Zwischen Maß und MacBook – wenn Satire in die Provinz fährt

Zwischen Maß und MacBook – wenn Satire in die Provinz fährt
Martin Sonneborn im Theater Regensburg – eine satirische Nacherzählung eines satirischen Abends

von Anne Nothtroff

Das Theater am Bismarckplatz ist voll. Und das nicht nur mit Erwartung, sondern auch mit Menschen. Matthias Schloderer, kaufmännischer Direktor des Theater Regensburg, begrüßt viele neue Gesichter – ein Ereignis also.

Dann: Martin Sonneborn, Satiriker, Vorsitzender von DIE PARTEI, Titanic-Mitherausgeber, Berufseuropäer und passionierter Apple-User, betritt die Bühne. Zuerst wird das Publikum fotografiert – wahrscheinlich, um es später in einer Berliner Kneipe als »Kleinstadt-Studie« auszustellen. Dann klappt er sein MacBook auf. Das Apple-Logo glänzt ungeniert – mehr dazu später. Sonneborn hat es eilig und deshalb ein straffes Programm, denn er gehe nicht gerne in Kleinstädte. Deshalb wolle er die Sache schnell hinter sich bringen. Eine Faust ins Gesicht für Regensburg, aber das Publikum ist höflich und lacht trotzdem.

Und so präsentiert er eine Auswahl der besten – oder schlimmsten, PARTEI Wahlplakatsprüche. Zwischen »Bienen ausrotten» und »Wer das liest ist dorf.« stellt Sonneborn, auf das Maß neben ihm blickend fest, dass er die bayerische Biergröße unterschätzt hat. Doch keine Sorge im Notfall weiß er wo er Reste loswerden kann. Zum Beispiel bei der SPD, dort könne man sie gegen Parteibücher eintauschen. Es werde viel Bier gebraucht, zieht er über ein Social Media Post, der Kevin Kühnert neben einem Tisch mit alkoholischen Getränken zeigt, her.  Kühnert habe sich also von einem radikalen Juso-Vorsitzenden zu einem Ex-Parteivize mit Biervorrat gewandelt in dessen Partei man Bier gegen Parteibücher eintauschen könne? Ein nahezu bayerischer Tausch, doch leider spielt die SPD in Bayerns Tradition noch nicht mal mehr die Nebenrolle.

»Ja, wir sind populistisch und dazu stehe ich«

Die PARTEI legt kein Wert auf gute Wahlergebnisse und so folgen weitere Plakatperlen: »Wir Bier Bayern« und spätestens bei »Schnitzeltagen in KITAS« dürfte Markus Söder sich in seiner Wurstpolitik bestätigt fühlen. Ja die PARTEI ist eben populistisch aber man stehe dazu, zieht Sonneborn eine trockene Zwischenbilanz. Es geht weiter mit Seitenhieben auf die Polizei als »bewaffnete Gangs« und dem berüchtigtem »Feminismus ihr Fotzen«-Plakat. Für das Aufhängen von diesem Wahlplakat kassierten Regensburger PARTEI-Mitglieder:innen im Jahr 2021 eine Hausdurchsuchung und ein Strafbefehl. Staatlich geprüfte Satire also, so schlecht kann’s dann ja wohl nicht sein. Ein anderes Plakat, mit GPS-Tracker ausgestattet, wurde später in der CDU-Parteizentrale lokalisiert – schließlich muss man wissen, wo der Feind ist.

Sonneborn schließt den ersten Teil mit einem (ausnahmsweise) geklauten Witz von einer Anti-Kriegs-Demo in Berlin, »früher wurde man wenigstens noch gefragt, ob man den totalen Krieg wolle«. Die Zeiten ändern sich.

