»Und wo bleibe ich?!« – Vortrag zur Rolle des Mannes im Gleichstellungsprozess

»Und wo bleibe ich?!« – Vortrag zur Rolle des Mannes im Gleichstellungsprozess
Der moderne Mann und was er tun kann, um im feministischen Diskurs Fuß zu fassen, stand im Zentrum eines Vortrags von Robert Franken am 8. Juli an der Uni Regensburg. Franken ist Gründer der »Male Feminists Europe« und sprach über Geschlechtergerechtigkeit, Identitätsverlust, Privilegien und Nachteile des Patriarchats für Männer.

von Amelie Steinwagner 

Als die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Regensburg, Prof. Dr. Astrid Ensslin, mit ihrer kurzen Einführung des anstehenden Vortrags beginnt, wird schnell klar, dass die provokante Betitelung beabsichtigt ist. »Immer nur Frauenförderung. Und wo bleibe ich?! Männliche Perspektiven« ist die zweite und vorerst letzte Veranstaltung der Vortragsreihe »Male Allies: Mit Männern zur Gleichstellung«, nach ihrem Auftakt am 24. Juni. Das Projekt wurde durch die Koordinationsstelle Chancengleichheit ins Leben gerufen, der Vortragende ist der Gründer der »Male Feminists Europe«, Robert Franken. 

Warum ein so provokanter Slogan? 

Das Framing der Veranstaltungsreihe wurde lange diskutiert. Laut Ensslin habe sich stets die Frage gestellt, welche Menschen man mit diesem Format ansprechen wolle und wie. Es sei wünschenswert gewesen, bei so vielen Gruppen wie möglich Interesse zu wecken. Durch eine wachsende Präsenz in den sozialen Medien, u.a. mit Kurzinterviews auf Instagram, seien verschiedene Statusgruppen der Universität Regensburg gezeigt und befragt worden, sodass ein breites Spektrum abgedeckt und repräsentiert werden könne. 

Die Rolle von Männern in der Gleichstellungsarbeit werde kontrovers diskutiert und spielte ohne Zweifel eine große Rolle, denn ohne die Beteiligung aller sei eine gesellschaftliche Veränderung unmöglich, meint Ensslin. Ihr Rat: Es sei wichtig, zuzuhören und andere Perspektiven zu betrachten, sich aktiv und reflektiert mit misogynen Problematiken auseinanderzusetzen. 

Innerhalb des Vortrags stellt sich nun eine Frage: Wie können sich Männer produktiv an einer solchen Diskussion beteiligen, ohne anderen nicht-männlichen Teilnehmer:innen auf die Füße zu treten? Robert Franken versucht sich an einer Antwort. Er ist Pro-Feminist und Unternehmensberater und engagiert sich ehrenamtlich in der von ihm mitbegründeten Botschaft »HeforShe«. Innerhalb seiner Tätigkeit analysiert er Organisationskulturen und unterstützt Unternehmen bei einer geschlechtergerechten Transformation. 

Die Problematik »Gleichstellung«

Franken postuliert gleich zu Beginn: »Ich glaube, wir brauchen noch viel mehr solcher Räume.« Der Vortragstitel diene hier als Aufhänger, denn er sei eine Beobachtung der Aussagen, die Männer in Bezug auf Gleichstellungsthemen häufig treffen. Diese Beiträge seien selten konstruktiv. Männer litten unter dem Gefühl, etwas weggenommen zu bekommen, wenn andere gesellschaftliche Gruppen Gleichstellung einforderten. Laut Franken sei es gerade dann wichtig, einen Schritt zurück zu tun und über die eigenen Aussagen nachzudenken. Dort beginne der erste Schritt in Richtung der Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit. 

Hier greife das Konzept des DEIB – Diversity, Equity, Inclusion und Belonging – eine Idee, nach der sich alle Menschen in einem (Arbeits-) Umfeld wohl fühlen sollten, unabhängig von ihren individuellen Unterschieden. Der Aspekt Belonging spiele laut Franken eine herausragende Rolle, die Schaffung von gesellschaftlicher Zugehörigkeit für Frauen, aber auch Männer. 

»Zu« privilegiert

Problematisch sei jedoch, dass Gerechtigkeit in diesem Falle ein Verlust männlicher Privilegien bedeute. Hyperprivilegierte Menschen verstünden nicht, dass sie sich in privilegierten Systemen bewegen, denn dieser Zustand bedeute für sie Normalität. Solche übermäßigen, strukturell verankerten Vorteile verringerten sich für Männer in einem gerechten System, wodurch sich ein Unwille entwickle, sich in solche Diskussionsräume einzubringen. Die Benennung dieser Privilegien könne jedoch niemals eine Beleidigung sein, sondern vielmehr eine Erklärung für strukturelle Diskrepanzen. 

