Maidult ade – Regensburg atmet durch!

Maidult ade – Regensburg atmet durch!
Zwischen Müll, Scherben und fragwürdiger Traditionspflege fragt sich Regensburg: Volksfest oder Zumutung? Ein Kommentar.

von Yannick Schmidl

Am vergangenen Wochenende verstummten zum letzten Mal die lallenden »Heute sind wir bumsbar« Gesangseinlagen und die zischenden Geräusche der tänzelnden Breakdance-Kabinen rund um das Epizentrum der Regensburger Dult. Alle Jahre wieder zwei haarsträubende Wochen für die Insulianer:innen zwischen Nord- und Südarm der Donau. Bereits in der Nacht von Sonntag von Montag begannen die riesigen Kräne der Schausteller:innen damit, die ersten großen Bauteile ihrer Attraktionen abzutragen. In den kommenden Tagen werden die Fahrgeschäfte eine neue Heimat finden, während der Regensburger Dultplatz erneut in vertraut trostloser Apshaltwüste versinkt. 

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Doch was bleibt? Glasscherben, die sich im Kopfsteinpflaster so hartnäckig verhaken, dass noch in zwei Monaten Fahrräder platt und Hundehalter:innen nervös werden. Auch über den säuerlich duftenden Uringeruch dürften sich nur die Pflanzen, weniger die Anwohner:innen im ungewöhnlich trockenen Mai gefreut haben. Flecken auf der Straße – Hinterlassenschaften anderer unfreiwilliger Körperflüssigkeitsabgaben –stecken wie mahnende Pylonen das Katastrophengebiet imaginär ab und zeugen auch Tage nach der letzten verkauften Maß von den schier endlosen Pilgerströmen an Bierzeltbesucher:innen, deren Trinkfestigkeit nicht immer mit der Größe ihrer Bierkrüge mithalten konnte. Ein Gesamtbild, das der Dult mit Bravour das Prädikat echtes bayerisches Volksfest verleiht. 

Selbst wer nie einen Fuß in ein Bierzelt setzte, entkam den Nachhall des kollektiven Rauschs kaum. Zu allgegenwärtig war die feuchtfröhliche Präsenz der Volksfest-Enthusiasten:innen, die sich wie ein unausweichlicher Schleier über die Gassen der Regensburger Altstadt legte – laut, penetrant ausgelassen und kaum zu überhören. Führte der nächtliche Nachhauseweg über den Eisernen Steg erschien das heftig debattierte Bahnhofsumfeld plötzlich als Oase der Ruhe und des Friedens. Dultbesucher:innen, die einander schwankend in die Quere kamen, fanden häufig nur handgreifliche Formen der Konfliktlösung – gesellschaftliche Empörung? Fehlanzeige. Schließlich tragen die Streithähne Tracht und stolze Promillewerte, keine langen Bärte und temporäre Aufenthaltstitel. Ein Freifahrtschein unter dem Deckmantel der bayerischen Tradition.

Die Dult – Ist das noch Tradition oder kann das weg? 

Zwischen all der Kritik darf gleichzeitig nicht vergessen werden, dass Volksfeste auch ein Ort der Freude und des Miteinanders sind. Können leuchtende Kinderaugen, die voller Vorfreude auf den Kurs der Wilden Maus emporblicken, lügen? Wohl kaum. Auch den vehementesten Zyniker:innen dürfte spätestens beim Anblick älterer Ehepaare, die sich mittags Steckerlfisch und Spezi-Maß teilen, kurz das Herz aufgehen. Die Dult ist schließlich eine Gratwanderung zwischen gelebter und verlebter Tradition. Zwischen Brauchtumspflege und gesellschaftlicher Herausforderung. Tracht und Bierzeltbesuche bedeuten nicht automatisch Gewaltbereitschaft und hemmungslose Trinkgelage. Genauso wenig aber dürfen sie als Rechtfertigung problematischer Entwicklungen herhalten. Volksfeste wie die Dult sind ein Spiegel unserer Gesellschaft. Sie verbinden, bringen Generationen zusammen und stiften Identität, doch setzen sie Verantwortung auf Seiten aller Beteiligten voraus. 

Bereits in weniger als vier Monaten wiederholt sich der Dultkreislauf wie ein Perpetuum Mobile, wenn es wieder heißt: »Auf a friedliche Herbstdult!« Die Pause ist kurz – umso wichtiger, dass sie nicht nur zur Erholung, sondern auch zur Reflexion genutzt wird. Ob aus weiteren zwei Wochen Volksfest ein Fest für alle oder eine Belastung für viele wird, entscheiden letztlich jene, die es mit Leben füllen. Verantwortungsvoll oder rücksichtlos – das liegt einzig und allein in der Hand der Besucher und Besucherinnen. 


Titelbild © Yannick Schmidl


 


 

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Student der Vergleichenden Kulturwissenschaft und Angewandte Bewegungswissenschaft

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