Zweiter Teil: Die Fürstin flüchtet das Maß bleibt

Kurz vor Beginn der zweiten Hälfte: Gloria von Thurn und Taxis, Regensburgs Lieblingsfürstin (aus Gründen, die allgemein bekannt sind), hat zu diesem Zeitpunkt den Theatersaal bereits verlassen. Vermutlich wegen des Plakats mit dem F-Wort. Oder weil kein Dom vorkam. Noch bevor Sonneborn wieder die Bühne betritt raunt es durchs Publikum: »Der hod aba no ned viel vo seim Bier gschafft«. Und tatsächlich steht noch ein dreiviertel volles Maß auf dem Rednerpult. Tja Herr Sonneborn hier in Bayern trinken wir wirklich. Über den Biervorrat von Kevin Kühnert möchte ich mir dagegen kein Urteil erlauben.

Martin Sonneborn © Sylvain Guillot

Sonnerborn erzählt von seinem Job im EU-Parlament. Seit 2014 ist er dort. Aus der letzten Reihe des Plenarsaals kritisiert er die Parteienfinanzierung (er kenne sich ja aus), kämpft für Transparenz (auch bei Günther Oettinger) und ärgert dicke, alte, weiße Männer. Er nennt von der Leyen die »unseriöseste Vertreterin der EU« und das müsse man ihm erst mal nachmachen. Sein Vertrauen in ihr Kabinett sei grenzenlos – so grenzenlos wie die Unklarheit über deren Kompetenzen. Die Rede dazu hielt er am 16. Juli 2019 um 10:43 Uhr. Eine ungewöhnliche Uhrzeit für Sonneborn. Normalerweise sei er nicht vor 11 Uhr im EU-Parlament anzutreffen. Seit den Anschlägen in der Brüsseler U-Bahn, die um 9 Uhr stattfanden, verlasse er aus Sicherheitsgründen erst später das Haus.

Ein Glück, die EU ist gerettet

Am Ende öffnet Sonneborn den Raum für Publikumsfragen. Eine Stimme fragt, ob es sein kann, dass Politiker:innen zu wenig verdienen, weil jetzt ja alle Satire machen? Laut Sonneborn muss man sich keine Sorgen machen. Satire bleibt unterfinanziert und er sei nur wegen der steuerfreien Kilometerpauschale hier. Jetzt wo der Staat Bunker bauen will, müsse man sich um die normalen Bürger mehr Sorgen machen. In Regensburg brauchen wir das ja zum Glück nicht, die Uni taugts dafür auch.

Dann: Ob er bemerkt habe, dass Fürstin Gloria von Thurn und Taxis anwesend war? Sonneborn: »Mit Adel habe ich sonst wenig zu tun.« Er wirkt so, als könnte er mit dem Namen nichts wirklich anfangen. Ein scheinbares Kompliment mit einem ironischen Twist: Wie später vom Theater Regensburg bestätigt wird, war es Sonneborn selbst, der Gloria auf die Gästeliste gesetzt hat. Ob aus Höflichkeit oder als soziales Experiment, bleibt unklar. Vielleicht wollte er nur mal testen, ob sie bei »Feminismus ihr Fotzen« sitzen bleibt. Spoiler: ist sie nicht.

Zum Schluss kehrt Sonneborn zurück zu seinem Apple MacBook, von dem aus er erklärt, Irland müsse aus der EU fliegen – wegen der steuerlichen Sonderbehandlung von Apple. Dass er selbst auf einem Apple-Produkt vorträgt, stört ihn nicht. Moral ist schön, aber Doppelmoral ist besser – vor allem mit Retina-Display.

Fazit: Viel Personenkult. Viel Ironie. Auch viel Wahres. Manchmal lacht man manchmal schüttelt man den Kopf und am Ende fragt man sich: »Wo ist nur die RAF, wenn man sie mal braucht«.

Nur gut, dass niemand das laut sagt. Außer Sonneborn vielleicht. Und wenn, dann nur ironisch. Hoffentlich.


Das Regensburger Theaterpublikum kann sich auch einen weiteren politischen Theaterabend freuen: Am 30. Oktober kommt Maria Aljochina von Pussy Riot für eine Lesung ins Theater Regensburg. Weitere Informationen und Tickets gibt es hier: https://www.theaterregensburg.de/produktionen/pussy-riot.html

Titelbild © Theater Regensburg

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