Entlassungen statt Rechtsstaatlichkeit

Entlassungen statt Rechtsstaatlichkeit

Zahlreiche Studierende müssen sich im neuen Jahr nach einem neuen Job umsehen. Nachdem die Universität Studierende jahrelang unterbezahlt hat, entledigt sie sich der studentischen Angestellten nun. Was sagt die studentische Sprecherin Christiane Fuchs dazu?

Der kommende Jahreswechsel wird bisher präzedenzlose Neuerungen für das Bibliothekspersonal der Universität Regensburg mit sich bringen: Die Arbeitsverträge von dutzenden Studierenden, die bislang noch bei der Bibliothek angestellt sind, werden nach ihrem Auslaufen am 31. Dezember nicht mehr verlängert. Das wurde ihnen vor zwei Wochen in einer knappen E-Mail mitgeteilt. Anlass dafür bieten offenbar die Bemühungen mehrerer studentischer Angestellter zur Richtigstellung ihres Arbeitsverhältnisses, was mit einer Neuregelung ihrer Arbeitszeiten und nicht unwesentlichen Gehaltserhöhungen einhergehen würde.

Das Gros der Studierenden, die in der Bibliothek angestellt sind, wird derzeit als Studentische Hilfskräfte (SHKs) beschäftigt, per definitionem müssen diese jedoch wissenschaftlichen Hilfstätigkeiten nachgehen. Damit fallen sie aus dem Tarifvertrag für die Länder (TV-L) heraus, der eigentlich für die Angestellten im Öffentlichen Dienst gilt und ihr Arbeitsverhältnis tariflich regelt. Stattdessen richtet sich ihr Gehalt nun nach dem gesetzlichen Mindestlohn, eine rechtlich gesehen unzulässige Regelung, da sie als Mitarbeiter der Bibliothek keiner wissenschaftlichen Arbeit nachgehen, wie das Wissenschaftsministerium den deutschen Hochschulen 2010 deutlich machte.

Keine Bestrebungen zur Korrektur dieses Misstandes seitens der Universität

Dass die studentischen Mitarbeiter von ihrem rechtswidrigen Arbeitsverhältnis Kenntnis erlangten, war Zufall; bisher zogen nur einige daraus die Konsequenz, eine Umgruppierung in den Tarifvertrag zu beantragen – mit wechselndem Erfolg: Christiane Fuchs, studentische Sprecherin und selbst in der Bibliothek angestellt, konnte von ihrem Recht Gebrauch machen. Ihr sowie einigen anderen wurde ein neuer Arbeitsvertrag zugestanden, den meisten wurde ihr Anliegen aber verweigert. Seitens der Universität gibt es keine Bestrebungen zur umfassenden Korrektur dieses Missstandes, im Gegenteil, die überwiegende Mehrheit der Verträge wird nach dem nächsten Fristende schlichtweg nicht mehr verlängert. Die Studierenden müssen ihr Recht selbst einfordern. Das zeigt, dass die Universitätsleitung auf Zeit spielt und darauf setzt, dass in den verbliebenen Wochen den Jahres möglichst wenige Studierende ihr Recht geltend machen. Die Aufsichtstätigkeiten, die an Wochenenden und nach 20 Uhr bisher von den studentischen Mitarbeitern wahrgenommen wurden, sollen ab dem 1. Januar an einen externen Wachdienst ausgelagert werden. Fuchs sieht darin große Probleme: Den Wachdienstmitarbeitern kann nur schwer Zugang zum Datenbanksystem gewährt werden, was bedeutet, dass die Schlüsselausgabe möglicherweise nur händisch erfolgen könnte; das würde deutlich mehr Zeit als bisher beanspruchen. Ganz zu schweigen von der Bücherausleihe, die in diesem Szenario völlig entfallen könnte. Die Unwägbarkeiten, die die Einstellung eines externen Wachdienst mit sich bringt, sind der Universität aber offenbar immer noch lieber als die Schaffung tarifgebundener Arbeitsverträge.

