Von Tropfen und Tiefe

Ein Text über Tropfen im Ozean, die zwischen Tiefe und Oberfläche treiben – getragen vom Wunsch, einmal gesehen zu werden.
Von Sophie Stigler
Es gibt ein inneres Verlangen, ein Streben, das sich kaum benennen lässt. Ein Drängen, wahrgenommen zu werden, herauszutreten aus dem Lautlosen. Ein Vergleich entsteht, fast unwillkürlich: andere, die höher treiben, heller scheinen, unaufhörlich Wellen schlagen. Dagegen wirkt das Eigene klein, stumm, unsichtbar.
Manchmal scheint es, als ruhe ein Tropfen in jener tiefen Schicht, die kein Licht mehr erreicht.
Dort, wo Bewegung kaum spürbar ist, wo jeder Versuch, an die Oberfläche zu gelangen, von der Tiefe erdrückt wird.
Weiter oben heben sich andere an, getragen von Strömungen, die sie mühelos ins Glitzern des Sonnenlichtes ziehen. Ihre Formen zeichnen Muster, die selbst das Ufer erreichen. Eindruck hinterlassen.
Und während das Wasser rundum tanzt, bleibt nur ein leises Vibrieren, das nicht stark genug ist, um in Schwingung zu geraten. Man spürt das innerliche Drängen nach oben, das unsichtbare Ziehen, die Sehnsucht – als müsse es doch gelingen, sich aus der Tiefe zu lösen. Doch der Grund hält fest, sanft und doch unnachgiebig.
Von unten beobachtet man, wie Wellen entstehen, wie sie einander überholen, wie sie aufsteigen, ohne sich je zu hinterfragen. Manche Tropfen werden von ihrer Bewegung mitgerissen und für einen Augenblick werden sie mehr als Wasser. Hat die Chance vom Sonnenlicht entdeckt zu werden.
Und dann kehrt er zurück und verliert sich wieder in der Masse.
Es gibt Augenblicke, da möchte man glauben, dass auch in der Tiefe Bedeutung wohnt.
Dass ein Tropfen nicht weniger trägt, wenn er kein Licht einfängt. Doch sobald die Wellen die Blicke fangen, erscheint alles darunter farblos und einsam.
Und so regt sich ein leises Beben – wie eine Strömung, die nicht zur Ruhe findet. Ein unbestimmtes Fragen, ob das Eigene je ans Ufer gespült wird, sichtbar, unüberhörbar.
Ob es reicht in der Tiefe zu verweilen, während alle Wellen werden.
Titelbild: © Sophie Stigler
Studentin der Politikwissenschaft, Vergl. Kulturwissenschaft und Kollektivwissenschaft