Kämpfer:innen im Iran: Ein Interview mit einer iranischen Feministin

Kämpfer:innen im Iran: Ein Interview mit einer iranischen Feministin

Im Studienhaus der OTH findet am 11. Januar abends eine mehrstündige Veranstaltung zum Iran statt. Als alle Programmpunkte über die Bühne gegangen sind, unterhält sich eine der Veranstalterinnen* mit uns, der Lautschrift.

Von Julia Huber, Antonia Herzinger & Nadine Hell

Wir unterhalten uns, während sie eine Zigarette raucht. Denn drinnen ist es voll. Veranstalter:innen und Besucher:innen lassen sich in dem Raum auf den ersten Blick nicht unterscheiden; sowieso fällt unser Blick zuerst auf die zahlreichen Bilder an den Wänden. Es sind die Fotos von Menschen, die im Iran verschwunden oder ermordet worden sind. Wo möglich, stehen ihre Namen, ihr Alter und ihre Geschichte dabei. Mona Naghib ist unter ihnen, ein achtjähriges Mädchen. Auf großen Papieren können die Besucher:innen Botschaften an die Protestierenden hinterlassen, es gibt Aufrufe zu Petitionen und satirische Cartoons. Rechts hinter der Bühne ist ein Buffet aufgebaut. Unsere Interviewpartnerin wird uns später berichten, dass sie Ghorme Sabzi angeboten haben, ein persisches Reisgericht. Nach unserem Interview ist es schon aufgegessen.

Also zurück nach draußen, zu unserem Interview. Unsere Interviewpartnerin berichtet von ihrer Heimat Iran, davon, dass sie schon immer politisch und auf der Straße gewesen sei. Schon zu Schulzeiten habe sie sich für geisteswissenschaftliche Themen interessiert, sie sagt: »Ich war irgendwie immer verbunden«. Journalistin werden, das ginge nicht, nicht im Iran, so ihre Eltern. 

In Deutschland ist unsere Interviewpartnerin nun seit einigen Jahren. Noch länger aber ist sie politisch nicht aktiv gewesen. Acht Jahre lang hat sie pausiert – jetzt kann sie nicht mehr Pause machen. Sie hat den Protest ihrer Freundinnen gesehen. Ein Freund von ihr ist gestorben. Weil sie nicht mehr nichts tun konnte, nutzte sie erst Social Media und war dann auch in Regensburg aktiv.

Meine Aufgabe im Interview ist es, mitzuschreiben; die anderen beiden stellen die Fragen. Bei allen dreien von uns wächst die Fassungslosigkeit, die Betroffenheit. Unsere Interviewpartnerin spricht sicher weiter, mit einer inneren Stärke, die angesichts ihrer Geschichte kaum zu glauben ist.

Dann sprechen wir über Deutschland. Es stört sie, wenn Deutsche zu ihr sagen, dass der iranische Protest sowieso ins Leere laufen würde. Das sei auch heute vorgekommen, geäußert wohl von einer Person, die eigentlich als offizielle Vertretung der OTH vor Ort gewesen sei. Aber grundsätzlich, denkt unsere Interviewpartnerin, habe Deutschland ein ganz gutes Verständnis von Diskriminierung. Sie verweist auch auf die deutsche Vergangenheit – man müsse doch wissen, dass ein Ausweg möglich ist. Wie genau sie das meint, erklärt sie nicht. Auf die Frage, ob sie das, was Deutschland tut, positiv bewertet, sagt sie: »Es ist nicht genug, aber positiv.«

Auf politischer Ebene hat sie Kritikpunkte. Sie spricht zum Beispiel die Intransparenz der deutschen Regierung beim Thema iranische Berater an. So sei wohl eine sehr hochrangige Person lange vom Außenministerium zu Rate gezogen worden, wenn es um Iran ging; eine Person, deren unmittelbare Verwandte sich dafür einsetzen, dass Frauen keine Rechte haben. Sein Name ist Adnam Tababai. Wir werden versuchen, weiter zu recherchieren.