Nur wenig Reaktionszeit für die Studierenden

Die Umstellung auf einen Tarifvertrag würde für die Angestellten einen erhöhten Stundenlohn von circa zwölf Euro, geregelte Arbeitszeiten und mehr Anspruch auf Urlaub bedeuten. Eine Gehaltsnachzahlung kann zumindest für die letzten sechs Abrechnungsmonate erwirkt werden, Entfristungen bzw. Vertragsverlängerungen müssen innerhalb von drei Wochen nach Vertragsende beantragt werden. Betroffen davon sind etwa 80 bis 100 Studierende, genaue Zahlen sind nicht möglich, da sich die Universität bei der Herausgabe diesbezüglicher Informationen zurückhält. Das und die Tatsache des Engagements eines Wachdiensts fanden Studierende durch eigene Recherche und Anfragen heraus. Besonders stört Fuchs die lakonisch gehaltene E-Mail, in der die Betroffenen ohne Angabe von Gründen oder Erklärungen von der neuen Regelung unterrichtet werden – mit dem Zusatz, man möge doch bitte bis zum Stichtag 31. Dezember seine vereinbarten Stunden einbringen. Öffentlich wurde die Angelegenheit ebenfalls durch eine Mitteilung des AStAs und ein breites mediales Echo, das von der Universität wohl nicht so stark erwartet wurde. Fuchs kritisiert, dass die Ankündigung – wie schon im Falle der Änderung der Bibliotheksöffnungszeiten – sehr kurzfristig erfolgte und den Studierenden dadurch nur wenig Reaktionszeit gegeben wird.

Besteht für die Studierenden die Chance auf eine Weiteranstellung? Angestellte, die zum Zeitpunkt des Vertragsendes seit über zwei Jahren dort angestellt sind, haben bessere Aussichten auf eine Weiterbeschäftigung, da ihnen in diesem Fall eine Entfristung grundsätzlich zusteht; bei weniger lange aktiven Mitarbeitern stehen die Chancen eher schlecht. Nach Fuchs‘ Ansicht hat die Universität ihre Entscheidungen bei den bisherigen Anträgen von ebendieser Kalkulation abhängig gemacht; die Umwandlung in Tarifverträge erfolgte nur bei langjährigen Angestellten. Eine weitere Möglichkeit für die Studierenden wäre eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, was ebenfalls einen verpflichtenden Tarifvertrag zur Folge hätte. Es erscheint absurd, dass alle Betroffenen sich erst gewerkschaftlich organisieren müssen, da ansonsten ihre Stimme nicht wahrgenommen wird bei ihrer Forderung nach einem neuen Arbeitsvertrag, der den rechtlichen Anforderungen entspricht. Zumal es sich ja dabei nicht nur um Einzelfälle handelt, sondern um einen systematischen, jahrelang unbemerkten Rechtsbruch bei Arbeitsverhältnissen von Beschäftigten, die de facto beim Freistaat Bayern angestellt sind. Fuchs sieht hier in erster Linie den Kanzler in der Verantwortung; die klamme finanzielle Situation der Universität könne keine Entschuldigung für die widerrechtliche Unterbezahlung von studentischen Angestellten sein, sagt sie. Diese Malaise scheint zudem kein ausgemachtes Problem der Universität Regensburg zu sein: Fuchs steht in Kontakt mit Vertretern der OTH und der LMU in München, und auch in Passau scheinen ähnliche Missstände zu herrschen. Die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Margit Wild hat unlängst eine Anfrage in Plenum eingebracht, in der sie die widerrechtliche Beschäftigung der Angestellten thematisiert und eine Einschätzung der Lage durch die Staatsregierung fordert. Eine Antwort dürfte in naher Zukunft erfolgen. Bis dahin müssen die Studierenden wohl selbst die Initiative ergreifen, da man nicht darauf zählen kann, dass die Universität von sich aus aktiv wird.

 

 

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