Überfordert mit der Überschwemmung: Die Donau vorm Fenster
Was mache ich, wenn das Wasser der Donau bis knapp unter mein Schlafzimmerfenster steigt? Das hat sich Antonia Wittek im Juni gefragt, als ihre WG kurz davor war, geflutet zu werden. Eine Antwort auf die Frage hat sie bis heute nicht wirklich.
von Antonia Herzinger
»Wir waren gerade in Italien im Urlaub. In Deutschland hat es geregnet und geregnet und bei uns war schönster Sonnenschein. Wir haben uns die ganze Zeit gedacht: ‘Was wir für ein Glück mit dem Wetter haben! ’«, erzählt Antonia Wittek. »Dann kommen wir heim, schauen aus dem Fenster und waren so: ‘Oh’.«
Als Antonia Anfang Juni aus dem Urlaub zurückkommt, steht das Wasser schon etwa bis einen Meter unter ihr Schlafzimmerfenster. Dass die Jahninsel am anderen Ufer überschwemmt wird, das passiert. Aber sowas hatte Antonia noch nie erlebt.
Aufgewachsen ist die Lehramtsstudentin in der Nähe von Augsburg, ihr Haus stand an einem Berg. Überschwemmung sei dort nie ein Thema gewesen. Deshalb habe sie darüber auch gar nicht nachgedacht, als sie in die WG an der Donau eingezogen ist. Mit der Situation im Juni 2024 sei sie also total überfordert gewesen.
Panik und Überforderung
»Wir waren damals richtig in Panik. Niemand hat uns konkret benachrichtigt, wie man sich verhalten soll. Weder die Stadt noch die Vermieter.« Antonia und ihre Mitbewohnerinnen haben dann einfach ständig im Internet den Hochwasserstand gecheckt. Nach ein paar Tagen haben sie sich dann dazu entschieden, Sandsäcke zu besorgen. »Wir waren aber relativ spät dran und die ganzen Stationen in unsere Nähe waren schon leer.« Außerdem hatten sie kein Auto, um die schweren Sandsäcke zu transportieren.
Die Situation hat sich immer weiter verschärft, das Wasser ist immer weiter gestiegen. »Die Donau war so reißend und so laut. Der Blick nach draußen war so scary, da sind ganze Baumstämme vorbeigetrieben.« Zum ersten Mal habe Antonia das Gefühl gehabt, das etwas so »Essenzielles« wie ihr Wohnraum in Gefahr war: »Das war wirklich existenzielle Angst.«
Hausmeister schlägt vor, Fenster zuzumauern
Eine Freundin von Antonia aus Deggendorf (Niederbayern) kennt sich mit Überschwemmungen aus und hat der WG geholfen, Sandsäcke zu besorgen und die Fenster damit zu schützen. »Der Hausmeister, der immer sehr hilfsbereit ist, hat sogar vorgeschlagen, unsere Fenster zuzumauern, wenn es schlimmer wird.«
Videos davon, wie es damals vor Antonias Zimmer ausgesehen hat, findet ihr in unserem Instagram.
Evakuiert werden musste die WG nicht. »Wir haben aber unsere Sachen in Sicherheit gebracht und sind alle für ein paar Tage bei Freunden untergekommen.« Ihre größte Angst sei gewesen, dass das Wasser mitten in der Nacht einbricht und sie nichts dagegen tun kann.
Die Überschwemmung beschäftigt Antonia bis heute
Davon ist Antonias WG diesmal verschont geblieben: Das Wasser ist nie in ihre Wohnung eingedrungen und Antonias Eigentum ist unversehrt geblieben. Was bleibt, ist die Erinnerung an die Panik und die Überforderung sowie die Angst davor, dass das Gleiche – oder Schlimmeres – im nächsten Jahr wieder passiert.
»Immer, wenn ich einen Sandsack sehe, denke ich sofort an die Zeit zurück«, sagt Antonia. Auch andere Menschen erinnern sie unbewusst immer wieder an die Überschwemmung: »Wirklich jede Person, die nach der Überschwemmung unter meinem Fenster vorbeigegangen ist, als da noch Sandsäcke lagen, hat etwas gesagt wie: ‘Wow, schau, so hoch ist das Wasser gestiegen’.«
Antonia macht sich jetzt auch viel mehr Gedanken über Überschwemmungen, von denen sie in den Nachrichten erfährt: »Früher war das Thema immer so weit weg. Jetzt weiß ich selbst, wie beängstigend das sein kann. Und dabei hatten wir ja im Vergleich zu anderen Betroffenen riesiges Glück.«
80 Prozent Luftfeuchtigkeit misst Antonia in der Wohnung teilweise heute noch
Auch heute noch sind Nachwirkungen in der Wohnung zu spüren: Die Luftfeuchtigkeit in der Wohnung sei schon immer recht hoch gewesen, immer etwa um die 50 Prozent. »In den letzten Monaten sind wir, wenn wir nachts nicht gelüftet haben, teilweise mit 80 Prozent Luftfeuchtigkeit aufgewacht.« Schimmel hat die WG bisher nicht. »Aber gerade, als es sehr warm war, so im September, hat man die Feuchtigkeit richtig gespürt.« Die Lösung der Vermieter sei übrigens gewesen: Mehr Lüften!
Alleingelassen in der Krise
Was Antonia am meisten stört, ist, dass es weder von Seiten der Stadt noch von Seiten der Vermieter Informationen kamen, wie man sich verhalten soll. »Mehr Aufklärung und aktive Benachrichtigung wäre sicher angemessen.«
Titelbild © Antonia Wittek