»Drecksarbeit«

»Drecksarbeit«
»Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle« –  mit diesem Satz provoziert  Friedrich Merz und verkennt zugleich die Realität eines Konflikts, der immer mehr Zivilist:innen das Leben kostet. Die umstrittene Aussage wirft Fragen nach Verantwortung, Völkerrecht und politischer Haltung auf.

von Sophie Stigler

Am Rande des G7-Gipfels in Kanada wurde Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in einem ZDF-Interview gefragt, ob es nicht verlockend sei, dass Israel die  »Drecksarbeit«  im Iran übernehme. Merz griff diesen Begriff auf: »Frau Zimmermann, ich bin Ihnen dankbar für den Begriff ›Drecksarbeit‹. Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle.«

Zustimmung und Lob aus Israel

Israels Botschafter Ron Prosor erklärte, Merz habe mit seiner Wortwahl die sicherheitspolitische Wirklichkeit treffend beschrieben. Er hob hervor, dass Israel mit seinen Angriffen auf das iranische Atomprogramm Europa tatsächlich schütze.

Präsident Isaac Herzog bezeichnete Merz‘ Aussage als wertvolle Ehrlichkeit und würdigte die Rolle Israels bei der Wahrung europäischer und nordamerikanischer Sicherheit.

Kritik in Deutschland

Merz‘ Äußerung stieß jedoch in Deutschland auf erhebliche Skepsis:

  1. Die SPD rügt die Wortwahl als unangebracht und nicht zielführend im Hinblick auf Deeskalation
  2. Grüne, Linke und weitere Oppositionspolitiker:innen kritisieren das Zitat als zynisch und fern des Völkerrechts. Linken-Chef Sören Pellmann kommentierte: »Dass Kanzler Merz jetzt das Völkerrecht über Bord wirft […] ist ein Skandal.«
  3. Deutsche Medien, darunter die Augsburger Allgemeine, berichteten, dass Merz seine Aussage wiederholt verteidigte und den Mut Israels, »den Preis zu zahlen« lobte.

Die untergegangene Seite: Zivile Opfer im Iran

Die von Merz und anderen Spitzenpolitikern:innen befürworteten Militärschläge gegen iranische Ziele sind aus sicherheitspolitischer Sicht umstritten. Sie zielen darauf ab, das iranische Atomprogramm zu stoppen, bergen jedoch ein hohes Risiko für die Bevölkerung vor Ort:

  1. Schwere zivile Verluste – Die israelischen Angriffe auf iranische Militär- und Atomanlagen seit dem 13. Juni führten zu über 650 Toten, darunter 263 Zivilist:innen sowie mehr als 2000 Verletzte.
  2. Einordnung durch Hilfsorganisationen – Die Human Rights Activists News Agency führt inzwischen 639 Tote auf israelische Angriffe zurück. Darunter befinden sich viele Zivilist:innen. Berichte aus den vergangenen Jahren dokumentieren mehrere Vorfälle, bei denen Menschen durch Angriffe ziviler Ziele wie Wohnhäuser, Marktplätze oder Infrastruktureinrichtungen irrtümlich getroffen und getötet wurden.
  3. Warnung durch UN & die internationale Gemeinschaft – Die UN mahnt ebenso zur Deeskalation: Es bestehe das Risiko, dass durch die Intensität der aktuellen Attacken auch zivile Infrastruktur getroffen werde, was zusätzliches Leid unter der Bevölkerung verursache.  Zudem wird die prekäre Lage der Zivilbevölkerung im Iran durch Internetblockaden verschärft, da sie wichtige Informationen und Warnungen nicht erreichen.

Israels »geleistete Drecksarbeit« steht somit im Kontrast zur humanitären Realität vor Ort. 

Eben solche Einsätze prägen nicht nur internationale Debatten, indem sie politische und diplomatische Reaktionen hervorrufen, sondern verstärken auch bestehende Ressentiments und Misstrauen in der Region. Dadurch kann sich der Kreislauf von Gewalt und Instabilität weiter festigen.

Merz griff die provokante Formulierung absichtlich auf – »Drecksarbeit« stehe symbolisch für militärische Präventivschläge, die Israel auch im Interesse westlicher Staaten durchführe. 

Zwar fanden seine Worte in Israel Zustimmung, jedoch verstärken sie in Deutschland die Debatte über die Verwendung ethnisch aufgeladener Sprachbilder, die Grenzen des Völkerrechts und die politische Verantwortung des Westens.


Titelbild © Olivia Rabe

Quellen

https://www.zdfheute.de/politik/g7-gipfel-merz-100.html

https://www.bild.de/politik/inland/talk-bei-maybrit-illner-laschet-formuliert-entscheidende-frage-im-nahost-krieg-6854a3995cc1ca15643e2b1a

https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/nach-drecksarbeit-aussage-kanzler-merz-erntet-harte-kritik-109697613

https://www.welt.de/politik/deutschland/article256274562/kritik-an-drecksarbeit-zitat-israels-botschafter-nimmt-merz-in-schutz.html

https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_100782044/-drecksarbeit-kritik-an-merz-zitat-zu-iran.html

https://apnews.com/article/iran-internet-blackout-israel-war-6aa315eff871579f8bfc220ce3930e5f

https://www.indiatimes.com/news/israeliran-conflict-enters-second-week-as-civilian-toll-rises-missile-strikes-escalate-and-global-diplomacy-urges-restraint-661606.html

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Studentin der Politikwissenschaft, Vergl. Kulturwissenschaft und Kollektivwissenschaft

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