Wir sind nicht nur das Stadtbild, sondern das Stadtherz

Wir sind nicht nur das Stadtbild, sondern das Stadtherz
Regensburg zeigt am Samstag klare Kante gegen die Aussagen zu Migration von Friedrich Merz und Peter Aumer.

von Anna König und Mia Fritzsche

»Wir haben natürlich immer noch im Stadtbild dieses Problem« sagte Merz am 14. Oktober in Brandenburg, als es um Migrationsfragen und Abschiebungen geht. Wer nicht wisse, was damit gemeint sei, werde von seinen Töchtern eine klare Antwort erhalten, fügte er eine Woche später hinzu. Merz meint damit arbeitslose Migrant:innen ohne Aufenthaltsrecht, die laut ihm den öffentlichen Raum stören. Diese Aussagen sorgen seitdem für Empörung in der Bevölkerung, wie man anhand zahlreicher Demonstrationen in ganz Deutschland erkennen kann.  

Auf politischer Ebene hingegen trifft Merz auch auf Zustimmung. So lud der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Aumer in einem offenen Brief den Bundeskanzler in seinen Wahlkreis nach Regensburg ein. Er wolle zeigen, dass Migration besonders im Bereich des Bahnhofs zu steigender Unsicherheit geführt habe. Doch statt Merz finden sich nun hunderte Menschen in der Nähe des Bahnhofs ein. Denn die Einwohner:innen gehen auf die Straße, um sich gegen diese Aussagen zu positionieren.  

»Wir sind das Stadtbild« heißt es auf den lilafarbenen Plakaten, die in der Stadt zum Demonstrieren aufrufen. Um gemeinsam gegen rassistische Hetze und Spaltung Haltung zu zeigen, versammeln sich knapp 600 Menschen am 01. November auf dem Dachauplatz, unweit vom Hauptbahnhof. Einige hängen sich Lichterketten um, die in die Dämmerung hineinleuchten. Die Demonstration beginnt mit vier Redebeiträgen und zieht anschließend über das Haus der bayrischen Geschichte und den Neupfarrplatz zurück zum Dachauplatz, an dem erneut vier Beiträge folgen. 

Minderheiten als Werkzeuge 

In den Redebeiträgen werden die Aussagen von Merz aufs Schärfste kritisiert.  Die Instrumentalisierung von sexualisierter Gewalt wird anhand des Kommentars der ersten Rednerin, Shanice, klar. Mit bunten kurzen Haaren stellt sie fest: »Menschen, die aussehen wie ich, waren bei dem Töchter Kommentar nicht mitgemeint.« Diese Thematik spricht auch die Rednerin von eben.widerspruch an. Die Angst vor öffentlichem Räumen zu schüren, drängt Frauen und FLINTA aus der Öffentlichkeit und macht sie empfänglicher für häusliche Gewalt, welche über alle Bevölkerungsschichten und Nationalitäten hinweg ein großes Problem ist. 

Frauen und FLINTA sind nicht die einzige Minderheit, die Merz und die CDU für ihren Wahlkampf ausnutzen. Migrant:innen werden als Sündenböcke für gesellschaftliche Probleme benutzt, so sagt es Josh von BIPOC Regensburg. Als billige Arbeitskräfte jedoch seien sie – auch laut den Aussagen von Friedrich Merz selbst – unerlässlich. Man darf die Leute nicht aufteilen in die, die man gut ausbeuten kann und die, die man loswerden will, verlangt Dogan vom IKS. 

Die Beweggründe sind vielfältig  

Die Teilnehmenden nennen verschiedenste Gründe auf die Frage, was sie bewegt, sich hierfür zu versammeln. Ein junger Demonstrant will zeigen, dass er Teil dieses Stadtbildes ist, auch wenn es dem Herrn Merz nicht passe. Ihm ist wichtig, dass jeder als Individuum erkannt und nicht bezüglich der Herkunft oder des Aussehens beurteilt wird.   

»Ich finde es wichtig, dem Missbrauch von feministischen Themen für rassistische Ideologien etwas entgegenzusetzen«, antwortet hingegen eine junge Studentin. Auch eine 50-jährige Grundschullehrerin ärgert sich, dass reale Probleme für Frauen, wie häusliche Gewalt oder fehlende Abtreibungsmöglichkeiten, so wieder in den Hintergrund rücken. In ihrem Job möchte sie dem trotz politischer Neutralität entgegenwirken, indem sie auf Wertevermittlung setzt und schon früh die Achtung vor Mitmenschen, einen respektvollen Umgang und Hilfsbereitschaft fördert.  

Dass endlich mit und nicht über Menschen mit Migrationshintergrund geredet werden muss, nennt eine der letzten Redner:innen als Grund. Als Autorin sieht sie zudem Sprache als mächtige Waffe und zählt dazu auch die Formulierungen von Merz. Am liebsten hätte sie, dass Merz nicht die volle Amtszeit als Bundeskanzler agiert.  

Man müsse abwägen 

Nicht alle erachten die Aussagen von Friedrich Merz als empörend. Ein Passant geht lachend ins Gespräch mit einer Mitdemonstrierenden. Friedrich Merz habe recht, er sei nur der erste, der es laut ausspricht. Die Frauen hätten Angst auf den Straßen. Konkrete Aktionen von der Regierung wünsche er sich aber auch nicht.  

Eine Gruppe Jugendlicher, die zufällig zu der Demo dazugestoßen sind, wägt ihre Meinung zur Regierung ab. Was sie befürworten, ist die Senkung der Kosten der Fahrschule. Es gäbe Vor- und Nachteile, kommentiert einer der Jugendlichen das Verhalten der CDU-Politiker:innen. Rassistische und hetzende Aussagen gehen für sie gar nicht, die Finanzierung der Fahrschulstunden steht für sie jedoch aktuell im Vordergrund, behauptet sein Freund. Nach eigenen Aussagen wissen sie selbst aber nicht ganz genau, worum es bei der Demo und beim Stadtbild-Diskurs geht. 

Werte vermitteln 

Worin sich Mitdemonstrierende und Kritiker:innen jedoch einig sind, ist, dass ein friedlicher Umgang miteinander schon von Grund auf gefördert und erhalten werden muss. In diesem Lichte hat sich Regensburg wieder von seiner bunten, solidarischen Seite gezeigt und ein weiteres Zeichen gegen Hass und Hetze gesetzt. 

Veranstaltet wurde die Demo von den Gruppen und Regensburger Lokalverbänden von Fridays for Future, Greenpeace, Seebrücke, IKS (Internationaler Kultur- und Solidaritätsverein), Initiative gegen Rechts, BIPOC Regensburg, DemokraTEAM, Studis gegen Rechts und dem SDS (Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband), Linksjugend, Grüne Jugend, den Jusos und eben.widerspruch.  


Titelbild©Anna König

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