»Butter« von Asako Yuzuki

Mord, Margarine und Männerfantasien – In »Butter« verwebt Asako Yuzuki eine wahre Kriminalgeschichte mit einer tiefgründigen Auseinandersetzung über Körperbilder, weibliche Selbstbestimmung und die Lust am Genuss. Eine kluge, feministische Erzählung, die unter die Haut geht – und gleichzeitig Appetit macht.
von Amelie Schmid
Erscheinungsdatum: 16.04.2024
Seitenzahl: 464
Übersetzt aus dem Japanischen: Polly Barton
»Butter« von der japanischen Autorin Asako Yuzuki basiert auf dem realen Fall der »Konkatsu Killerin«, bei dem eine talentierte Köchin namens Kanae Kijima verurteilt wurde, weil sie ihre drei männlichen Liebhaber vergiftet hat.
Die Autorin Yuzuki nutzt diese wahre Geschichte und hinterfragt in ihrem Buch die gesellschaftlichen Zwänge und die unmöglichen sozialen Erwartungen, denen weiblich gelesenen Personen in einer patriarchalen Gesellschaft ausgesetzt sind.
Inhaltlich geht es um die junge Journalistin Rika und schon zu Beginn der Geschichte wird deutlich, wie sehr die Protagonistin mit den Schönheitsidealen und dem Schlankheitswahn in der heutigen Gesellschaft zu kämpfen hat. Sie hat Angst zuzunehmen, lässt ihr Abendessen bewusst ausfallen und erhält von ihren Mitmenschen regelmäßig ungefragte Kommentare zu ihrem Äußeren – selbst von ihrem Freund Makoto, zu dem sie jedoch keine tiefere emotionale Bindung aufbauen kann.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die bekannte Food-Bloggerin Manako Kaji. Eine femme fatale, die genauso wie Kijima, des mehrfachen Mordes angeklagt wird und sich seit mehreren Monaten im Gefängnis befindet. Sie soll ihre ausschließlich männlichen, älteren Liebhaber mit ihren außergewöhnlichen Kochkünsten zuerst verführt und anschließend umgebracht haben. Die Öffentlichkeit bezeichnet sie als fett und ist geradezu besessen mehr über ihre Geschichte und ihre kurzlebigen Männerbekanntschaften zu erfahren. Die Medien können sich jedoch eine Sache nicht erklären: Warum sollte ein Mann diese Frau, die weder jung noch hübsch ist, attraktiv finden?Doch Manako Kaji äußert sich zu keinen der sexistischen Kommentare. Sie spricht grundsätzlich mit keinen Journalisten:innen. Bis die Journalistin Rika den Rat ihrer besten Freundin Reiko umsetzt und beschließt, mit der mutmaßlichen Serienmörderin nur noch über ihr Lieblingsthema Essen zu sprechen – Lieblingsgerichte, deren Zubereitung und die Lust am Genuss. Der Plan geht auf und führt dazu, dass sich die beiden Frauen regelmäßig treffen und eine intime und unkonventionelle Beziehung zwischen Rika und Manako entsteht.
»Es gibt zwei Dinge, die ich einfach nicht tolerieren kann« sagt Manako zur Rika in ihrem ersten gemeinsamen Gespräch »Feministinnen und Margarine«
So beginnt Rika, ihren eigenen Charakter und die Rolle der Frau in der Gesellschaft zu überdenken. Zudem wird sie von der kulinarischen Leidenschaft Manakos in den Bann gezogen und wendet Kochtipps von der Food-Bloggerin an. Sie nimmt an Gewicht zu, was dazu führt, dass sie sich, wie Manako und viele andere Frauen, mit Bodyshaming und sexistischen Bemerkungen auseinandersetzen muss.
»Es klingt hart, aber zunehmen ist nicht gut. Ich habe keine Idealvorstellung vom Körper einer Frau, aber es könnte aussehen, als würdest du dich gehen lassen. Das wirkt nicht vertrauenswürdig«
Doch trotz dessen wird Rika selbstbewusster, fühlt sich in ihrem neuen Körper wohl und entwickelt ein neues Gefühl von Selbstakzeptanz. Sie fängt an, sich mit ihrer eigenen Vergangenheit und ihren derzeitigen Beziehungen auseinanderzusetzen. Rika beginnt sogar, sich selbst mit Manako zu identifizieren und bemerkt dabei nicht, wie die Gefängnisinsassin langsam, aber sicher anfängt, sie zu manipulieren.
Das Buch ist meiner Meinung nach eine sehr kluge und durchdachte Geschichte, die wichtige Themen, wie den Körperwahn, Bodyshaming, den ständigen Leistungsdruck und insbesondere die weibliche Care-Arbeit in heterosexuellen Beziehungen behandelt. Es wird unmissverständlich klar, dass die weiblichen Figuren in diesem Roman ständig ihre eigenen Grenzen überschreiten, um der Gesellschaft gerecht zu werden. Umso schöner ist es zu lesen, wie sich Rika im Laufe der Geschichte ihr Leben Stück für Stück wieder selbst in die Hand nimmt.
Darüber hinaus werden weitere wichtige Themen, wie der unerfüllte Kinderwunsch von Rikas bester Freundin und der Verlust der Arbeitsstelle von einer Arbeitskollegin durch ihre Mutterschaft angesprochen, die somit die Realität für Frauen ganz offen widerspiegelt.
Ein Roman über die Herausforderungen weiblich gelesener Personen in patriarchalen Strukturen, der trotz der thematisierten Schwere gut unterhält – was nicht zuletzt daran liegt, dass Asako Yuzuki ein besonderes Talent dafür hat, Gerichte, Aromen, Texturen und Gerüche so ausführlich und schmackhaft zu beschreiben. Beim Lesen hatte ich ständig Lust auf Reis mit Butter und Sojasuace, um dieselbe sinnliche Erfahrung zu machen, wie Rika sie im Roman erlebt.
Titelbild © Amelie Schmid