Im Strom schwimmen

Wasser ist überall, in uns und um uns. Aber so richtig nachdenken über Wasser, das machen nur die Wenigsten, ist ja nichts Besonderes oder? Warum Wasser doch eine faszinierende Ressource ist, auf die wir achten sollten, zeigen zwei Gruppen des Community Theaters vom Jungen Theater Regensburg.
von Milena Brey
Die Aufführung »Über Wasser« ist in zwei Teile geteilt: Zwei Gruppen des Community Theaters Regensburg zeigen in jeweils 45 Minuten zwei komplett unterschiedliche Stücke über das Wasser. In der ersten Hälfte tauchen wir in tiefe dunkle Gewässer (in denen auch mal neonfarbene Fische vorbeihuschen), treffen Meeresgötter und literarische Figuren, die im Wasser ihr Ende gefunden haben. Bevor das alles passieren konnte, musste das Wasser aber erstmal auftauchen. Und woher kam das Wasser? Es entstand beim Urknall und hat sich seitdem auch nicht viel verändert. Wenn das Wasser noch dasselbe wie damals ist, baden wir dann im selben Wasser wie die Dinosaurier?
»Wasser zeigt mir, wie klein und zerbrechlich ich eigentlich bin.«
Dass Wasser für uns so zentral ist, merkt man auch, wenn man ein Blick auf die Kunst wirft: Schließlich hat Shakespeares Figur Ophelia ihr Ende im Wasser gefunden, woraufhin das berühmte Bild von John Everett Millais von ihrem Tod entstanden ist. Es wird außerdem erforscht, wie viele 1000 Tonnen Wasser in Gewitterwolken eigentlich über unseren Köpfen hängen, wie magisch Wasser im Mondschein am Strand sein kann, welche faszinierenden Tiere im Wasser leben, die leider aufgrund von Wasserverschmutzung immer mehr bedroht werden. Die Gefahr des Wassers wird auch beleuchtet: Kurz folgen wir einer Truppe an Matrosen, die in den Malstrom geraten. Zusammen mit allen Meerestieren besuchen wir letztendlich noch eine Party der glitzernden Meeresgöttin Aquaria mit neonleuchtenden Fischen und Quallen, die im schimmernd blauen Licht tanzen.

»Wasser macht mich demütig, Wasser erdet mich.«
Das Besondere am Community Theater ist: Auf dieser Bühne darf sich jeder beteiligen, egal ob mit oder ohne Schauspielerfahrung, egal ob klein oder groß, egal ob mit Beeinträchtigung oder ohne. Die kleinen und großen Schauspieler:innen setzen die Inszenierung von Oda Zuschneid wunderbar um. Die Kostüme erinnern daran, wenn Sonne auf der Wasseroberfläche glitzert und werden durch zauberhaftes Licht unterstützt. Das Stück wird von einer musikalischen Einlage der Schauspieler:innen selbst begleitet: Zwei Mädchen setzen sich ans Klavier und singen in die zauberhafte Atmosphäre des Wassers hinein. Wie magisch Wasser sein kann, wird geschickt durch Choreografien dargestellt. Die Darsteller:innen schwimmen dabei selbst im Wasser, werden zu Fischen und dann wieder zu etwas unbestimmbarem, Nassem, vielleicht dem Wasser selbst.
Zähne mit Steinen putzen?
Während das Publikum im ersten Teil von Fakten übers Wasser nur so überflutet wurde, ist das Wasser im zweiten Teil auf einmal weg, ob verdunstet, verdampft oder versickert, das weiß niemand. Wir befinden uns auf einem Schiff, der Futur 2, an Bord eine Crew an Forschern. Eine Crew, die sich mit Sand abreiben muss, statt zu duschen und ihre Zähne mit Steinen putzt. Seit Ewigkeiten stecken sie im Sand fest, aber halten Kurs – das hat bis jetzt immer geholfen. Schon bald wird klar, dass es hier um viel mehr geht als nur ein paar gestrandete Seefrauen und -männer. Denn an Bord ist auch eine Taube, die mit moralischen Einwürfen die starren Einstellungen der Crew verunsichert. Unangenehme Fakten über Wasserverschmutzung und wie kostbar und gering das Wasser doch ist, schallen immer wieder über den Köpfen der Matrosen hinweg. Außer einem Mitglied der Crew, Polo (Jay Dendorfer), kümmert sich niemand um die Taube, schließlich nervt sie mit ihren deprimierenden Wahrheiten. » Ignorier sie einfach … « oder » Ich hör schon gar nicht mehr hin … «, sind irgendwann die Reaktionen auf die versteckten Warnungen der Taube. Dann verlässt auf einmal die Crew den starren Raum der Bühne und setzt sich in die Reihen des Publikums, sie drehen sich zu den Zuschauenden, mit denen sie jetzt auf Augenebene sitzen und fragen eine gefährliche Frage: Und, was willst du später mal machen? Was als harmloser Conversation-Starter anfängt, wird bald bedrohlich, fast schrill: Bis die lauten Fragen vom Kapitän (Mascha Quast) unterbrochen werden. Denn die Frage macht Angst: Etwas jetzt entscheiden, was dann das ganze Leben bestimmt? Nein, danke! Zurück an Bord, geht alles weiter wie gehabt, bis plötzlich eine nasse Person im Sand auftaucht. Kurzerhand wird Kirk (Lea Geier, Inga Lanz) gerettet und es gibt Hoffnung. Doch schon bald wird klar: Hoffnung allein bringt nichts, es müssen auch Taten geschehen. Aber die Crew sträubt sich: es hat schließlich auch etwas Gutes nichts ändern zu müssen und im Strom zu schwimmen. Langsam merken die Crewmitglieder jedoch, dass es so nicht weitergehen kann und die Veränderung beginnt: Plötzlich werden Aufgaben neu verteilt, und der Kurs geändert. Anstatt ihrer tristen Seemannskleidung stehen die Crewmitglieder auf einmal in bunten Privatklamotten auf dem Schiff. Doch was den Kapitän am meisten schockiert: Sie haben einfach den Kurs geändert?! Und siehe da – auf einmal verspüren sie etwas lang Vermisstes: Regen!

Gegen den Strom schwimmen?
Auch in der zweiten Hälfte der Veranstaltung wird mit wenigen Mitteln Großes geschaffen. Das Schiff wird geschickt angedeutet, als Requisiten reichen Regenschirme und eine Taube. Trotzdem stehen die Schauspieler:innen nach den 45 Minuten vor einem zutiefst gerührten und mitgerissenen Publikum. Das anfangs starre Denken der Crewmitglieder:innen spiegelt sich nicht nur in ihren wiederholenden Aussagen und Aufgaben wider, sondern auch in ihrer einheitlichen, in ihren Beige und weiß schlicht gehaltenen Kostümen. Mit bunter Kleidung am Körper und neuen Aufgaben kehrt Lebendigkeit in die Charaktere zurück, die dem Zuschauer zeigt: Veränderung ist zwar manchmal unangenehm, aber unverzichtbar!
Theater für alle!
Das Community Theater ist eine Sparte des Theater Regensburg, dass für alle offen steht: Jede:r, der will, darf sich künstlerisch einbringen. Ob auf der Bühne oder hinter der Bühne, hier darf man auch ohne Erfahrung in die Welt der Theaterarbeit schnuppern. Und dabei entsteht etwas ganz Besonderes.
Die Vorstellung wurde mit Pressetickets besucht.
Informationen zu weiteren Veranstaltungen des Theater Regensburg: Theater Regensburg – Home
Beitragsbild: Ensemble © Tom Neumeier Leather