Divine Feminine: Ein »neuer« TikTok Trend, der auf uralten misogynen Konstrukten basiert

Divine Feminine: Ein »neuer« TikTok Trend, der auf uralten misogynen Konstrukten basiert

Unter dem Hashtag #DivineFeminine erscheinen auf TikTok und Instagram mehr als eine Milliarde Posts. Das Konzept »Divine  Feminine« schlägt Frauen vor, die eigene feminine Energie zu akzeptieren um die beste Version von sich selbst zu werden und all ihre Ziele zu erreichen. Aber was steckt eigentlich hinter diesem neuen Trend?

Von Eleonore Krisa

Während ich Abends durch meine TikTok Home Page scrolle, werden mir seit einigen Monaten Videos vorgeschlagen, in denen Menschen (meistens Frauen) Tipps geben, wie man die eigene »feminine Energie« wiederherstellen kann. Die meisten dieser Videos erhalten eine Reihe an idealen Verhaltensweisen, die eine Frau anwenden soll, um in ihrer weiblichen Energie zu bleiben. Diese weibliche Energie, wird als »Divine Feminine« bezeichnet. Einerseits sind einige der Tipps im Grunde genommen nicht schlecht: Es wird vorgeschlagen, mehr auf sich Acht zu geben und auf die eigene Intuition zu hören. Andererseits, werden auch Ratschläge gegeben wie »nicht zu maskulin handeln«,»weicher zu sein« um »nicht zu dominant zu wirken«. Ich werde stutzig. 

Anfangs erscheinen die Videos harmlos, wenn man sie allerdings näher und länger betrachtet, merkt man schnell wie grundlegend problematisch sie sind und dass sie lediglich alte Konstrukte und Rollenverteilungen neu verpackt darstellen. Die Annahme dieses Trends ist, dass eine Frau in ihre weibliche Rolle »zurückkehren« oder sie »akzeptieren« sollte. Das setzt voraus, dass Frauen eine von Haus aus zugeteilte Rolle haben, der sie versuchen durch dominantes und »maskulines« Verhalten zu entweichen, was ihnen aber letztendlich nicht zu Gunsten kommt. Viele TikToker:innen argumentieren, dass moderner Feminismus die Frauen zwingen würde, maskulin zu handeln, und dass die »traditionelle« Rolle der Frau verpönt würde. Es scheint, als ob die lange und mühsame Arbeit, die bisher geleistet wurde, um Geschlechterrollen zu dekonstruieren, auf einmal komplett zurückgesetzt wird. Der neue Trend teilt den (binären) Geschlechtern klare Rollen zu: Frauen sollen weich, intuitiv, fürsorglich, warm, empfangend, zurückhaltend und passiv sein um idealerweise den starken, dominanten, versorgenden Mann anzuziehen. Nur so kann eine Frau wirklich glücklich sein.

Die Problematik dieses »neuen« Trends gestaltet sich vielseitig. Geschlechterrollen werden hierbei wieder ganz klar verteilt. Außerdem rückt er die Frau zurück in eine vom Mann gesteuerte Perspektive: Sie kann wahres Glück nur dann erleben, wenn sie einen starken maskulinen Mann findet. In vielen Videos wird auch von einer sogenannten “feminine receiving Era” gesprochen: Die Frau soll empfänglich, und passiv sein, damit sie den Mann in seiner vollen Maskulinität »entgegennehmen« kann. Einige der Videos gestalten sich sogar so simpel, dass ich anfing zu lachen, weil ich dachte sie seien nicht ernst gemeint: Sie schlagen vor, als Frau ruhig und passiv zu bleiben, um Blumen geschenkt zu bekommen. Man kann doch einfach sagen, wenn man Blumen will?

Die extreme Glorifizierung der Weiblichkeit ist nicht nur ein uraltes patriarchalisches Konstrukt, das in den meisten Fällen in einer Übersexualisierung und Objektivierung des weiblichen Körpers mündet. Es impliziert auch, dass Frauen bestimmte Eigenschaften haben müssen, da sie ansonsten Liebe oder Glücks nicht verdient haben oder zumindest selbst schuld sind. Die Linse, mit der die Frau in diesem Trend betrachtet wird, möchte der Male Gaze entsprechen und katapultiert uns zurück in veraltete Geschlechter Konstrukte. Ganz zu schweigen von der extrem heteronormativen und binären Weltanschauung, die dieser Trend beinhaltet. Trans* Menschen und nicht-binäre Personen werden keinesfalls miteinbezogen. 

Besonders erschreckend, fand ich die Tatsache, dass viele junge Frauen diesen Trend wirklich gut finden. Sie zeigen sich begeistert in den Kommentaren, fragen wie sie selbst ihre Weiblichkeit »wiederfinden« können und dass sie keine glückliche Beziehung finden könnten, bis sie nicht diesem Bild entsprechen. 

Natürlich ist es nichts verwerfliches, wenn man Eigenschaften hat, die dem »divine femine« entsprechen. Es ist eine Definitionsfrage. Es gibt nämlich keine Verhaltensweisen, die man an den Tag legen MUSS, egal mit welchem Geschlecht man sich identifiziert. Diese Konstrukte kommen aus einer veralteten, patriarchalischen Gesellschaft, die »Weiblichkeit« dafür herannahm um Frauen systematisch zu unterdrücken und auf »Ihrem Platz« zu behalten.

Beitragsbild: Eyestetix Studio| unsplash

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