Wir fragen, was sie sich von Leuten wie uns wünschen würde: von Studentinnen, Gleichaltrigen. Sie antwortet: »die iranischen Freunde unterstützen«. Das meint sie nicht symbolisch, das meint sie ganz wörtlich. Sie sagt, keine iranische Person in Deutschland habe keine Verwandte, Freund:innen, Bekannte, die verletzt oder tot sind. Und alle seien sie fertig. Sie können nicht mehr. Und dafür, so unsere Interviewpartnerin, herrsche oft kein Verständnis. Sie musste ihren Job aufgeben, weil an ihrem Arbeitsplatz so ein Druck geherrscht hätte, niemand hätte sie unterstützt. 

Trotz all diesem Druck, all dieser psychischen Belastung, organisiert sie die heutige Veranstaltung. »Das braucht schon viel Arbeit«, sagt sie dazu. Wir fragen sie nach den Auswirkungen. Sie antwortet: »Ich denke, das hilft den Iranern im Iran nicht, aber es hilft den Deutschen, uns besser zu verstehen.« Denn durch Social Media hätten die Menschen erstmalig die Möglichkeit, zu sehen, was passiert, aber zehnsekündige Clips zu sehen, führe nicht zu Verständnis, nicht ohne eine Erklärung. Diese Erklärung möchte sie liefern. Sie sieht es als ihre Aufgabe. Und bezieht sich zurück auf ihre lebenslange Affinität zum Journalismus.

Wir hätten noch viele Fragen. Aber neben der Schwere der Thematik hält uns ein anderer Aspekt teilweise vom Fragen ab: Wir wissen, dass es nicht geht, dass wir einige Fragen nicht stellen können. Es darf keine Rückschlüsse auf ihre Person geben. Unsere Interviewpartnerin sagt: »Jeder Akt, den wir hier machen, ist gefährlich.« Wenn sie nach politischem Aktivismus in Deutschland nach Hause fahre, in den Iran, könne sie nicht wissen, ob sie es wieder raus schaffen würde. Deswegen habe sie auch zu ihren Eltern gesagt, dass sie erst wiederkomme, »wenn alles vorbei ist«. Ihren Eltern habe sie übrigens auch nichts von ihren Demos erzählt, um sie dem Horror der Sorge nicht auszusetzen. Wir fragen sie: »Hast du Momente, wo du dich sicher fühlen kannst?« Ohne zu zögern, antwortet sie: »Nein« und ergänzt nach einer Pause: »Nie«. 

Am Ende des Interviews teilt sie noch einige ihrer Auffassungen mit uns. So sagt sie etwa über ihre und unsere Generation: »Wir sind alle fast gleich. Wir möchten alle das Gleiche.«. Damit meint sie, dass die Globalisierung dazu geführt habe, dass tatsächlich alle jungen Frauen zum Beispiel durch TikTok scrollen möchten, die in Iran genauso wie die in den USA oder Deutschland. 

Dieser Artikel bedarf nicht vieler Kommentare. Wenn ich unsere Interviewpartnerin in ihren eigenen Worten wiedergeben kann, ist das mehr als ich in meinen erreichen könnte. Zusammen mit der Broschüre wird das dem Geist der Veranstaltung wohl am ehesten gerecht. Dennoch kann ich nicht umhin, die ganze Zeit über unser Gespräch nachzudenken. Privilegien reflektieren, das sagt sich so leicht und wird mitunter bestimmt auch als Kampfbegriff verwendet. Doch es läuft darauf hinaus: Ich darf singen, ich darf mich frei bewegen, ich darf Journalistin werden, wenn ich das möchte. Einfach so. 

Wenn ich an Leute, die diesen Artikel lesen, appellieren kann, möchte ich sagen: Geht zu diesen Veranstaltungen. Trefft auf die Menschen, hört euch ihre Geschichten an. 

#betheirvoice

*Der Name der Interviewpartnerin darf aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden

Beitragsbild: Alexandru Zdrobău | unsplash

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