelungene Überleitung zur heutigen Frage: Wie feministisch ist es eigentlich, Taylor Swift zu hören?

Für manche Menschen wird sich jetzt eher die Frage stellen, wieso das überhaupt ein Thema ist. Doch tatsächlich ist es eins. Taylor Fan zu sein, ist irgendwie politisch. 

Taylor Swift ist eine megaerfolgreiche US-amerikanische Pop-Sängerin, von der auch meine Oma schon gehört hat. In diesem Jahr im Oktober ist ihr neues Album Midnights erschienen, das diverse Rekorde der Musikgeschichte gebrochen hat.
Taylor Swifts Fans nennen sich Swifties. Der Prototyp: Ein Teenagemädchen, das seit Stunden über das Musikvideo von Bejeweled gebeugt sitzt, weil Taylor Swift angekündigt hat, dass das Video Dutzende Eastereggs, also versteckte Hinweise, enthält. Nach etwa fünfzehn Minuten mit dem Musikvideo haben die Swifties herausgefunden, dass eine Neuauflage des Swift-Albums Speak Now kommen wird. Weil ein Knopf im Aufzug lila gefärbt war. 

Viele der Swifties würden argumentieren, dass es feministisch ist, Taylor Swift zu hören. Zunächst gibt es da ihre Lyrics. Wer Taylor Swift nur aus dem Radio kennt, hat wahrscheinlich schon einmal von Shake it off und Blank Space gehört. Letzteres handelt von einer verrückten Exfreundin. Im Musikvideo zerstört sie auf manische Weise das Eigentum ihres Freunds; im Song singt sie: »Got a long list of ex lovers, they´ll all tell you I´m insane, but I got a blank space, baby, and I´ll write your name« – sie habe viele Exfreunde und alle sagen, sie sei verrückt, aber sie datet einfach weiter. Der ganze Song, die ganze Persona in dem Song, ist eine Parodie auf Swifts Darstellung in der Presse. Regelmäßig ist ihr vorgeworfen worden, zu viel zu daten, zu oft zu daten, zu viele Songs über ihre Beziehungen und Exfreunde zu schreiben. In einem berühmten Interview antwortet Taylor Swift, dass sie diese Fragen nicht gestellt bekommen würde, wenn sie ein Mann wäre.

Dieser Thematik widmet sie später den Song The Man. Ein Zitat für die Feminis:muss-Kolumne auszuwählen, ist gar nicht so einfach – jede Zeile steckt voller feministischer Thematiken. Entscheiden wir uns für die populärste: »I´m so sick of running as fast as I can, wondering if I´d get their quicker if I was a man«. Im Musikvideo kann man einen Mann beobachten. Erst ganz am Ende realisiert man, dass man auf eine verkleidete Taylor Swift hereingefallen ist.

So offensichtlich wie dieses ist bislang kein zweites Beispiel. Dennoch scheinen feministische Themen auch in anderen Liedern durch, wie zum Beispiel das Thema der mad woman, einer Frau, die wegen ihrer Wut nicht ernstgenommen wird.

 Okay. Also ist es jetzt feministisch, Taylor Swift zu hören? Die Liedtexte sprechen durchaus dafür.

Aber ich finde, wir übersehen eine große Sache. Liedtexte sind nur Liedtexte. Und Taylor Swift ist eine unglaublich reiche Person. Ein Beispiel: Vor einiger Zeit ist eine Liste darüber erschienen, welcher Promi am meisten Privatjet fliegt. Taylor Swift belegte Platz 1. Im Nachhinein kamen einige Kontroversen auf über die genaue Auswertung; ich finde, es ist relativ egal, ob sie wirklich exakt den ersten Platz belegt. Fest steht: Sie fliegt Privatjet. Viel. Wir wissen, wie verheerend Privatjets in der Klimakrise sind. Was hat das mit Feminismus zu tun?

Alles. Katastrophen schaden immer zuerst den am meisten benachteiligten Menschen. Ja, auch Frauen, insbesondere mehrfachbenachteiligten Frauen. Denn war am wenigsten Macht hat, hat am wenigsten Möglichkeiten in einer Katastrophensituation. Ganz einfach.
Nun, kaum etwas wird so viele Katastrophen hervorrufen wie die Klimakrise.

Und grundsätzlich: Kann man sich als ultrareicher Mensch wirklich Feministin nennen, in der Welt, in der wir leben? Wie kann man auf so einem Vermögen sitzen und sich ausschließlich verbal mit anderen Frauen solidarisieren, die ums Überleben kämpfen, vor Hunger, vor Ungleichbehandlung?

Ich sehe noch nicht, wie das zusammen geht.

Heißt das jetzt, meine Antwort ist Nein? Es ist nicht feministisch, Taylor Swift zu hören?

Auch schwierig. Es gibt noch eine Ebene der Dinge. 

Fangen wir persönlich an. Bin ich eigentlich ein Taylor Swift Fan? Ich höre sehr gerne ihre Musik. Bevor im Oktober das neue Album erschienen ist, habe ich die Tage gezählt. Meine Mitbewohnerin und ich überlegen, uns ein Plakat in den Flur zu hängen. Neulich saß ich in einer befreundeten WG und hab aufgezählt, welches Lied des neuen Albums von wem handelt. 

Ich denke, es spricht Einiges dafür. Und trotzdem nenne ich mich selten so: Taylor Swift Fan. Und noch weniger: Swiftie. Gelegentlich streite ich es auch ab, ein Fan zu sein. Der Grund dafür ist der beschriebene Prototyp der Swifties: Übereifrige Teenagemädchen. So möchte man nicht sein, so möchte ich, auf einer unbewussten Ebene, nicht sein. Und das wiederum ist ein Problem. Wir stilisieren übereifrige Teenagermädchen zu etwas Negativem, Nervigem, Lächerlichem. One Direction Fans? Taylor Swift Fans? Irgendwie nicht wirklich cool. Und irgendwie überwiegend jüngere Frauen. Ein negatives Klischee-Bild von einem männlichen One Direction Fan gibt es meines Wissens nach nicht, ebenso wenig bei Taylor Swift.

Ich denke, dass wir als junge Frauen unsere Begeisterung wieder claimen müssen. Begeisterung ist nicht beschämend. Interesse ist es nicht. Aber wir lassen uns oft dafür erniedrigen. Wir versuchen, als Konsequenz, negativen Klischees auszuweichen, uns ja nicht dort einordnen zu lassen. Dabei sollten wir zu dem stehen, was wir mögen, und so die Klischees aufbrechen. Wenn wir uns vor ihnen wegducken, geben wir ihnen eine Berechtigung.

Was also ist meine Antwort? Ich würde Taylor Swift nicht zur Feministin stilisieren. Aber der Widerstand gegen die Tatsache, dass ihre Fans mit negativen Klischees belegt werden, ist ein feministisches Anliegen.

Gut, somit habe ich meine Antwort auf eine Frage gegeben, die sich vermutlich die wenigsten gestellt haben. Dann kann ich jetzt zurück zu meiner Weihnachtsliederplaylist. Ich verspreche, ich schreibe keine feministische Analyse von Wham!.

Beitragsbild: Brooke Cagle | unsplash

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