Wohnsinn-Kolumne: Ich ziehe dann mal ein

Wohnsinn-Kolumne: Ich ziehe dann mal ein

Gerade aus dem Urlaub zurück, begrüßte meinen Freund und mich ein ganz besonders flauschiger Gast: die Nachbarskatze. Wie sie uns adoptiert hat und wie wir sie am Ende des Tages nicht ganz freiwillig los wurden, könnt Ihr im dieswöchigen Wohnsinn lesen.

von Lotte Nachtmann

Wir kennen die Nachbarskatze im ruhigen Kumpfmühler Wohnviertel meines Freundes schon länger. Immer mal wieder stromert sie durch die Gärten und über die wenig befahrene Straße, dabei stets neugierig und sehr offen für Streicheleinheiten. Kommunikativ ist sie überdies auch noch. Imitiert man* Katzenlaute, antwortet sie einem stets und lauthals. Vermutlich sind ihre Antworten gar keine freudigen Begrüßungen, sondern einfach nur Beschwerden über unsere grottenschlechte Aussprache. Einmal auf potentielle Streicheleinheiten-Geber*innen aufmerksam geworden, trabt sie an, wirft ihren Kopf gegen die Menschenbeine, schnurrt los und fordert vehement Aufmerksamkeit ein. Schon mehrfach ist sie durch die offene Terassentür ins WG-Zimmer meines Freundes gelatscht und hat alles fachkätzisch inspiziert, als hätte sie noch nie ein Wohnzimmer gesehen. Aber auch bei unserer kleinen Freundin muss Vorsicht walten, denn wenn sie keinen Bock auf etwas hat, ist sie – wie alle Katzen – äußerst schnell angepisst und lässt einen das auch gerne mal kratzend und beißend spüren. Mein Freund, der im Gegensatz zu mir keine Katzenerfahrung hat, hat ihr so eine Attacke auch schon einmal ziemlich lange übel genommen.

Trotzdem freuen wir beide uns jedes Mal wieder, wenn wir das Tier sichten und locken es prompt mit Katzenlauten an. Die gesamte Nachbar*innenschaft dürfte uns inzwischen für verrückt halten, aber was tut man* nicht alles für ein paar Minuten Katze.

Gestern, als wir nach einer mehrstündigen Autofahrt aus dem Urlaub kommend und mit Taschen bepackt die Straße entlang watschelten, kam uns unsere Freundin mal wieder entgegen und war auch sofort auf Kuschelkurs. Während des Auto-Ausräumens stand die ganze Zeit die Haustür offen, was die Mieze offenbar sofort als Einladung verstand und uns auf Schritt und Tritt folgte. Vermutlich in der Hoffnung, dass sich irgendwo in den Reisetaschen auch ein paar Katzensnacks versteckten. Irgendwann dachten wir allerdings, die Vierbeinerin hätte das Interesse an uns verloren. Doch die Mitbewohnerin meines Freundes war ebenfalls gleich begeistert von unserem Gast, der direkt mal das ganze Haus inspizieren wollte. Sie kam mir nämlich mit dem Tier auf dem Arm aus dem ersten Stock entgegen, der gerade entdeckt worden war.

Das rege Treiben des Hin- und Herräumens störte die Katze offenbar wenig. Nachdem sie alle Körbe und Taschen beschnüffelt hatte, wollte sie es sich gleich auf dem Bett gemütlich machen. Da hatte allerdings mein Freund dann doch was gegen und platzierte sie stattdessen auf dem Sofa. Das Fakefell-Kissen, das der Katze erschreckend ähnlich sah, wurde auch direkt in Beschlag genommen und bedestert. Für alle, die keine Katzeneltern sind: Destern nennt man* die massierende Bewegung der Vorderpfoten von Katzen, die sie in der Kindheit zum Anregen der mütterlichen Milchdrüsen verwendet haben und die im Erwachsenenalter als Zeichen der Zuneigung gewertet werden können. Mein Freund scherzte nur: »Wahrscheinlich hält sie das Kissen für ihre Mutti.« Irgendwann schlief die Katze dann ganz friedlich auf dem Sofa ein – völlig unbeeindruckt vom Staubsauger, raschelnden Tüten und hektischem Gerenne.

Als wir dann noch einen Spaziergang machen wollten, haben wir die Gute dann allerdings doch rausgeschmissen. Das funktionierte nur so semigut: Jedes Mal, wenn wir sie raussetzten, rannte sie direkt wieder rein. Nach mehreren Versuchen gelang es uns dann aber doch, insgeheim hoffend, dass sie danach noch da sein würde. Und siehe da: Sie war es, auf dem Terrassenstuhl schlafend. Sofort nahm sie wieder ihren Sofaplatz ein, als die Tür aufging. Zugegebenermaßen, nachdem wie sie mehrere Male vom Bett geschickt hatten. Irgendwann hatte mein Freund dann aber doch Sorge, dass wir die Katze, die bei ihrem gepflegtem Zustand ja irgendjemandem gehören musste, nicht mehr loswürden. So bugsierte er sie mit ihrem Lieblingskissen auf die Terrasse, wo sie dann auch tatsächlich liegen blieb. Offenbar ist das Flauschkissen ein echter Hit … und weniger wir.

Irgendwann am Abend war die Katze dann aber doch fort. Mal sehen, ob sie sich an ihr Lieblingskissen erinnert und uns bald mal wieder einen Besuch abstattet. Es ist ja inzwischen erwiesen, dass viele Katzen Zweit- und Drittzuhause haben, die sie regelmäßig frequentieren. Deshalb verbrachten wir auch den Abend damit, dem Tier einen Namen zu geben. Mein erster Vorschlag, die Katze wie Andrej Platonows das Pferd in seinem Roman »Tschewengur« Proletarische Kraft zu nennen, war schon verlockend. Mein Freund meinte dann, wir sollten sie nach einer großen Feministin benennen. Simone – nach Simone de Beauvoir – gefiel uns für eine Katze dann aber doch nicht. Am Ende wurde sie Loki genannt, nach der Frau des Ex-Kanzlers Helmut Schmidt. Loki Schmidt hat sich zwar vielleicht nicht für die Rechte von Frauen eingesetzt, dafür aber für den Schutz von Pflanzen und der Natur. Das passt auch besser mit den Interessen einer Großstadtkatze zusammen, denken wir.

Der nächste Wohnsinn kommt dann in einer Woche von Paula.

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