Gegen das Vergessen: die Letzte Generation in Regensburg

Gegen das Vergessen: die Letzte Generation in Regensburg

Der politische Diskurs ist turbulent, eine Schlagzeile jagt die nächste. Notwendige Klimapolitik wird in den Hintergrund gedrängt. Die Letzte Generation, in der Öffentlichkeit gerne als »Klimakleber« betitelt, protestiert für konsequentere Klimapolitik – auch ohne Kleber. Ein Interview.

Von Ida Müermann

Jeden Mittwoch protestiert die Letzte Generation in Regensburg für den Erhalt unserer Lebensgrundlage mit einer Blockade auf der Friedensstraße vor den Arcaden, um an die Relevanz der Klimakrise zu erinnern. Eine Redakteurin der Lautschrift hatte die Möglichkeit, Sebastian von der letzten Generation in Regensburg ein paar Fragen zu stellen.

»Wir leben in schwierigen Zeiten.«

Ida Müermann: Die letzten Wochen waren politisch gesehen sehr ereignisreich. Wahlen in den USA und Ampelbruch in Deutschland – das hat Auswirkungen auf die deutsche und weltweite Klimapolitik. Wie ist die Stimmung in eurer Gruppe während der aktuellen politischen Lage?

Sebastian (Letzte Generation): Wir leben in schwierigen Zeiten. Es ist frustrierend, wenn eine Person, die aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigt, zum US-Präsidenten gewählt wird. Umso wichtiger ist es, in Deutschland und als Europäische Union den Wandel voranzutreiben, und aktuell passiert das nicht. Wenn wir so weitermachen, dann werden in wenigen Jahrzehnten Milliarden von Menschen unter härtesten Bedingungen um die wenigen verbleibenden Ressourcen kämpfen, während Milliardäre das in ihren Klimabunkern in Neuseeland aussitzen. Wir wollen das nicht, das treibt unser Durchhaltevermögen an.

Ihr seid eine von der Politik und den Medien kontrovers diskutierte Gruppe. Welches Klischee über die letzte Generation würdet ihr am liebsten aus der Welt schafften?

Sebastian: Wir sind gar nicht so unbeliebt, wie es scheint. Gerade einige Medien und Teile der Politik profitieren von dem Image einer radikalen Gruppe, gegen die hart durchgegriffen werden muss. Niemand möchte lesen: »Friedlicher Protest wurde nach einer Stunde beendet.« Und solange Politiker:innen über Maßnahmen gegen Klimakleber sprechen, müssen sie nicht über ihre Versäumnisse der letzten Jahrzehnte oder ihre unzulänglichen Lösungskonzepte reden. Wir müssen als Gesellschaft aufhören, auf solche Ablenkungsdebatten reinzufallen.

Letze Generation Regensburg: mit Warnwesten und Bannern für Klimapolitik. © Ida Müermann

»Viele Menschen sind protestbereit.«

Der Begriff »Klimakleber« ist nicht aktuell – ihr klebt nicht mehr. Warum habt ihr euch dazu entschieden, vom Protestformat der geklebten Straßenblockade abzuweichen?

Sebastian: Um anschlussfähiger zu werden. Viele Menschen sind protestbereit, aber möchten nicht kleben. Wir sehen auch, dass das teilweise funktioniert, besonders in Regensburg. Bei den ersten mittwöchlichen Versammlungen im Frühjahr waren wir teilweise weniger als zehn Personen. Letzten Mittwoch waren es knapp 30, trotz Novemberwetter. Wir werden von Woche zu Woche mehr.

Wie hat sich die Stimmung auf der Straße und auch in der Politik geändert, seitdem sich das Format der Aktionen geändert hat?

Sebastian: Wir sehen vor allem international, dass klebefreie Blockaden viel Zuspruch erhalten. Extinction Rebellion hat beispielsweise in den Niederlanden mit wochenlangen Autobahnblockaden in Den Haag mit mehreren tausend Menschen bewirkt, dass fossile Subventionen endlich abgebaut werden. Diesen Herbst hat die Polizei dort über mehrere Stunden einen Autobahn-Protest nicht geräumt. In Deutschland sieht es noch etwas ambivalenter aus.

Wie behandelt euch die Polizei bei euren aktuellen Protesten?

Sebastian: In Regensburg mittlerweile sehr korrekt. Ganz am Anfang kam es auch hier zu Maßnahmen wie Hausdurchsuchungen und Präventivhaft, in den letzten Monaten wurde unser Recht auf Versammlungsfreiheit vonseiten der Polizei immer respektiert. Unsere wöchentliche Versammlung wird für eine Stunde geduldet und wir verlassen danach freiwillig wieder die Straße. Es gibt leider auch immer noch viele Städte, in denen die Polizei rabiat vorgeht und Grundrechte missachtet.

Welche Möglichkeiten gibt es, um mit euch in den Dialog zu treten?

Sebastian: Wir sind immer gesprächsbereit. Man findet uns über Social Media, unsere Website, Mail oder in Regensburg jeden Mittwoch von 17 bis 18 Uhr auf der Friedenstraße sowie bei allen anderen Protesten. Am 07. Dezember um 12 Uhr werden wir uns zum Beispiel auf dem Dachauplatz versammeln und einen widerständigen Weihnachtsmarkt aufbauen, um gegen die Verdrängung der Klimakatastrophe in der Weihnachtszeit und die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen zu protestieren. Dabei wird es Musik und ein vielseitiges Programm geben.

Auch bei Wind und Kälte steht die Letzte Generation auf der Straße. © Ida Müermann

Beitragsbild ©Letzte Generation

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