Kultur auf Zeit

Regensburg hat in den letzten Monaten viel über Kulturverdrängung diskutiert. Einrichtungen wie der Artclub oder das Ostentorkino müssen weichen, damit lukrativere Wohn- oder Bürogebäude entstehen können. Kultur kann trotzdem noch Raum finden, man muss ihn nur suchen. Das hat die Bürgerinitiative con_Temporary getan, die sich aktiv für die kulturelle Zwischennutzung leerstehender Räume einsetzt. Tilo Kmieckowiak, Student der Politikwissenschaft und Initiator des Projekts, hat sich mit der Lautschrift getroffen, um uns mehr über con_Temporary zu erzählen:

 

Tilo Kmieckowiak
Tilo Kmieckowiak, Initiator von con_Temporary

Lautschrift: Mitte März startete euer Projekt. Seit wann ist die Idee schon in deinem Kopf?

 Tilo Kmieckowiak: Ich habe seit Ende Januar darüber nachgedacht. Die Idee, leerstehende Räume zwischen zu nutzen, ist nicht neu. Das gibt es in anderen Städten auch schon, hier hat es einfach nur noch niemand gemacht.

LS: Wie bist du darauf gekommen?

T. K.: Ausschlaggebend war eine Podiumsdiskussion anlässlich der angekündigten Schließung des Ostentorkinos. Dabei ging es um Kulturverdrängung in Regensburg. Zur gleichen Zeit war ich mit meinem Podcast-Projekt Hörgeschehen im Obermünsterviertel unterwegs und habe mit dem Vorsitzenden des Vereins Aktives Obermünsterviertel e.V. einen Spaziergang gemacht. Das Viertel wurde zum Sanierungsgebiet ausgerufen und der Vorsitzende hat vom Wandlungsprozess dort erzählt. Mir ist aufgefallen, dass in diesem relativ kleinen Teil der Altstadt unglaublich viele Läden leer stehen. Damals standen allein in der Malergasse sechs Läden leer!

LS: Bei Facebook hattet ihr in kürzester Zeit über 500 Likes. Wie schnell nahm Regensburg con_Temporary als ernsthaftes Projekt wahr?

 T. K.: Die Leute haben es schnell sehr gut aufgenommen. Mit dem neuen Oberbürgermeister Wolbergs hatte ich schon ein kurzes Gespräch, außerdem hatten wir Kontakt mit dem Kulturamt. Der Popbeauftragte der Stadt, Säm Wagner, oder auch unterschiedliche Künstler, wie beispielsweise Thomas Spitzer, kamen auch auf uns zu.

LS: Mittlerweile habt ihr einen geeigneten Raum (Baumhackergasse 1) gefunden und startet am 17. Mai. Was erwartet die Besucher?

 T. K.: Es wird eine Ausstellung von Architekturstudierenden geben, die sich direkt mit diesem Raum auseinandersetzen. Sie soll Ideen und Überlegungen zur Stadtentwicklung im kulturellen Bereich anstoßen. Zusätzlich gibt es von 11 Uhr bis 22 Uhr ein Kulturprogramm: Es wird eine Performance der bambule.babys geben, Sketch und Lesung des Freien Künstler Ensembles und eine Filmvorführung von David Liese. Da der Laden ein ehemaliges Fotoatelier ist, können wir auch einen Bereich abdunkeln. Dort gibt es dann eine Installation von Blink and Remove. Außerdem wird es wohl zwei Slots geben, in denen „normale“ Regensburger Bürger Texte lesen können. Da sind auch Leute von unserem Team dabei, ganz nach dem Motto: Welches Buch findest du schön? Lies‘ was draus vor! Die musikalischen Beiträge kommen von Cat Stash, Cato Janko und anderen Regensburger Kulturschaffenden. Es war uns sehr wichtig, dass die Künstler alle aus Regensburg kommen!

LS: Auf welches Publikum zielt ihr ab?