Mit dem fehlenden Bewusstsein der eigenen gesellschaftlichen Vorteile entstehe auch ein Gefühl von Scham bei Männern, die sich nicht aktiv misogyn verhielten. Diese kollektive Scham ist jedoch etwas, was ausgehalten werden müsse. Es entstehe ein Klassendenken zwischen »guten« und »bösen« Männern, doch hier stelle sich die Frage, wer Deutungshoheit darüber habe, wer Teil des Problems sei.

Wenn Männer nicht aushielten, dass sie potenziell Teil des Problems seien, könnten sie auch nicht Teil der Lösung werden. Es sei nötig, aus dem Abgrenzungs-Reflex auszusteigen und Kritik an ihrem Verhalten als konstruktiven Beitrag zu verstehen, anstatt darauf zu beharren, einer von den »guten« Männern zu sein, so Franken. Verantwortung für das Handeln anderer zu übernehmen sei ausschlaggebend. Theoretisch gelte man als Mann für Frauen als Bedrohung, unabhängig davon, ob man(n) wirklich eine Bedrohung darstelle.

Identitätsverlust

Männer und Frauen würden in unterschiedlicher Ausprägung von patriarchalen Strukturen beeinträchtigt. Während Männer gegeneinander in den Wettbewerb geschickt würden, sei eine Frau ständig akut von allen Seiten bedroht. Oftmals mischten sich diese Missstände mit rassistischen und kapitalistischen Denkweisen und zögen sich in enge, diskriminierende Netze zusammen. Rechte Narrative setzten sich in solchen zerklüfteten Strukturen leicht fest, Gegenentwürfe fehlten. Jedoch: Patriarchale Rahmenbedingungen verschlechterten die Verhältnisse auch langfristig für Männer, selbst wenn sie eigentlich als einzige Gruppe davon profitieren sollten.

Diese Erkenntnis eröffne die Chance, aus der systemischen Denke auszusteigen und sich mit anderen Menschen zu vernetzen und dagegen zu engagieren. Leider sei diese Vorgehensweise nicht wettbewerbsfähig im Vergleich zu rechter Propaganda, sodass sich wenige Männer dafür interessierten. Traditionelle »Männlichkeit« ist immer mehr ein Schimpfwort, jedoch ginge durch die Aberkennung dieser die männliche Identität verloren.

Einher damit gehe männlicher Status- und Machtverlust, etwas, gegen das eine Abwehrhaltung kultiviert werde, weil man keine Alternative habe, an der man sich orientieren könne. Entscheide man sich für die Auseinandersetzung mit pro-feministischen Ideen, solle man dieses Allyship allerdings nicht als Ersatz-Label verstehen, mit dem das eigene Privileg erweitert oder erhalten werde. Vielmehr solle es als Lernraum dienen. 

Baustelle Arbeitswelt

All das übersetze sich auch in Unternehmen. Männer seien dort zwar verbal aufgeschlossen, wollten ihr Verhalten aber nicht ändern. Franken meint, Frauen seien nicht unterrepräsentiert, sondern würden strukturell ausgeschlossen. Angeblich bögen sie in ihren Karrieren falsch ab, bevor sie in Führungspositionen gelangen, jedoch hätten viele dieser Entscheidungen etwas mit der Organisationsstruktur in Unternehmen zu tun, die von Männern für Männern geschaffen sei. Der Affinity Bias sei die größte Hürde. Man neige dazu, Menschen, die einem ähnlich sind zu bevorzugen. In diesem Fall stellten Männer eher andere Männer ein, oder wählten Männer als Nachfolger in Führungspositionen.

Das führe zu homosozialer Reproduktion und begünstige die Entstehung von Monokulturen. Gleichzeitig nutzten Frauen bestimmte Karriereoptionen nicht, weil sie sich selbst von vornherein ausschließen. Beispielsweise übernähmen sie tendenziell mehr Care-Arbeit und hätten somit weniger Kapazitäten. Die Struktur vieler Unternehmen sei also auf Männer ausgelegt, die im Schnitt weniger solcher Aufgaben übernehmen und somit einen anderen täglichen Zeitplan hätten. Frauen werde dadurch jedoch der Aufstieg erschwert. 

Was kann man(n) tun?

Robert Franken betont gegen Ende erneut die Bedeutung der Reflexion seiner eigenen Meinungsbilder und Handlungsweisen. Es sei wichtig, sich stets zwei Fragen zu stellen: Wer hat Einfluss auf mich? Wie ist meine Bubble aufgebaut? Die stetige Selbstkontrolle erleichtere es, sich ebenso besser kennenzulernen und darauf folgende Sensibilisierung zu starten. Es gebe allerdings keine finalen Lösung, oder den einen Weg, der Erfolg verspreche. Eigenständige Betrachtung und Hinterfragung seien der erste Schritt, an einem solchen gesellschaftlichen Dialog sinnvoll teilzunehmen. 


Titelbild © Amelie Steinwagner 

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