»Dieses Jahr ist kein Film ›Füllstoff‹«
Das diesjährige Transit Filmfestival startet an diesem Donnerstag im Ostentorkino. Chrissy Grundl leitet das Festival seit sechs Jahren. Im Interview spricht sie darüber, was hinter dem Motto UNDER PRESSURE steckt – und warum progressive Kultur in der Regensburger Altstadt einen Platz verdient hat.
von Sophia Mayer
Lautschrift: Wer bist du, und seit wann bist du beim Transit Filmfest dabei? Welche Aufgaben übernimmst du dort?
Chrissy Grundl: Ich bin Chrissy Grundl, Medienwissenschaftlerin, Filmvermittlerin und seit 2019 Festivalleiterin des Transit Filmfests. Ich kümmere mich um alles, was mit der inhaltlichen Ausrichtung, Programmstruktur und Kommunikation zu tun hat. Also von der Themenfindung über die Auswahl der Filme bis hin zu Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit. Auch die organisatorischen Fäden laufen bei mir zusammen – von der Finanzierung über Kooperationen bis hin zur praktischen Umsetzung vor Ort.
Ein weiterer großer Teil meiner Arbeit ist die Koordination und Motivation des Teams. Aber das mache ich natürlich alles nicht allein, sondern mit vielen großartigen engagierten Ehrenamtlichen und Studierenden. Im Grunde bin ich die Person, die den Gesamtüberblick behalten muss, am Ende verantwortlich ist und gleichzeitig darauf achten muss, dass die Leidenschaft, mit der das Festival gemacht wird, nicht verloren geht.
Was genau ist das Transit Filmfest – und was macht es besonders?
Transit ist ein ehrenamtlich organisiertes, unabhängiges Filmfestival, das seit aus dem 2009 gegründeten Heimspiel Filmfest entstanden ist und seit über 15 Jahren zeitgenössisches Kino zwischen Arthouse, Avantgarde, Genre und Popkultur zeigt. Der Transit-Fokus liegt auf jungen, mutigen, internationalen Stimmen – auf Filmen, die nicht bloß erzählen, sondern den Zeitgeist spürbar machen. Es geht uns nicht um Glanz und Glamour, sondern um Nähe, Austausch, Augenhöhe – und um das gemeinsame Staunen im Kinosaal.
Regensburg ist ja eher für Geschichte und Tradition bekannt – wie kam es, dass gerade hier ein junges Filmfestival wie das Transit entstanden ist?
Gerade deshalb, wahrscheinlich. Regensburg hat eine unglaublich lebendige, junge Kulturszene – die oft übersehen wird. Transit ist aus einem filmwissenschaftlichen Kontext heraus entstanden, aus dem Bedürfnis, anderen Bildern und Perspektiven
Raum zu geben. Dass daraus über die Jahre ein Festival geworden ist, das heute als feste Größe in der Stadt gilt, zeigt, dass Regensburg eben mehr ist als Steinerne Brücke und Dom – nämlich auch ein Ort, an dem progressive Kultur ihren Platz erkämpft hat.
Du bist schon seit sieben Jahren dabei – was war in dieser Zeit dein schönster Moment?
Es gibt viele – aber am meisten berührt mich immer dieser Moment, wenn das Publikum nach einem Film aus dem Saal kommt und man merkt, da ist gerade etwas passiert ist – sei es irritierte Stille, wildes Geplapper, selige Gesichter, ungläubiges Kopfschütteln, gelöstes Gelächter… und natürlich die Closing Night, wenn wir von uns als Team alle Anspannung abfällt und wir erschöpft und glücklich den Abend
genießen können. Ein besonderer Moment war für uns auch die Kulturförderpreisverleihung 2023. Da hat sich für viele von uns angefühlt, als wäre zum ersten Mal offiziell sichtbar geworden, was wir seit Jahren in unzähligen Stunden aufgebaut haben.
Das diesjährige Thema lautet UNDER PRESSURE – was steckt dahinter?
UNDER PRESSURE ist unser Motto – und unser Zustand. Es beschreibt das, was viele gerade fühlen: gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und auch persönlichen Druck. Aber wir wollten das Thema nicht nur beklagen, sondern es künstlerisch verhandeln – mit Filmen, die zeigen, wie Menschen mit Druck umgehen, ihn verwandeln, manchmal auch an ihm wachsen. Gleichzeitig ist das Motto auch selbstreflexiv: Nach sechzehn Jahren Festivalgeschichte spüren auch wir den Druck – zwischen Professionalisierung und Ehrenamt, zwischen Idealismus und Realität.
Mit UNDER PRESSURE reagieren wir also nicht nur auf die Welt da draußen, sondern auch auf unsere eigene Situation – indem wir das Festival in einem kompakteren, konzentrierteren Format präsentieren.
Welchen Film aus dem aktuellen Programm sollte man deiner Meinung nach
auf keinen Fall verpassen – und warum?
Ganz schwer, aber wenn ich mich festlegen muss: PALLIATIVSTATION von Philipp Döring. Das ist ein leiser, geduldiger Dokumentarfilm über einen Ort, an dem Fürsorge, Nähe und Endlichkeit alltäglich sind. Er zeigt Menschen, die im Angesicht des Todes Leben schenken – ohne Pathos, ohne Angst. Der Film hat eine fast hypnotische Ruhe, die man im Kino selten erlebt – und der Regisseur wird selbst bei uns sein, was die Begegnung noch einmal intensiver macht. Aber ehrlich gesagt: Dieses Jahr ist kein Film »Füllstoff«. Das Programm funktioniert wie ein Mixtape – jede Position erzählt etwas Eigenes, aber alle zusammen ergeben einen emotionalen Bogen.
Titelbild © Stefan Effenhauser
