»Brandmauer«

»Brandmauer«
Sie fällt, sie steht, sie brennt. Wir sind die Brandmauer! Schlagzeile um Schlagzeile – alle sprechen von der Brandmauer. Aber was hat es denn mit dieser Mauer eigentlich auf sich? Und warum gerade jetzt?

Von Crispin Coy

Die Brandmauer, um die es hier gehen soll, gibt es nicht. Sie ist ein Konstrukt. Ein Konstrukt, welches die Trennung von demokratischen und extremistischen beziehungsweise antidemokratischen Parteien symbolisieren soll. Eine Mauer, die abhalten und bewahren sollte, Politik mit extremistischen Parteien zu machen.

Am 29. Januar 2025 droht der Brandmauer, die auf kommunaler Ebene schon längst gefallen ist, nun auch bundesweit der Einsturz. Wenn sie nicht bereits gefallen ist. Ausgerechnet einen Tag nach der 80-jährigen Befreiung von Auschwitz stimmen Union, FDP und AfD für einen Entschließungsantrag zur Verschärfung der Migrationspolitik. Es ist das erste Mal, dass es ein Antrag mit Stimmen der AfD durch das Parlament schafft.

Der Wahlkampf fängt Feuer, der Entschließungsantrag der Union dient als Brandbeschleuniger.

Der von der Union vorgebrachte Fünf-Punkte-Plan fordert unter anderem den Stopp illegaler Einreise sowie dauerhafte Grenzkontrollen, die Inhaftierung aller Ausreisepflichtigen, ehe sie freiwillig ausreisen oder abgeschoben werden. Auch die Bundespolizei soll weitere Befugnisse erhalten.

Abgesehen davon, dass dieser Antrag schlichtweg rechtswidrig wäre, sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene, signalisiert er, wie viel Substanz in den Worten des CDU- Kanzlerkandidaten steckt.

Am 13. November 2024 erklärte Friedrich Merz vor dem Bundestag:

»Wir sollten vereinbaren […], dass wir nur die Entscheidungen auf die Tagesordnung des Plenums setzen, über die wir uns zuvor mit Ihnen von der SPD und den Grünen in der Sache geeinigt haben, sodass weder bei der Bestimmung der Tagesordnung noch bei den Abstimmungen hier im Haus in der Sache auch nur ein einziges Mal eine zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheit mit denen da [AfD] zustande kommt. […] Wir wollen das alles nicht.«

Heute, knapp zweieinhalb Monate später, zeigt sich, wie treu Friedrich Merz zu seinen Aussagen steht. Schwarz und Braun können: Hand in Hand. Dass es bloß um einen Entschließungsantrag geht, welcher gesetzlich nichts bewirkt, ändert die Botschaft nicht. Es war im Vorhinein klar, die Union würde diesen Entschließungsantrag nur mit Stimmen der AfD durchbringen können.

Zwei Tage nach dem Entschließungsantrag der Union, am 31. Januar, bekommt der Gesetzesentwurf des »Zustrombegrenzungsgesetz« zur neuen Migrationspolitik im Bundestag keine Mehrheit. In dem vorgelegten Gesetzesentwurf wird unter anderem die sofortige Beendigung des Familiennachzugs von Personen mit subsidiärem Schutz gefordert.

Auch wenn der Gesetzesentwurf eine Mehrheit knapp verfehlt hat, abgeschlossen ist mit dieser Abstimmung lange nichts.

Eine Distanzierung zur AfD hat erneut nicht stattgefunden. Es könnte der Auftakt für eine womöglich sehr düstere deutsche Zukunft sein. Ein Tabubruch, welcher kurz vor dem Wahlkampf die Weichen für schlimmeres stellen könnte.

Obwohl es nach diesem historischen, besorgniserregenden Tag auch viel Kritik aus den eigenen Reihen der Union gab, unter anderem die scharfe Verurteilung Merkels, wird sich an Friedrich Merz Kurs vermutlich nichts ändern. Dies war nur der Beweis dafür, dass Merz bereit ist, gemeinsame Sache mit antidemokratischen Populisten zu machen. Auch eine Brandmauer scheint ihm dabei nicht im Weg zu stehen. Ein Armutszeugnis für eine nun gespaltene Union und eine dunkle Stunde in der deutschen Politik.

Die Ergebnisse des Gesetzesantrags zeigen jedoch auch, dass Demokratie und Menschlichkeit in diesem Land noch stark genug sind. Hunderttausende Menschen, die auf die Straße gehen und sich dieser Politik in den Weg stellen, laut sind und zeigen, dass es so nicht weitergehen kann. Ein ermutigendes Zeichen in diesen Tagen. Für viele mag die Brandmauer gefallen sein, nun gilt es aber, sie wieder aufzubauen. Eine Frage, die jedoch bleibt: Auf welcher Seite steht dann die Union?


Beitragsbild ©Crispin Coy

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Student der vergleichenden Kulturwissenschaft und Politikwissenschaft

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