 T. K.: Wir zielen auf alle ab. Aber dadurch, dass wir ein junges Programm haben und in unserem Freundeskreis hauptsächlich Studenten sind, wird es wohl eine jüngere Altersschicht erreichen. Grundsätzlich ist unser Programm aber für jeden gedacht! Wir wollen die Stadt bereichern und zeigen, dass solche Projekte gut funktionieren.

LS: Die Ausstellung der Architekturstudenten ist nach dem Grand Opening am 17. Mai noch eine Woche lang für Besucher geöffnet. Ihr von con_Temporary seid dann auch dort anzutreffen. Habt ihr sonst noch etwas mit dem Raum vor?

 T. K.: Ab Donnerstag [Anmerkung der Redaktion: 01.05.14] gibt es in den Fenstern schon etwas zu sehen. Der Kunststudent Vincent Pollak wird seine Werke ausstellen. Ich bin ein, zwei Mal an seinem Atelier im Obermünsterviertel vorbeigelaufen und habe irgendwann reingeschaut und gefragt, ob er nicht bei uns ausstellen möchte. Natürlich überlegen wir auch, ob sich noch mehr verwirklichen lässt.

LS: Wer hat euch den Raum zur Verfügung gestellt und habt ihr noch weitere Unterstützer?

 T. K.: Die Stadtbau GmbH hat uns den Laden überlassen. Außerdem hat uns zum Beispiel Luis Fernandez, ein junger Mitarbeiter vom Amt für Wirtschaftsförderung, tatkräftig unterstützt. Was man an der Stelle noch erwähnen kann, ist, dass wir auch einen Getränke-Sponsor haben. Die Brauerei Eichhofener stellt uns das Bier. Durch den Getränkeverkauf können wir dann wohl unsere Kosten ganz gut decken und auch den Künstlern eine kleine Gage zukommen lassen.

LS: Du bist bald mit deinem Studium fertig. Wie soll es mit dem Projekt weitergehen?

 T. K.: Regensburg ist eine tolle Stadt, die sehr viel Potential hat! Vor zwei Wochen hatten wir schon ein offenes Treffen, bei dem wir auch mit neuen Leuten in Austausch treten wollten. Einige Leute haben sehr großes Interesse, am Projekt mitzuwirken. Manche Künstler haben auch gesagt, dass sie sich später daran beteiligen möchten. Ich habe die Hoffnung, dass das Projekt weitergeführt wird. Die Stadt ist ein Paradies für die Zwischennutzung von leerstehenden Räumen, denn davon gibt es reichlich!

LS: Du hast dich während des Studiums immer viel engagiert: Du warst in der Hochschulpolitik aktiv, dann beim Campus e.V., und nun con_Temporary. Wie bringst du alles unter einen Hut?

 T.K.: Wenn man mein Auslandssemester mitzählt, bin ich jetzt im achten Semester. Ich habe mein Studium also nicht ruck-zuck durchgezogen. Aber ich denke mir: Wann im Leben hat man die Zeit und vor allem die Flexibilität, gerade als Geisteswissenschaftler, um noch nebenbei solche Projekte zu machen? Nur im Studium! Man sollte sich die Zeit nehmen. Mein Studium mag ich sehr gerne, aber die Projekte sind die Dinge, die mein Leben reicher machen. Natürlich ist es stressig – besonders jetzt. Ich schreibe an meiner Bachelorarbeit, besuche weiterhin Kurse und bin immer noch beim Campus Regensburg e.V. dabei; außerdem natürlich Mädchen für alles bei con_Temporary. Ich finde es besonders spannend, wenn man auch selber was anpacken kann. Auf die Weise habe ich mehr gelernt als in so manchem Praktikum.

LS: Vielen Dank für das Interview!

 

Unter https://www.facebook.com/contemporaryrgb?fref=ts könnt ihr mehr über con_Temporary erfahren.

Wer sich auch für den oben angesprochenen Podcast über das Obermünsterviertel interessiert: https://soundcloud.com/hoergeschehen/6-obermu-nsterviertel

 

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