Weiblich. Politisch. Angegriffen.

Weiblich. Politisch. Angegriffen.
»Fuck you, Greta!« steht in dicken Buchstaben über dem Auspuff eines Autos. Gemeint wird hier Greta Thunberg, eine der bekanntesten Aktivistinnen unserer Zeit. Hier stellt sich die Frage: Warum provoziert eine junge Frau mit einer klaren Botschaft so viel Hass?

Von Paula Dowrtiel

In Zeiten von Klimawandel, Kriegen, Diskriminierung und Rechtsruck spielt Aktivismus eine immer größere und wichtigere Rolle im Leben vieler Menschen. Doch egal ob Klimaschutz, Menschen- oder Frauenrechte – wer sich öffentlich positioniert, wird auch öffentlich kommentiert. Ein genauer Blick zeigt hier: Vor allem weibliche Aktivistinnen werden online beleidigt und angefeindet. Ihre Botschaften werden nicht nur politisch, sondern auch persönlich und sexistisch angegriffen. Eines der prägnantesten Beispiele für frauenfeindlichen Hass im Internet ist Greta Thunberg. Ihre Forderungen und ihr Aktivismus rufen Kritik hervor – doch die Angriffe, welchen sie ausgesetzt ist, richten sich weit über den politischen Diskurs hinaus.

Greta must work on her anger management problem – Donald Trump

Im Jahr 2018 begann Greta ihren Schulstreik für das Klima und innerhalb kürzester Zeit wurde sie zu einer Ikone für die einen und zu einer Hassfigur für die anderen. Mit gerade einmal fünfzehn Jahren erfuhr die junge Aktivistin ungefilterten Sexismus sowie Ableismus durch das Internet. Täglich werden Kommentare wie folgende gepostet: »Dass die Regierung nicht auf eine instrumentalisierte Asperger Autistin mit Zwangsstörungen und Mutismus hört, ist auch richtig« oder »Liebe Greta, ich habe da einen Vorschlag, wie man CO₂ einspart. Hör einfach auf zu atmen.« Derartige Attacken sind keine politischen Argumente, sondern vielmehr Ausdruck eines strukturellen Sexismus, der Frauen im öffentlichen Raum systematisch abwertet. Hier geht es aber nicht darum, ihre Stimme zu widerlegen, sondern sie zu entmenschlichen. Es geht um Delegitimation.

95 Prozent der Hasskommentare stammen von Männern – Luisa Neubauer

Doch Greta Thunberg ist kein Einzelfall – im Gegenteil. In einem Interview mit dem Focus erzählt Luisa Neubauer, dass fast alle Anfeindungen gegen ihre Person von Männern ausgehen. Auch ein Blick in die Kommentare ihrer Social-Media-Kanäle zeigt Vergewaltigungsfantasien, neben Beleidigungen und Morddrohungen. »Ja, würde ich sofort ficken, auch wenn ich mir danach stundenlang das Klima-Zeug anhören müsste«, schreibt beispielsweise ein Mann.

Aktivistinnen wie Tara-Louise Wittwer, die sich gegen Alltagssexismus einsetzen, berichten auch von sexualisierten Gewaltfantasien und digitalen Shitstorms – weil sie sich öffentlich aussprechen. Im Deep und deutlich Talk berichtet Tara von einer Audio, in welcher ein junger Teenager sie als »hässliche Fotze« beleidigte. Auch Enissa Amani zeigt, welche Ausmaße öffentliche Anfeindungen in den Kommentaren ihrer Beiträge, aber auch in ihren DMs annehmen können: »Kleine Ausländerin. Nur beschränkten Stuss von dir geben und nicht mehr als eine Wichsvorlage sein.« Aber trifft der Hass Frauen härter als Männer, und wenn ja, warum?

Sie wollten, dass ich die Schnauze halte – Tara Louise Wittwer

Eine Studie der Technischen Universität München (TUM) und der Organisation Hate Aid zeigte auf, dass politisch engagierte Frauen deutlich häufiger angefeindet wurden als Männer (63 Prozent zu 47 Prozent). Ebenfalls auffällig: Die Hasskommentare waren sexualisierter und frauenfeindlich.

Die Ursache für dieses Ungleichgewicht liegt im System. Sobald Frauen laut, sichtbar und politisch sind, stören sie das Bild der traditionellen Geschlechterrollen, der patriarchalen Strukturen. Dies wirkt auf viele Männer einschüchternd und bedrohlich. Es entsteht die Angst vor dem Verlust der eigenen Identität sowie Rolle in der Gesellschaft. Aber weiblicher Aktivismus widerspricht nicht nur Rollenbildern, sondern richtet sich häufig gegen gesellschaftliche Machtstrukturen, welche von Männern dominiert werden. Aktivismus wird hierbei nicht mehr als politisches Engagement wahrgenommen, sondern vielmehr als Grenzüberschreitung. Hasskommentare zielen deswegen häufig darauf ab, Aktivistinnen zu delegitimieren. Sie werden sexualisiert, aber nicht um sie zu begehren, sondern um sie zu entwürdigen. Weiterhin werden politische Frauen häufig nach ihrem Aussehen, Tonfall und Auftreten bewertet, nicht nach dem Inhalt ihrer Aussagen. Zusätzlich werden diese deutlich stärker moralisch betrachtet, sie dürfen weniger Fehler machen und werden für diese dann stärker zur Rechenschaft gezogen als Männer.

Frauenhass als Machterhaltungsstrategie

Besonders betroffen sind marginalisierte Frauen. Die Anfeindungen treffen sie oftmals härter und auf mehreren Ebenen, sie erleben eine Kombination aus verschiedenen Diskriminierungsformen, wie beispielsweise Sexismus, Rassismus, Ableismus, Homophobie oder Transfeindlichkeit. Diese Formen der Diskriminierung verstärken sich gegenseitig, wie das oben genannte Beispiel von Enissa Amani zeigt. Sie wird nicht nur sexistisch, sondern auch rassistisch und sexualisierend beleidigt. Marginalisierte Frauen stellen gleich mehrere Machtverhältnisse in Frage, somit dienen sie noch häufiger als Angriffsscheibe. Doch die Angriffe zielen nicht nur auf einzelne Frauen – sie sollen auch abschrecken. Die Botschaft ist hier: Wenn du dich als Frau aktivistisch engagierst, dann riskierst du persönliche Angriffe.

Hass ist keine Meinung, Sexismus keine Meinungs­kritik.

Um den Anfeindungen entgegenwirken zu können, müssen diese als solche angesehen und benannt werden. Hierbei muss klar werden: Sexismus ist eine Bedrohung für die Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit. Die Inhalte weiblicher Aktivistinnen sollten nicht nur gehört werden, sondern diese sollten bei Hass auch geschützt werden. Doch um für Gleichberechtigung im Aktivismus zu sorgen, müssen neben dem Sexismus auch Rassismus, Ableismus und Queerfeindlichkeit bekämpft werden.

Der Fick-Greta-Sticker ist keine Kritik – er ist frauenfeindlich. Er zeigt symbolisch, wie politische Frauen systematisch angegriffen werden, um diese mundtot zu machen. Umso wichtiger ist es, diese Mechanismen sichtbar zu machen und nicht zu normalisieren.


Titelbild © Paula Dowrtiel

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